BGH, 01.09.1992 - 1 StR 281/92
1. Geht es dem Verurteilten vorrangig nur um weiteren Strafaufschub und macht er zu diesem Zweck der Staatsanwaltschaft unwahre Angaben, liegt darin auch dann kein Betrug, wenn damit zugleich der Verfall einer Sicherheit abgewendet wird.
2. Zu den Anforderungen an die Annahme bedingten Vorsatzes im Rahmen des § 267 I, wenn ein Strafverteidiger bei seiner Tätigkeit ihm vom Mandanten überlassenen gefälschte Urkunden unter Zweifeln an deren Echtheit dem Gericht vorlegt.
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten, einen 1913 geborenen Rechtsanwalt, wegen Urkundenfälschung in Tateinheit mit versuchtem Betrug zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr sechs Monaten bei Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Hiergegen wendet sich seine Revision mit einer Verfahrensrüge und der Sachrüge. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
I.
Der Verurteilung liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Der Angeklagte war ab 1988 als Verteidiger für den wegen umfangreicher Betrugstaten und Wechselfälschungen gesuchten, in Marokko lebenden T. B. tätig. Da dieser ein neues Leben beginnen wollte, stellte er sich, in der Hoffnung auf eine milde Strafe, unter Vermittlung des Angeklagten den deutschen Strafverfolgungsbehörden. Am 10. August 1988 wurde er vom Landgericht München I zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren sechs Monaten verurteilt und noch im Sitzungssaal verhaftet. Der Angeklagte erreichte, daß der Haftbefehl gegen seinen Mandanten gegen eine Sicherheitsleistung von 300. 000 DM außer Vollzug gesetzt wurde; den Betrag hinterlegte der Angeklagte als Eigenhinterleger. Darauf nahm B., der tatsächlich nicht beabsichtigte, die verhängte Freiheitsstrafe zu verbüßen, seine Revision zurück und begab sich zunächst nach Spanien; in der Folge lebte er unter falschem Namen in Tanger.
Nachdem die Strafverfolgungsbehörde seinen Mandanten am 8. November 1988 zum Strafantritt geladen hatte, gelang es dem Angeklagten zunächst, einen Aufschub der Vollstreckung bis 31. Januar 1989 zu erreichen. In der Folge legte der Angeklagte am 3. Februar 1989 und am 14. Februar 1989 der Staatsanwaltschaft Atteste eines spanischen Arztes vom 26. Januar und 10. Februar 1989 vor, wonach sein Mandant wegen einer urologischen Erkrankung nicht nach Deutschland kommen könne. Das Attest vom 10. Februar 1989 legte er am 22. Februar 1989 erneut im Original vor und versicherte, B. werde nach seiner Genesung unverzüglich einreisen. Vom 4. bis 6. März 1989 besuchte der Angeklagte seinen Mandanten B. in Tanger. Er bemerkte, daß B. völlig gesund war; er erkannte, daß die Atteste über eine angebliche schwere Nierenerkrankung falsch waren, und forderte B. auf, nach München zu kommen; er werde "sonst doch irgendwann geschnappt".
Die Staatsanwaltschaft beantragte, nachdem bereits am 7. Februar 1989 Haftbefehl nach § 457 StPO gegen B. ergangen war, am 23. März 1989 den Verfall der Kaution. Obwohl der Angeklagte wußte, daß B. tatsächlich nicht erkrankt war, legte er der Staatsanwaltschaft am 10. April 1989 ein Telefax von B.'s Schwager vor, wonach dieser im Krankenhaus sei. Der Angeklagte suchte mehrfach die sachbearbeitende Staatsanwältin auf, welcher er nachdrücklich versicherte, B. sei tatsächlich schwer erkrankt; daß er ihn vom 4. bis 6. März 1989 gesund in Tanger gesehen hatte, verschwieg er. Durch Beschluß vom 19. April 1989 wurde die Sicherheitsleistung für verfallen erklärt. Hiergegen legte der Angeklagte am 26. April 1989 sofortige Beschwerde ein; er legte die Fotokopie einer Sterbeurkunde eines spanischen Krankenhauses mit kopiertem Beglaubigungsvermerk vor, wonach B. am 22. April 1989 verstorben war. Dabei nahm er billigend in Kauf, daß die ihm aus Spanien in Fotokopie zugesandte Urkunde falsch war. Am 16. Mai 1989 legte der Angeklagte die fotokopierte Sterbeurkunde erneut zur Glaubhaftmachung bei der Strafkammer vor und forderte die Freigabe der Kaution; auf dieser Urkunde befand sich ein Beglaubigungsvermerk der Deutschen Botschaft in Madrid im Original. Bei allen vom Angeklagten vorgelegten Attesten und Urkunden handelte es sich um Totalfälschungen.
