RG, 13.12.1879 - V 24/79

Daten
Fall: 
Grundbuch
Fundstellen: 
RGZ 1, 127
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
13.12.1879
Aktenzeichen: 
V 24/79
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • Kreisgericht Schneidemühl.
  • Appellationsgericht Bromberg.
Stichwörter: 
  • Öffentlicher Glaube des Grundbuches

Kommt der Glaube des Grundbuches in Frage, wenn in diesem ein Grundstück noch auf den Namen beider Eheleute eingetragen steht, nachdem die bestandene eheliche Gütergemeinschaft bereits durch den Tod der Ehefrau gelöst ist? Exekutionshypothek.

Tatbestand

Für eine von dem Mitbeklagten B. nach dem Tode seiner Ehefrau gemachte Schuld hatte der Gläubiger, der Mitbeklagte I., eine Exekutionshypothek eintragen lassen auf ein Grundstück, welches im Grundbuche noch als gütergemeinschaftliches auf den Namen beider Eheleute eingetragen stand. Als derselbe Gläubiger wegen dieser Hypothekenforderung demnächst die Subhastation des verpfändeten Grundstückes ausbrachte, trat ihm der Kläger E. in seiner Eigenschaft als Erbe der verstorbenen Ehefrau des Schuldners mit der Klage auf Aufhebung der Subhastation entgegen. In Abänderung der abweisenden ersten Entscheidung erkannte der Appellationsrichter nach dem Klageantrage, weil die Exekutionshypothek den zur Zeit der Eintragung durch den Tod der Ehefrau des Schuldners bereits auf deren Erben verfallenen Anteil des Grundstückes nicht erfaßt habe. Die dagegen eingelegte Nichtigkeitsbeschwerde wurde zurückgewiesen aus folgenden Gründen.

Gründe

... "Der Angriff der Nichtigkeitsbeschwerde ist nicht durchschlagend, welcher Verletzung des A.L.R.'s II. 1. §. 380 und der §§. 37. 38 des Grunderwerbs-Gesetzes vom 5. Mai 1872 deshalb rügt, weil der Appellationsrichter den Klageanspruch für begründet erachte, ohne zu berücksichtigen, daß der Tod der Ehefrau B. aus dem Grundbuche nicht hervorgeht. Daß der Mitverklagte J., abgesehen von dem Inhalte des Grundbuches, nicht berechtigt ist, sich für seine, erst nach Auflösung der ehelichen Gütergemeinschaft entstandene Forderung gegen den Ehemann an den in das Eigentum der Erben der Ehefrau übergegangenen Anteil des betreffenden Grundstückes zu halten, ist nicht streitig. Aber er kann sich dem entgegen auch nicht auf den Glauben des Grundbuches berufen, weil dasselbe nicht die Aufgabe hat, darüber Nachricht zu geben, ob die darin eingetragenen Personen noch am Leben sind. Wie schon das Allgemeine Landrecht, so garantiert auch das Grunderwerbs-Gesetz vom 5. Mai 1872 die von dem Eigentümer einem Gutgläubigen gegen Entgelt bewilligten Rechte (§. 9 das.), wenn sich auch später ergeben sollte, daß es zu dieser Bewilligung an der materiellen Berechtigung gefehlt haben sollte. Aber die Fiktion, welche den sich aus dem Grundbuche ergebenden Rechtsstand als den wirklichen hinstellt, darf ihrer Natur nach nur eine strikte Anwendung finden und das Gesetz bietet nirgends einen Anhalt dafür, daß diese Fiktion über die Grenzen des besonderen, aus dem Eigentume fließenden Verfügungsrechtes hinaus sich erstrecken solle auf die allgemeinen Erfordernisse der Rechtsfähigkeit. Indem das Gesetz dem eingetragenen Eigentümer alle Rechte des Eigentümers beilegt, geht es von der selbstverständlichen Voraussetzung aus, daß derselbe diese Berechtigung nur so lange und insofern zur Geltung bringen könne, als er an und für sich Rechte auszuüben im Stande ist, in erster Linie also, daß er überhaupt existiert. Praktische Bedeutung gewinnt die Sache nur dann, wenn mit einem Vertreter des eingetragenen Eigentümers verhandelt wird. Nun bestimmt A.L.R. I. 13. §§. 186 ff., daß in der Regel die Vollmacht mit dem Tode des Machtgebers erlischt, und es hätte einer ausdrücklichen Gesetzesvorschrift bedurft, wenn diese Bestimmungen in dem Falle nicht zur Geltung kommen sollten, in welchem voll einem eingetragenen Eigentümer bezüglich seines Grundeigentumes Vollmacht erteilt worden ist; deshalb kann auch der Prozeßrichter bei seiner Requisition um Eintragung einer Exekutions-Hypothek nur den Willen eines Lebenden ergänzen, und durch seinen Irrtum kann der Dritte, der Gläubiger, selbst wenn er sich in gutem Glauben befindet, ebensowenig Rechte erwerben, als wenn er sich mit dem Mandatar eines Verstorbenen eingelassen hätte. Zu diesem durch die Analogie gebotenen Schlusse führt auch die Erwägung, daß kein Grund für die Annahme gegeben ist, es habe der Gesetzgeber dem durch das Gesetz vom 4. März 1834 geschaffenen Titel zum Pfandrechte im allgemeinen mehr Rechte beilegen wollen, als den übrigen Titeln.

Die von der Nichtigkeitsbeschwerde als verletzt bezeichneten §§. 37 und 38 des Grunderwerbs-Gesetzes vom 5. Mai 1872 berühren die Frage überall nicht. Wenn die Nichtigkeitsbeschwerde insbesondere hinweist auf den letzten Absatz des §. 38, so übersieht sie, daß derselbe sich nur mit dem Falle des Überganges einer bereits eingetragenen Grundschuld oder Hypothek auf einen Dritten befaßt und unter dem "Rechtsurheber" nicht den eingetragenen Eigentümer, sondern den eingetragenen Grundschuld- oder Hypothekengläubiger versteht. Anderenfalls würde sich diese Gesetzesstelle in Widerspruch befinden mit dem zweiten Absatze des §. 9 a. a. O. (Vergleiche auch Achilles zu §. 38 des Grunderwerbs-Gesetzes.)"