RG, 13.12.1883 - II 288/83

Daten
Fall: 
Schädigende gewerbliche Anlage
Fundstellen: 
RGZ 11, 345
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
13.12.1883
Aktenzeichen: 
II 288/83
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Elberfeld
  • OLG Köln

Kann der Besitzer einer das Nachbargrundstück schädigenden gewerblichen Anlage zum Ersatze des erst künftig entstehenden Schadens verurteilt werden?

Aus den Gründen

"Nach dem in zweiter Instanz allein noch festgehaltenen Begehren des Klägers verlangt derselbe eine Entschädigung wegen der (künftigen) dauernden Infizierung seines Grundstückes aus dem Fabrikschornsteine des Beklagten.

Das Berufungsgericht geht nun von dem allerdings nicht bloß für das gemeine, sondern ebenso auch für das französische Recht als richtig anzuerkennenden Rechtssatze aus, daß die aus dem Eigentume an einem Grundstücke fließende Verfügungsgewalt über die Sache (Art. 544 Code civil) immerhin beschränkt ist durch das gleiche Recht der Nachbarn, und daß diese nachteilige Einwirkungen auf ihre Grundstücke einschließlich des Luftraumes über denselben (Art. 552 Code civil) nicht zu dulden brauchen (Art. 674 Code civil), wenn diese Einwirkungen das aus dem gewöhnlichen Zusammenleben der Menschen sich ergebende Maß überschreiten (vgl. l. 8 §§. 5. 6 Dig. de servitus vind, 8, 5). Ferner ist ohne ersichtlichen Rechtsirrtum tatsächlich festgestellt, daß im vorliegenden Falle ein solcher unstatthafter Eingriff in das Nachbarrecht stattfinde.

Hieraus ergiebt sich aber für den Beeinträchtigten nur die Befugnis zur Abwehr desselben mittels einer actio negatoria auf Beseitigung der Einrichtung und Untersagung fernerer Einwirkung ( immisio). Allerdings kann auch Schadensersatz gefordert werden, aber zunächst nur für die Vergangenheit, soweit eine für diesen Anspruch erforderliche subjektive Verschuldung des Gegners vorliegt;1 für die Zukunft dagegen besteht ein solcher Anspruch nicht ohne weiteres. Vertragsmäßig können freilich die Beteiligten vereinbaren, daß statt der Beseitigung der störenden Einrichtung eine Entschädigung des Nachbars in vorübergehender oder dauernder Weise eintreten solle; dagegen kann der Beeinträchtigte nicht einseitig eine solche Abfindung beliebig verlangen, vielmehr erscheint er hierzu nur dann berechtigt, wenn der von ihm in erster Reihe zu erhebende Beseitigungsanspruch aus thatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht durchführbar ist, und sich daher die demselben entsprechende Verpflichtung des Beklagten in eine solche auf Schadloshaltung verwandelt (vgl. Art. 1142 Code civil), wie dies insbesondere auch in §. 26 der Gewerbeordnung anerkannt ist. Daß aber diese Voraussetzung hier vorliege, ist von dem Berufungsgerichte nicht festgestellt, und insofern entbehrt seine Entscheidung der nötigen Begründung (§. 513 Ziff. 7 C.P.O.).

Hiernach kann vorerst unerörtert bleiben, ob, wenn ein Anspruch auf Schadloshaltung für die Zukunft gerechtfertigt ist, die Entschädigung für die Wertsverminderung des Grundstückes statt in einem Kapitale in einer Rente zu Gunsten des Klägers zugebilligt werden könne, oder ob dies wegen der bei Singularsuccessionen in die Grundstücke sich ergebenden rechtlichen Schwierigkeiten unthunlich sei."

  • 1. vgl. Entsch. des R.G.'s in Civils. Bd. 6 S. 217;