II.
Mit der Verfahrensrüge macht die Revision geltend, die vom Landgericht zugelassene Anklage habe dem Angeklagten mittäterschaftliche Begehung der Urkundenfälschung zur Last gelegt, verurteilt worden sei er als Alleintäter (Nebentäter); ein rechtlicher Hinweis nach § 265 Abs. 1 StPO sei daher notwendig gewesen. Die Rüge bedarf keiner Entscheidung, weil die Sachrüge durchgreift.
III.
Die Sachrüge hat Erfolg. In Anbetracht dessen, daß der Angeklagte die ihm als Urkundenfälschung und versuchter Betrug angelasteten Handlungen in Ausübung seiner Tätigkeit als Strafverteidiger begangen hat, bedurfte die Frage bedingt vorsätzlichen Handelns besonderer Prüfung. Dieser Anforderung wird das Urteil nicht gerecht.
1. In Rechtsprechung und Literatur ist anerkannt, daß die Stellung als Verteidiger in einem Strafprozeß und das damit verbundene Spannungsverhältnis zwischen Organstellung und Beistandsfunktion eine besondere Abgrenzung zwischen erlaubtem und unerlaubtem Verhalten insbesondere in bezug auf den Straftatbestand der Strafvereitelung, § 258 StGB, erforderlich macht (vgl. dazu Beulke, Der Verteidiger im Strafverfahren 1980, S. 163 ff.; ders., Die Strafbarkeit des Verteidigers 1989, S. 18 ff.; Pfeiffer DRiZ 1984, 341; Ostendorf NJW 1978, 1345; JZ 1979, 252; Bottke ZStW 86 (1984), 726; Welp ZStW 90 (1978), 804; Dahs/Dahs, Handbuch des Strafverteidigers, 5. Aufl. S. 47 ff.; Krekeler NStZ 1989, 146; Ruß in LK 10. Aufl. § 258 Rdn. 20; Stree in Schönke/Schröder, StGB 24. Aufl. § 258 Rdn. 20; Dreher/Tröndle, StGB 45. Aufl. § 258 Rdn. 7, jeweils m.w.Nachw. ).
Die Grenzen zulässigen Verteidigerverhaltens ergeben sich dabei nicht unmittelbar aus § 258 StGB selbst, vielmehr verweist die Vorschrift auf die Regelungen des Prozeßrechts. Danach darf der Verteidiger grundsätzlich alles tun, was in gesetzlich nicht zu beanstandender Weise seinem Mandanten nützt. So ergeben sich insbesondere die Zulässigkeit der Verteidigung des schuldigen Angeklagten und des Hinwirkens auf einen Freispruch trotz Kenntnis von der Schuld des Mandanten aus der wichtigen Aufgabe, welche dem Verteidiger in einem rechtsstaatlichen Strafverfahren zukommt.
Andererseits hat sich der Verteidiger nach allgemeiner Auffassung jeder aktiven Verdunkelung und Verzerrung des Sachverhalts zu enthalten (BGHSt 2, 377 [BGH 20.05.1952 - 1 StR 748/51]; 10, 393; 29, 107; BGH NStZ 1983, 503; Pfeiffer DRiZ 1984, 341, 344 f.; Ostendorf NJW 1978, 1345, 1349; Beulke, Die Strafbarkeit des Verteidigers, S. 18 ff. ). Hierzu zählt auch die Verfälschung von Beweismitteln oder die Verwendung verfälschter Beweismittel, insbesondere von Urkunden.
