RG, 11.12.1880 - I 129/80

Daten
Fall: 
Belastung des Handelsgesellschafters
Fundstellen: 
RGZ 3, 59
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
11.12.1880
Aktenzeichen: 
I 129/80
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • KreisG Greifenberg.
  • Appellationsgericht Stettin.
Stichwörter: 
  • Forderung einer Gesellschaft gegen einen Handelsgesellschafter bei Belastung des Handelsgesellschafters

Bildet jeder Betrag, mit welchem ein Handelsgesellschafter in den Büchern der Gesellschaft belastet ist, den Gegenstand einer Forderung der Gesellschaft gegen ihn?

Aus den Gründen

"Der einzelne Handelsgesellschafter kann Schuldner der Gesellschaft werden mit der Wirkung, daß er verpflichtet ist, den Betrag seiner Schuld in die Gesellschaftskasse zu zahlen, und diese Verpflichtung ist immer dann vorhanden, wenn er unbefugt Gelder aus der Gesellschaftskasse für sich entnommen hat. Dagegen entsteht ein derartiges Schuldverhältnis nicht notwendig immer dann, wenn er befugter Weise Gelder aus der Gesellschaftskasse entnommen hat. Entnimmt er Gelder innerhalb der Schranken des Art. 108 Abs. 2 H.G.B., so ist er zur Rückzahlung derselben nicht verpflichtet. Die entnommenen Beträge werden ihm zwar zur Last geschrieben, aber es geschieht dies nur zum Zweck der Berechnung am Schluß des Geschäftsjahres. Das Gleiche gilt von denjenigen Beträgen, welche er nach einer von den Gesellschaftern getroffenen Übereinkunft aus der Gesellschaftskasse entnehmen darf. Nach dem Zugeständnis des Beklagten in der Duplik hatte, abgesehen von dem gemeinschaftlichen Haushaltungskonto, jeder der Gesellschafter ein besonderes Konto für seine speciellen Ausgaben. Es war also vereinbart, daß jeder Gesellschafter berechtigt sein solle, gewisse zur Befriedigung seiner besonderen Bedürfnisse erforderliche Beträge zu entnehmen. Da diese Beträge ihm in derselben Weise zur Last zu schreiben waren, wie jedem Dritten der Betrag einer der Gesellschaft gegen ihn zustehenden Forderung, so erschien er zwar äußerlich als Gesellschaftsschuldner, allein er war es, soweit er sich innerhalb seiner vertragsmäßigen Befugnisse gehalten, in Wahrheit nicht, er war nicht verpflichtet, die ihm debitierten Beträge zurückzuzahlen; dieselben waren ihm vielmehr nur am Schlusse des Geschäftsjahres bei Feststellung seines Gesellschaftsanteiles in Anrechnung zu bringen. Daß aber der Kläger sich bei dem Entnehmen auf sein besonderes Konto nicht innerhalb der vertragsmäßigen Grenzen gehalten, wird vom Beklagten selbst nicht behauptet.

Hieraus folgt, daß wenn bei Auflösung der Gesellschaft der Beklagte sämtliche Aktiva der Gesellschaft übernahm, daraus keineswegs mit Notwendigkeit folgt, daß er damit auch eine Forderung gegen den Kläger auf diejenigen Beträge erworben hatte, welche diesem auf seinem Specialkonto debitiert waren, so daß es, wenn das Gegenteil angenommen werden sollte, eines Verzichts bedurft hätte. Es war vielmehr Sache des mit der Auslegung des Vertrages betrauten Richters zu prüfen und festzustellen, was unter dem von den Kontrahenten gebrauchten Ausdruck: "Gesellschaftsaktiva" zu verstehen sei, ob nur die (wirklichen) Forderungen der Gesellschaft, deren Realisierung also der Gesellschaft selbst zugestanden hatte, oder aber alle diejenigen Posten, welche der Gesellschaft in den Büchern kreditiert waren. Die vorigen Richter haben (wie dies auch sicherlich der Intention der Kontrahenten bei Abschluß des Vertrages entspricht) den Vertrag im ersteren Sinn ausgelegt, diese Auslegung entzieht sich der Nachprüfung in dieser Instanz. Sie verstößt aber auch, da von einer Verzichtleistung nicht die Rede ist, weder gegen §. 134 A.L.R. I. 5, noch gegen §. 381 A.L.R. I. 16, noch endlich, da es sich nicht um ein Darlehn handelt, gegen §. 727 A.L.R. I. 11."