RG, 07.12.1880 - II 281/80

Daten
Fall: 
Anfechtung einer Arrest-Pfändung
Fundstellen: 
RGZ 3, 395
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
07.12.1880
Aktenzeichen: 
II 281/80
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Elberfeld
  • OLG Köln
Stichwörter: 
  • Anfechtung einer vor Eröffnung des Konkurs-Verfahrens vollzogenen Arrest-Pfändung

1. Anfechtung einer vor Eröffnung des Konkurs-Verfahrens vollzogenen Arrest-Pfändung.
2. Zulässigkeit der Eides-Zuschiebung über die Handlung eines Dritten?

Tatbestand

Die Beklagte erwirkte am 7. November 1879 bei dem kgl. Amtsgerichte zu E. gegen den Kaufmann Th. daselbst zur Sicherung einer Forderung von 10873 M. 20 Pf. nebst Zinsen einen Arrestbefehl, und ließ auf Grund desselben durch Gerichtsvollzieherakt vom 7. und 8. November 1879 in der Wohnung des Th. dessen Waren und Mobilien pfänden. Am 10. November wurde über das Vermögen des Th. der Konkurs eröffnet, und es erhob nun der Konkursverwalter Klage auf Aufhebung des Arrestes. Zur Begründung derselben wurde geltend gemacht, daß der Arrest eine unter §. 23 Nr. 2 K.O. fallende Rechtshandlung darstelle, da die Beklagte eine Sicherung durch Faustpfand, wie der Arrest sie gewähre, nicht zu beanspruchen gehabt habe, auch nicht den Nachweis liefere, daß ihr zur Zeit desselben die Zahlungseinstellung des Th. unbekannt gewesen, daß aber jedenfalls Nr. 1 des §. 23 K.O. hier Anwendung finden müsse, weil die Beklagte zu der angegebenen Zeit die Zahlungseinstellung gekannt habe, wie sich aus der vorgelegten Korrespondenz und den näher angeführten Thatsachen ergebe.

Die Vorinstanzen haben die Klage als nicht gerechtfertigt erachtet und die gegen das zweite Urteil eingelegte Revision ist zurückgewiesen aus folgenden Gründen:

Gründe

"Zunächst kann aus der Bestimmung des §. 796 C.P.O. nicht, wie es die Revisionsklägerin versucht, ein Grund für die Unwirksamkeit des streitigen Arrestes hergeleitet werden. Der bezogene Paragraph spricht die Regel aus, daß der Arrest zur Sicherung der Zwangsvollstreckung in das bewegliche und unbewegliche Vermögen stattfindet, nicht mehr, wie nach früherem Rechte - Ges. vom 29. Mai 1868 §. 2 - auch zur Sicherung der Einleitung oder Fortsetzung des Prozeßverfahrens. Hierbei kommt es denn nicht darauf an, ob die Zwangsvollstreckung bereits eingeleitet ist, oder erst durch Erwirkung des Urteils erlangt werden soll, da auch während des Konkursverfahrens, wie das Oberlandesgericht zutreffend angenommen hat, über die Rechtmäßigkeit einer Forderung und des angelegten Arrestes eine gerichtliche Entscheidung herbeigeführt werden kann. Der §. 806 C.P.O. bestimmt ausdrücklich, daß, wenn bei Anlegung des Arrestes die Hauptsache nicht anhängig ist, das Arrestgericht auf Antrag anzuordnen hat, daß die Partei, von welcher der Arrestbefehl erwirkt worden, binnen einer zu bestimmenden Frist Klage zu erheben habe, und im Falle dieser Anordnung nicht Folge geleistet wird, die Aufhebung des Arrestes durch Endurteil auszusprechen sei. Damit erledigt sich der erste Angriff der Revisionsklägerin.

Was sodann die Anwendung der Nr. 2 des §. 23 der Konkursordnung auf den vorliegenden Fall betrifft, so ist bezüglich dieser Frage, welche den Gegenstand des zweiten Angriffes bildet, zwar der Entscheidung des Oberlandesgerichts, nicht aber den Gründen desselben zuzustimmen.

