RG, 30.11.1880 - III 118/80

Daten
Fall: 
Beteiligung des Gesellschafters an den Verlusten einer stillen Gesellschaft
Fundstellen: 
RGZ 3, 8
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
30.11.1880
Aktenzeichen: 
III 118/80
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • KreisG Hanau.
  • OLG Kassel.

Zum Art. 250 des Handelsgesetzbuchs. Erfordert der Begriff der stillen Gesellschaft, daß der stille Gesellschafter nicht bloß an dem Gewinne, sondern auch an dem Verluste beteiligt ist?

Tatbestand

Das Bankhaus D. V. hatte mit den beiden Inhabern des in offener Handelsgesellschaft unter der Firma "Gebrüder L." betriebenen Handelsgewerbes einen Vertrag auf eine mehrjährige Dauer abgeschlossen, welcher im wesentlichen dahin ging: das Bankhaus verpflichtete sich, der Firma eine bedeutende Summe vorzuschießen; sowohl dieser Vorschuß als auch die in dem Vertrage nach ihrem derzeitigen Bestände konstatierte Geschäftsanlage der Firmeninhaber sollte mit 6 % verzinst und der nach Maßgabe der jährlichen Bilanz erübrigte Reingewinn in einem gewissen Verhältnisse an das Bankhaus und die Firmeninhaber verteilt werden; etwaige Geschäftsverluste sollten von den beiden Inhabern der Firma allein getragen werden; ein gewisser Teil des auf die Firmeninhaber entfallenden Reingewinnsanteils sollte zur Rückzahlung des gewährten Vorschusses verwandt, im übrigen der letztere erst mit dem Ablaufe der Vertragszeit rückzahlbar werden. Dem Bankhause war endlich ein sehr umfassender Einfluß, auf die Geschäftsführung der Firmeninhaber eingeräumt. Nachdem dieser Vertrag bereits während längerer Zeit zur Ausführung gebracht worden war, entstand in Anlaß desselben unter den Kontrahenten ein Prozeß. Die zweite Instanz nahm an, daß das beklagte Bankhaus infolge des Vertrags ein stiller Gesellschafter der klagenden Firma (Art. 250 H.G.B.) geworden sei, und sie berief sich zur Rechtfertigung dieser Annahme auf den Ausspruch in den

Entsch. des R.O.H.G.'s Bd. 12 No. 32 S. 100, nach welchem bei einer stillen Gesellschaft die Vereinbarung zulässig sei, daß der stille Gesellschafter an dem Verluste nicht teilnehmen solle. Die Gründe des reichsgerichtlichen Erkenntnisses sagen dagegen:

Gründe

"Bei der Vertragsbestimmung, daß das beklagte Bankhaus an einem etwaigen Verluste nicht teilnehmen soll, kann im vorliegenden Falle eine stille Gesellschaft im Sinne des Handelsgesetzbuches nicht angenommen werden.

Der Art. 250 bestimmt:

"Eine stille Gesellschaft ist vorhanden, wenn sich jemand an dem Betriebe des Handelsgewerbes eines Anderen mit einer Vermögenseinlage gegen Anteil an Gewinn und Verlust beteiligt."

Hiernach gehört die Teilnahme an dem Verluste zu den Voraussetzungen für das Vorhandensein einer stillen Gesellschaft.

Eine Vereinbarung, der zufolge der Socius mit seiner Vermögenseinlage nur teilnimmt an dem Gewinn, nicht an dem Verluste des Betriebes, ist nun zwar weder gesetzlich unzulässig, noch erscheint sie an sich unvereinbar mit dem Wesen einer stillen Gesellschaft. Aber jene Begriffsbestimmung dient offenbar dem Zwecke, festzustellen, unter welchen Voraussetzungen die für die stille Gesellschaft geltenden Vorschriften des Handelsgesetzbuches unmittelbar anwendbar sein sollen. Und wenn damit auch der Privatwillkür Abweichungen von dieser Begriffsbestimmung nach der einen oder anderen Richtung hin selbstfolglich nicht verschlossen sind, so ist es doch immer nur auf den Willen der Kontrahenten zurückzuführen, sofern mit der dadurch gebotenen Beschränkungen im übrigen die Vorschriften des Handelsgesetzbuches auch auf ein bloßes Societätsverhältnis anwendbar bleiben, und wird es also stets nach dem Inhalt des Vertrages sich zu richten haben, ob und inwieweit eine Unterwerfung unter die Vorschriften des Handelsgesetzbuches als vereinbart angesehen werden darf." ...