2. Strafbarkeit nach § 258 StGB setzt direkten Vorsatz voraus (Eser in Schönke/Schröder aaO. § 258 Rdn. 22; Beulke aaO. S. 132). Das bedeutet, daß der Strafverteidiger nicht schon dann in die Gefahr eigener Strafbarkeit gerät, wenn er ihm selbst zweifelhafte Behauptungen aufstellt. Jeder Verteidiger wird Tatsachenschilderungen seines Mandanten bisweilen mit erheblichen Zweifeln begegnen. Hält er die Richtigkeit solcher - den Angeklagten entlastender - tatsächlicher Behauptungen jedoch für nicht ausgeschlossen, so verpflichtet ihn sein Mandat, sie dem Gericht vorzutragen, selbst wenn er ihre Unrichtigkeit für wahrscheinlich hält.
3. Entgegen der Auffassung der Revision lassen sich die zu § 258 StGB entwickelten Grundsätze auf andere, nach ihrer Meinung in einen engen Kreis "verteidigungsspezifischen" Handelns fallende Straftatbestände wie §§ 153 ff., 267 ff. StGB nicht übertragen. Das scheitert schon daran, daß bei diesen Tatbeständen die Begehung mit bedingtem Vorsatz genügt. Zudem ist eine klare Abgrenzung nicht möglich; Vereitelungshandlungen können durch eine Vielzahl unterschiedlicher Straftaten begangen werden.
Demgemäß wird, soweit in der Literatur zur vorliegenden Frage Stellung genommen wird, ohne weiteres davon ausgegangen, daß Strafbarkeit eines Verteidigers wegen Urkundenfälschung, Anstiftung zum Meineid oder zur vorsätzlichen Falschaussage bereits bei bedingtem Vorsatz eintrete (Pfeiffer DRiZ 1984, 341, 347). Soweit sich der Beschwerdeführer demgegenüber auf den Beschluß des Bundesgerichtshofs vom 16. September 1981 - 3 StR 234/81 - beruft, geht das fehl. Vielmehr wird in dieser Entscheidung dem angeklagten Verteidiger gerade zugute gehalten, er habe eine bloße Behauptung "ohne eine Trübung der Beweisquelle durch Vorlegen irreführender Unterlagen" aufgestellt.
Entgegen der Meinung der Revision kann auch in solchen Fällen zu Gunsten eines bedingt vorsätzlich handelnden Verteidigers ein besonderer Rechtfertigungsgrund der Wahrnehmung von Verteidigerpflichten nicht angenommen werden (vgl. aber auch Volz BB 1987, 139, 144). Für einen solchen Rechtfertigungsgrund fehlt eine gesetzliche Grundlage. Aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGHSt 29, 99, 102), wonach zulässiges Verteidigerverhalten keine rechtswidrige Unterstützung einer kriminellen oder terroristischen Vereinigung sein kann, ergibt sich nichts anderes; diese Aussage ergibt sich aus den Besonderheiten der §§ 129, 129 a StGB. Nach den Vorschriften der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (MRK) hat der Angeklagte zwar ein Recht auf konkrete und wirkliche Verteidigung (vgl. Art. 6 Abs. 3 c; Kleinknecht/Meyer, StPO 40. Aufl. Art. 6 MRK Rdn. 20), doch läßt sich daraus ein Rechtfertigungsgrund für einzelne Verteidigerhandlungen nicht herleiten.
4. Andererseits ist einzuräumen, daß sich bei dieser Gesetzeslage für den Strafverteidiger schwierige Situationen ergeben können. Behauptet der Mandant in einem Betrugsprozeß, ihm habe eine schriftliche Kreditzusage einer Bank vorgelegen, darf der Verteidiger auch bei erheblichen Zweifeln diesen Einwand dem Gericht unterbreiten; die ihm gleichfalls übermittelte, nach seiner Meinung möglicherweise gefälschte Kreditzusage soll er aber nicht vorlegen dürfen. Macht der Mandant ein Alibi geltend, darf der Verteidiger darauf zurückgreifen, mag es ihm auch eher unwahrscheinlich erscheinen; mit ihm gleichfalls in ihrer Richtigkeit zweifelhaften Urkunden soll er es nicht belegen dürfen.