Der §. 23 der Konkursordnung, welcher die Anfechtung wegen Verletzung des Konkursanspruches der Gläubiger regelt, enthält drei verschiedene Vorschriften, von denen die beiden letzteren hier in Betracht kommen. In der Nr. 1 desselben, deren erster Satz die von dem Gemeinschuldner zum Nachteil der Konkursgläubiger eingegangenen Rechtsgeschäfte betrifft, werden im zweiten Satze die nach der Zahlungseinstellung oder dem Eröffnungsantrage erfolgten Rechtshandlungen, welche einem Konkursgläubiger Sicherung oder Befriedigung gewähren, für anfechtbar erklärt, wenn dem Gläubiger zur Zeit, als die Handlung erfolgte, die Zahlungseinstellung oder der Eröffnungsantrag bekannt war. Hierbei geht nun das Gesetz davon aus, daß der Gläubiger in dem gegebenen Falle auf die Befriedigung resp. Sicherung einen rechtlichen Anspruch hat, und es trifft dann die Nr. 2 diejenigen Rechtshandlungen, wo diese Voraussetzung fehlt und es sich um die Gewährung einer Befriedigung oder Sicherheit handelt, die der Gläubiger überhaupt nicht oder nicht in der Art oder nicht zu der Zeit zu beanspruchen hatte. Diese Kategorie von Fällen ist in doppelter Richtung gesetzlich ausgezeichnet, zunächst dadurch, daß hier die Vermutung des Dolus eintritt, welcher gegenüber dem Gläubiger der Beweis seiner bona fides obliegt, und sodann, daß die kritische Zeit um die zehn Tage vor der Zahlungseinstellung oder dem Eröffnungsantrage erweitert worden ist. Wenn es sich nun weiter aber fragt, welcher Kreis von Rechtshandlungen denn unter die bezogenen Gesetzesvorschriften falle, so kommt hier vor allem der §. 28 der Konkursordnung in Betracht, der in seinem zweiten Satze bestimmt, daß auch eine durch Zwangsvollstreckung oder Vollziehung eines Arrestes erwirkte Rechtshandlung angefochten werden kann.

Dem Gesetze liegt hierbei die Auffassung zu Grunde, daß auch Rechtshandlungen dieser Art auf den Gemeinschuldner zurückzuführen, daß die im Zwangswege durch den Gerichtsvollzieher oder das Gericht bewirkten Leistungen aus dem Vermögen des Schuldners als in dessen Stellvertretung bewirkt anzusehen sind, in dem Sinne, wie zufolge der §§. 716 und 720 C.P.O. die Wegnahme gepfändeten Geldes, der Empfang des Erlöses aus den Pfandobjekten durch den Gerichtsvollzieher als Zahlung von seiten des Schuldners gilt (vergl. §. 736 a. a. O.). Das Gesetz erachtet es principiell nicht gerechtfertigt, daß Rechtshandlungen, welche der Anfechtung unterliegen, wenn sie freiwillig vom Schuldner vorgenommen worden sind, um deswillen, weil sie durch gerichtliche Hilfe erzwungen worden, zum Nachteile der Konkursgläubiger der Anfechtung entzogen sein sollen. In diesem Sinne ist der Wille des Gesetzgebers namentlich auch dadurch zum klaren Ausdrucke gekommen, daß bei der Beratung in der Reichstagskommission (Protokolle S. 20 - 22) die Fassung des Entwurfes des §. 23 a. a. O. in Nr. 1: "die von ihm (dem Gemeinschuldner) an einen Konkursgläubiger vorgenommenen Leistungen", und in Nr. 2: "die ... vorgenommenen Rechtshandlungen des Gemeinschuldners" geändert und, um zu konstatieren, "daß unter §. 23 auch diejenige Sicherung und Befriedigung falle, welche der Schuldner nicht selbst vorgenommen habe, sondern welche durch Vermittelung des Gerichts vollstreckt worden", die gegenwärtige Fassung an die Stelle gesetzt ist. Hiernach ist nun unbedenklich anzunehmen, daß die Vorschrift der Nr. 2 des §. 23 a. a. O. grundsätzlich auch auf einen Arrest der fraglichen Art Anwendung findet, und bedarf es keiner Hervorhebung, daß die gesetzliche Befugnis, einen solchen Arrest zu erwirken, nicht als ein Anspruch auf Sicherung im Sinne der bezogenen Vorschrift anzusehen ist.

