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RG, 29.11.1880 - Va 161/80

Daten
Fall: 
Schenkung des Vormundes für den Mündel
Fundstellen: 
RGZ 3, 307
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
29.11.1880
Aktenzeichen: 
Va 161/80
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • KreisG Groß-Strehlitz
  • OLG Breslau

Sind die nach §. 38 der preußischen Vormundschaftsordnung vom 5. Juli l.875 für unzulässig erklärten Schenkungen seitens des Vormundes für den Mündel, wenn sie erfolgt sind, dergestalt ungültig, daß der Vormund, bezw. der Mündel, das Geschenkte zurückfordern, bezw. mit demselben aufrechnen kann?

Tatbestand

In der notariellen Schuld- und Pfandverschreibung vom 5. Mai 1875 übernahm der Vormund der beklagten Minorennen mit vormundschaftsrichterlicher Genehmigung eine dem Kläger gegen die Mutter der Mündel zustehende Forderung von 2500 Mark mit der Verpflichtung, dieselbe in fünf Jahresraten zu je 500 Mark vom 1. Oktober 1875 ab zu bezahlen. Zugleich bestellte er mit dem Grundstücke der Beklagten Borowian Nr. 20 für die Schuld Hypothek und beantragte deren Eintragung. Nachdem zwei Raten abgetragen waren, verpflichtete sich der Vormund namens der Beklagten, den Rest der Forderung mit 6 Prozent jährlich zu verzinsen. Auf Grund der darüber aufgenommenen Urkunde vom 26. Oktober 1876 und der vorgedachten Urkunde erfolgte, ohne daß zu dem Zinsversprechen die vormundschaftsrichterliche Genehmigung eingeholt war, die Eintragung des Restkapitales nebst 6 Prozent Zinsen im Grundbuche. Auf die am 1. Oktober 1878 fällige Kapitalsrate hat der Vormund nur 260 Mark bezahlt. Auf Antrag des Klägers ist gegen die Beklagten ein Mandat auf Zahlung von 240 Mark nebst 30 Mark rückständigen Zinsen erlassen. Der Vormund erhob den Einwand, daß er in der Zwischenzeit 240 Mark Zinsen bezahlt habe, obwohl er hierzu trotz des Zinsversprechens nicht verpflichtet gewesen sei; er wollte daher diese Zinsen gegen den Rest der Kapitalrate aufrechnen. Sein Antrag ging auf Aufhebung des Mandates. Kläger gab die Zahlung der 240 Mark Zinsen zu, erachtete aber die Aufrechnungseinrede nicht für gegründet, da es an den Voraussetzungen der condictio indebiti fehle. In erster Instanz ist das Mandat für vollstreckbar erklärt. In zweiter Instanz ist dasselbe aufgehoben. Die hiergegen eingelegte Nichtigkeitsbeschwerde ist zurückgewiesen, aus folgenden, hier allein interessierenden Gründen:

Gründe

"Der Appellationsrichter erachtet die Übernahme der Zinsverbindlichkeit als einen Liberalitätsakt seitens des Vormundes für unzulässig und für wirkungslos. Wenn er sich hierbei auf §. 36 der Vormundschafts-Ordnung beruft, so ist dies ein offenbarer Schreibfehler, welcher als solcher die Vernichtung seiner Entscheidung nicht zur Folge haben kann, zumal wenn sein Ausspruch an sich rechtlich begründet ist. Die Nichtigkeitsbeschwerde unterstellt nebenbei auch, daß der Appellationsrichter den §. 38 a. a. O. gemeint habe. Dieser aber soll verletzt sein, weil er als Ausnahmebestimmung auf den allgemeinen Begriff der Freigiebigkeit nicht erstreckt werden dürfe, und ferner, weil Schenkungen des Vormundes nicht absolut ungültig seien, vielmehr nur den Vormund dem Mündel gegenüber verantwortlich machten. In ersterer Beziehung versteht der Appellationsrichter unter "Liberalität", wie klar ist, Schenkung. Auf sie findet §. 38 a. a. O. Anwendung. Wenn dieser Paragraph nun bestimmt:

Der Vormund kann Schenkungen für den Mündel nicht vornehmen, so heißt das, daß er rechtlich unfähig ist, für den Mündel zu schenken. Daraus folgt, daß eine vorgenommene Schenkung für nicht geschehen zu erachten ist. Es handelt sich dabei nicht um die Formen der Handlung, sondern um die Berechtigung zu derselben. Überschreitet der Vormund seine gesetzlichen Befugnisse, so wird der Mündel nicht verpflichtet. Der für Vollmachtsaufträge in §. 90 A.L.R. I. 13 ausgesprochene Grundsatz muß auch für die Vormundschaft gelten. Denn die Vormundschaftsordnung enthält die allgemeine gesetzliche Vollmacht des Vormundes. Die Haftpflicht des Vormundes kann begründet werden, wenn der Mündel durch eine unzulässige Schenkung beschädigt ist. An keiner Stelle ist aber bestimmt, daß der Mündel, bezw. sein Vormund, ein Schenkungsversprechen des Vormundes halten müsse, oder daß er das schenkungsweise Gegebene nicht zurückfordern dürfe. Am allerwenigsten ergiebt sich dieses aus §. 38. Die Rüge seiner Verletzung ist also nach beiden Richtungen hin verfehlt, und ist der vom Appellationsrichter aufgestellte Satz richtig."