Doch können diese Unstimmigkeiten durch eine sorgfältige und strenge Prüfung der Frage ausgeräumt werden, ob - zumindest - bedingt vorsätzliches Verhalten des Verteidigers in solchen Fällen tatsächlich vorliegt. Zu unterscheiden ist zwischen den begrifflichen Voraussetzungen des dolus eventualis und den Anforderungen, die an seinen Beweis zu stellen sind (vgl. Cramer in Schönke/Schröder aaO. § 15 Rdn. 87). Dabei soll nach den dazu entwickelten Grundsätzen die Annahme einer Billigung des Erfolges beweisrechtlich naheliegen, wenn der Täter ein Vorhaben trotz äußerster Gefährlichkeit durchführt; in solchen Fällen soll er sich nicht auf die vage Hoffnung berufen können, jene Gefahr würde wider Erwarten doch nicht verwirklicht (st. Rspr.; vgl. z.B. BGH NStZ 1984, 19; 1986, 550). Doch können derartige Umschreibungen, die weitgehend für den Bereich der Tötungsdelikte entwickelt worden sind, nicht formelhaft auf Fälle offener, mehrdeutiger Geschehen angewendet werden (Cramer aaO.). Insbesondere die Würdigung zum voluntativen Vorsatzelement muß sich in solchen Fällen mit den Feststellungen des Urteils zur Persönlichkeit des Täters auseinandersetzen und auch die zum Tatgeschehen bedeutsamen Umstände mit in Betracht ziehen (vgl. BGHSt 36, 1, 9 f. [BGH 04.11.1988 - 1 StR 262/88] m.w.Rspr.-Nachweisen). Ein Strafverteidiger ist verpflichtet, seinen Mandanten bestmöglich zu verteidigen. Ihm vorliegende oder zugängliche Beweismittel zu Gunsten seines Mandanten muß er einbringen. In diesem Rahmen ist er zwar verpflichtet, darauf zu achten, daß er nicht gefälschte oder sonst als unrichtig erkannte Beweismittel vorlegt. Hat er aber insoweit lediglich Zweifel an der Echtheit, ist er deshalb nicht befugt, ein Beweismittel zurückzuhalten. Andernfalls würde er in Kauf nehmen, ein möglicherweise echtes, entlastendes Beweismittel zu unterdrücken.
Wird ein Strafverteidiger in dieser Weise tätig, wird in der Regel davon auszugehen sein, daß der Verteidiger, der sich darauf beschränkt, ihm von seinem Mandanten zur Verfügung gestellte oder benannte Beweismittel in ein gerichtliches Verfahren einzubringen, strafbares Verhalten nicht billigt, selbst bei erheblichen Zweifeln an der Richtigkeit oder Zuverlässigkeit der eingeführten Beweise. Vielmehr wird der Verteidiger solche Beweismittel im Regelfall mit dem inneren Vorbehalt verwenden, das Gericht werde sie seinerseits einer kritischen Prüfung unterziehen und ihre Fragwürdigkeit nicht übersehen. Dieser Vorbehalt ergibt sich daraus, daß der Verteidiger als Organ der Rechtspflege fremde Interessen wahrnimmt. Etwas anderes könnte dann gelten, wenn der Verteidiger über zusätzliche Informationen verfügt, etwa, wenn ihm der Mandant mehr oder weniger deutlich zu erkennen gegeben hat, das Vorbringen sei erlogen, die Beweismittel seien gefälscht.
5. Den danach an die Feststellung des bedingten Vorsatzes in Fällen dieser Art zu stellenden Anforderungen wird das landgerichtliche Urteil nicht gerecht.
Das Landgericht hätte sich in Anbetracht der Umstände des Falles, der dadurch gekennzeichnet ist, daß der Angeklagte als Strafverteidiger ihm von seinem Mandanten übermittelte Unterlagen in das Verfahren über weitere Haftverschonung und den möglichen Verfall der Sicherheit einführte, besonders sorgfältig mit der Frage der Billigung strafbaren Verhaltens auseinandersetzen müssen. Daran fehlt es; das Landgericht begnügt sich insoweit mit der formelhaften Feststellung, der Angeklagte habe bei den Tatbeständen jeweils mit bedingtem Vorsatz gehandelt. Damit kann das Urteil keinen Bestand haben.
6. Unabhängig davon bestehen gegen die Verurteilung wegen versuchten Betruges auch deshalb Bedenken, weil nach den bisherigen Feststellungen zweifelhaft ist, ob die Bemühungen des Angeklagten, den Verfall der Kaution abzuwehren, hier in den Schutzbereich des § 263 StGB fallen.