Prüft man nun aber die Voraussetzungen derselben hier im einzelnen, so ist zunächst nur die Thatsache unbestritten, daß zwei Tage nach der Arrestanlegung, am 10. November vorigen Jahres, der Konkurs über das Vermögen des Gemeinschuldners Th. eröffnet worden ist. Daß ein Antrag auf Eröffnung des Verfahrens von einem früheren Datum vorliege, oder daß Thomas vor dem genannten Tage seine Zahlungen eingestellt habe, steht tatsächlich nicht fest. In der einen und anderen Beziehung ist indes, da es sich um eine Voraussetzung der Anfechtungsklage handelt, die Revisionsklägerin beweispflichtig, und hätte die Revisionsbeklagte ihrerseits nur den Entlastungsbeweis, daß sie von dem Eröffnungsantrage resp. der Zahlungseinstellung, sowie von der Begünstigungsabsicht des Gemeinschuldners keine Kenntnis gehabt, zu führen. Allerdings ist nun von der Revisionsklägerin unter Bezugnahme auf eine Reihe von Schriftstücken im Prozesse behauptet, daß eine frühere Zahlungseinstellung des Th. stattgefunden habe, und event. der Revisionsbeklagten ein Eid darüber zugeschoben, ob ihr nicht zur Zeit der Arrestanlage - 7. und 8. November vorigen Jahres - die Zahlungseinstellung des Th. bereits bekannt gewesen sei. Das Oberlandesgericht hat aber den Inhalt der fraglichen Schriftstücke für unerheblich erklärt und die Eideszuschiebung als unzulässig zurückgewiesen. Erstere Entscheidung unterliegt in der gegenwärtigen Instanz einer Prüfung nicht weiter, was aber die Eideszuschiebung betrifft, so ist dem Oberlandesgerichte, wenn auch aus anderen, als den von ihm angeführten Gründen, beizupflichten.

Das Gesetz geht, was die Zahlungseinstellung betrifft - Motive S. 107, 323 - von der Auffassung aus, daß dieselbe sich durch eine bestimmte, wahrnehmbare Handlung vollziehe, deren Erkenntnis von jedermann verlangt werden könne; dasselbe nimmt an, daß Begriff und Bedeutung des Wortes "Zahlungseinstellung" allen Verkehrskreisen vollständig geläufig sei, .und knüpft an Kenntnis resp. Nichtkenntnis der Thatsache der Zahlungseinstellung die Zulässigkeit, beziehungsweise den Ausschluß der Anfechtungsklage. Wenn daher auch die Annahme des Oberlandesgerichts, daß es sich, was die Zahlungseinstellung angehe, um eine nur dem erkennenden Richter zustehende Würdigung von Thatsachen handle, nicht als zutreffend gelten kann, so ist doch die fragliche Eideszuschiebung nach §. 410 C.P.O. als unzulässig anzusehen. Dieselbe geht nämlich auf ein doppeltes, die Zahlungseinstellung des Th. und sodann die Kenntnis der Revisionsbeklagten von derselben. Was nun jene angeht, so steht hier, wie nicht zu bezweifeln, die Handlung eines Dritten in Frage. Über facta aliena aber gestattet die bezogene Gesetzesvorschrift eine Eideszuschiebung nur insoweit, als dieselbe eine Handlung oder Wahrnehmung der Vertreter oder Rechtsvorgänger des Prozeßgegners betrifft. Wie sich aus den Motiven zu §. 397 des Entwurfes - S. 276 - ergiebt, wollte der Gesetzgeber nicht mit dem Votum des achten Juristentages die Eideszuschiebung über Handlungen Dritter gänzlich beseitigen, letztere vielmehr, weil sie insoweit einem Bedürfnisse des Rechtslebens entspreche, in dem beschränkten Umfange des §.410 C.P.O., und nur in diesem Umfange, zulassen. Ein Hinausgehen über die gesetzliche Grenze erscheint daher völlig ausgeschlossen.

Ist hiernach aber der in Rede stehenden Eideszuschiebung eine Folge nicht zu geben, so fehlt es an jedem Nachweise für die Annahme einer vor dem 10. November vorigen Jahres stattgehabten Zahlungseinstellung des Schuldners, und es bleibt also, da auch ein früherer Antrag auf Konkurseröffnung nicht vorliegt, nur übrig, daß der streitige Arrest innerhalb der zehn Tage vor der letzteren angelegt worden ist. Bezüglich der Rechtshandlungen nun, welche in die zehntägige Frist des §. 23 Nr. 2 a. a. O. fallen, kann von dem Gläubiger überhaupt nur der Beweis erfordert werden, daß ihm von einer Begünstigungsabsicht des Schuldners nichts bekannt gewesen; im vorliegenden Falle aber erübrigt dieser Beweis, da, wie feststeht, der fragliche Arrest ohne irgend ein Zuthun von seiten des Th. erwirkt ist. Hiernach konnte die Anfechtung des Arrestes aus der Nr. 2 des §. 23 a. a. O. einen Erfolg nicht haben.

Was endlich die Anfechtung aus der Nr. 1 des §. 23 a. a. O. betrifft, so scheitert der Angriff der Revisionsklägerin daran, daß die mehrbesprochene Eideszuschiebung nach dem Ausgeführten mit Recht als unzulässig erachtet worden ist."