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RG, 08.12.1880 - I 402/80

Daten
Fall: 
Schadensberechnung von entgangenem Gewinn eines Vindikationsklägers
Fundstellen: 
RGZ 3, 201
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
08.12.1880
Aktenzeichen: 
I 402/80
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • Landgericht Frankfurt am Main
  • Oberlandesgericht Frankfurt am Main

Haftung des Vindikationsbeklagten für Gewinn, welchen der Vindikationskläger durch Benutzung der vorenthaltenen Sache während der Zeit vor dem Beginn des Prozesses hätte ziehen können, nach gemeinem Rechte? Begründung des Anspruches auf entgangenen Gewinn.

Tatbestand

Kläger hat im Jahre 1875 dem Bauunternehmer S. verschiedenes Schmiedewerkzeug zur Benutzung bei Ausführung von Arbeiten, welche S. der Eisenbahndirektion zu F. gegenüber übernommen hatte, geliehen. Da S. die übernommenen Arbeiten nicht ausführen konnte, nahm die Eisenbahndirektion auf Grund einer Bedingung des mit S. geschlossenen Vertrages die von S. benutzten Arbeitsgerätschaften, unter diesen auch das Werkzeug, welches Kläger dem S. geliehen, zu weiterer Benutzung in Besitz. Kläger forderte von der Eisenbahndirektion anfangs November 1875 und später wiederholt Herausgabe seines Werkzeuges und erhob endlich gegen die Direktion eine am 1. November 1875 zugestellte Klage auf Herausgabe. Die Beklagte behauptete auf Grund des mit S. geschlossenen Vertrages das Werkzeug bis zur Ausführung der von S. übernommenen Arbeiten behalten zu dürfen, wurde aber unter Verwerfung dieses Einwandes durch rechtskräftig gewordenes Urteil vom 30. September 1878 zur Herausgabe unter Vorbehalt ihrer Schadensansprüche verurteilt, und die Herausgabe erfolgte am 28. Oktober 1878. Im vorliegenden Prozesse fordert nun Kläger von der beklagten Direktion Ersatz des ihm durch dreijährige (vom 1. November 1875 an) Entbehrung des Werkzeuges entgangenen Gewinns. Diesen hat das Urteil zweiter Instanz für die Zeit seit Zustellung der Klage im Vorprozesse bis zur Rückgabe rechtskräftig zuerkannt; die zweite Instanz wies aber den Klaganspruch für die Zeit von der ersten Aufforderung zur Rückgabe (1. November 1875) bis zur Zustellung der Klage im Vorprozesse (1. November 1877) ab. Die hiergegen vom Kläger eingelegte Oberappellation verwarf das Reichsgericht aus folgenden Gründen:

Gründe

"Da die Parteien in keinem obligatorischen Verhältnisse stehen, vielmehr die Beklagte nur als Besitzerin des dem Kläger eigentümlich gehörenden Werkzeuges von dem Kläger auf dessen (inzwischen erfolgte) Herausgabe und auf Ersatz des dem Kläger angeblich durch die Vorenthaltung des Werkzeuges entgangenen Gewinns im Betrage von 890 Mark in Anspruch genommen ist, so genügt zur Begründung dieses Anspruches nicht, daß Kläger die Beklagte durch Aufforderung zur Herausgabe in Verzug gesetzt hat, vielmehr hängt der Umfang der Nebenforderungen des Vindikationsklägers davon ab, ob die Vindikationsbeklagte redlicher oder unredlicher Besitzer ist. Daß die Beklagte unredliche Besitzerin gewesen, ist nach Lage der Sache nicht anzunehmen, folgt namentlich aus dem Schreiben, womit der Kläger die Beklagte zur Herausgabe des Werkzeuges aufforderte umsoweniger, als die Beklagte auf Grund des mit S. geschlossenen Vertrages das Recht in Anspruch nimmt, das streitige Werkzeug in Besitz zu nehmen und bis zur vollständigen Ausführung der von S. übernommenen, aber nicht ausgeführten Arbeiten zu benutzen. Daraus, daß dieser Anspruch der Beklagten in dem im Vorprozesse ergangenen Urteil verworfen ist, folgt nicht, daß die Beklagte schon vor dem Beginn des Vorprozesses das Bewußtsein ihres Unrechts gehabt habe. War die Beklagte aber redliche Besitzerin, so kann Kläger nicht Ersatz des vor der Zustellung der Klage im Vorprozesse ihm entgangenen Gewinnes fordern, und es kann unerörtert bleiben, ob, wie von namhaften Rechtslehrern1 behauptet wird, ein solcher Anspruch selbst gegen den unredlichen Besitzer vor dem Prozesse nicht begründet ist.

Dazu kommt, daß ein Kausalnexus zwischen dem angeblich dem Kläger entgangenen Gewinn und der Vorenthaltung des Werkzeuges seitens der Beklagten nicht als bestehend anzunehmen ist, da, wenngleich der Beschädigte der Regel nach positive Handlungen zur Abwendung oder Verminderung des Schadens nicht vorzunehmen verpflichtet ist, diese Regel doch dann eine Ausnahme erleidet, wenn der Beschädigte dasjenige unterläßt, was jeder verständige Mann an seiner Stelle zu dem angegebenen Zwecke thun wurde, und im vorliegenden Falle angenommen werden darf, daß kein verständiger Mensch unter den vom Kläger behaupteten Voraussetzungen Jahre lang völlig unthätig geblieben sein würde, um sodann entgangenen Gewinn zu liquidieren, statt sich das zu seinem Geschäftsbetriebe nötige Werkzeug anzuschaffen und dann eventuell den Ersatz der durch die Anschaffung neuen Werkzeuges erwachsenen Mehrausgaben zu verlangen. Hiernach ist der Anspruch auf Ersatz entgangenen Gewinnes für den Zeitraum vom 9. November 1875 bis 1. November 1877 mit Recht abgewiesen worden."

  • 1. Amtl. Anm.: Vgl. Windscheid, Pandekten Band I §. 194 (5. Ausg.).D. E.