In der Rechtsprechung (vgl. insbesondere RGSt 71, 281; 76, 278; OLG Stuttgart MDR 1981, 422; OLG Karlsruhe NStZ 1990, 282 [OLG Karlsruhe 17.01.1990 - 3 Ss 169/89]) und Literatur (vgl. Cramer in Schönke/Schröder aa0 § 263 Rdn. 151; Lackner in LK aaO. § 263 Rdn. 252) ist anerkannt, daß die durch Täuschung unternommene Abwendung der Verhängung oder Vollstreckung strafrechtlicher Sanktionen, welche eine Vermögenseinbuße zur Folge haben (Geldstrafe, Geldbuße, Einziehung, Verfall, Verwarnungsgeld), vom Tatbestand des § 263 StGB nicht erfaßt wird. Grund dafür ist, daß diese Sanktionen keine "für den Wirtschaftsverkehr relevanten" Gegenstände darstellen, da sie "dem wirtschaftlichen Verkehr nicht unterliegen" (Cramer aaO.), und daß ihnen daher eine wirtschaftliche Zweckbestimmung nicht zugrunde liegt.
Die Sicherheitsleistung nach § 116 StPO ist demgegenüber zwar keine Strafe, sondern eine strafprozessuale Maßnahme, die allerdings untrennbar mit dem Rechtsinstitut der Untersuchungshaft verbunden ist. Ihr ausschließliches Ziel ist die Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs (vgl. BVerfG NStZ 1991, 142).
Die Grenzen, innerhalb derer ein Beschuldigter, dem der Widerruf von Haftverschonung und damit verbundener Verfall einer Sicherheitsleistung drohen, sich zur Wehr setzen darf, werden damit durch die Strafprozeßordnung bestimmt. Danach unterliegt es aber keinem Zweifel, daß der Beschuldigte sich gegen eine drohende Inhaftierung auch durch unwahres tatsächliches Vorbringen verteidigen darf. Da in solchen Fällen die Entscheidung über einen möglichen Verfall der Sicherheitsleistung mit der Haftentscheidung in der Regel untrennbar verbunden ist, ist eine getrennte Beurteilung nicht möglich. Im Strafprozeß gibt es keine Wahrheitspflicht für den Beschuldigten; sie kann auch nicht indirekt über das Strafrecht begründet werden (vgl. BGH NJW 1958, 956). Damit ist freilich nicht gesagt, daß eine Sicherheitsleistung in keinem Fall Gegenstand betrügerischen Verhaltens sein kann. Abweichend könnte die Rechtslage zu beurteilen sein, wenn der Haftbefehl inzwischen wieder vollzogen wird und der weitere Streit nur noch um den Verfall der Kaution geht; auch wenn der Verfall der Kaution bereits rechtskräftig angeordnet ist und die Bemühungen dahingehen, diese Entscheidung - etwa durch Gegenvorstellungen - rückgängig zu machen, könnten die vermögensrelevanten Aspekte überwiegen. Doch bedürfen diese Fragen hier keiner Entscheidung.
Dem Mandanten des Angeklagten ging es vorrangig darum, die gegen ihn rechtskräftig verhängte Strafe nicht antreten zu müssen. Der drohende Verlust der Kaution fiel für ihn nicht besonders ins Gewicht. Durch seine Bemühungen, der Strafvollstreckung zu entgehen, kann sich daher jedenfalls B. nicht des versuchten Betruges schuldig gemacht haben. Dabei stellt sich die Rechtslage nicht deshalb anders dar, weil er seine Bemühungen im Rahmen eines Vollstreckungsverfahrens entfaltete.
Nach den Feststellungen muß davon ausgegangen werden, daß es auch dem Angeklagten jedenfalls zunächst um weitere Haftverschonung für B. ging. Später traten zwar Versuche, die Sicherheit zu retten, in den Vordergrund; daß dieses ausschließlich Ziel der Bemühungen des Angeklagten war, erscheint jedoch in Anbetracht dessen, daß B. auch zu diesem Zeitpunkt noch auf freiem Fuß war, zweifelhaft; die Vorlage der gefälschten Sterbeurkunde hatte auch zur Folge, daß B. hoffen konnte, jedenfalls für weitere Zeit der Strafverbüssung zu entgehen.