RG, 29.11.1879 - V 39/79

Daten
Fall: 
Fälligkeit der Hypothek
Fundstellen: 
RGZ 1, 122
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
29.11.1879
Aktenzeichen: 
V 39/79
Entscheidungstyp: 
Urteil

1. Bezieht sich die Vorschrift des §. 41 Absatz 2 des preuß. Gesetzes über den Eigentumserwerb u. s. w. (G.S. S. 433) auch auf den ersten Konstituenten der Hypothek?
2. Muß der Gläubiger, wenn bei Bekanntmachung der Übernahme die Forderung für ihn fällig ist, bei Verlust seines Anspruches an den Veräußerer die Hypothek binnen 6 Monaten einklagen?

Tatbestand

Der Kläger klagt einen hypothekarisch eingetragenen, jedoch bei der Subhastation des verpfändeten Grundstückes ausgefallenen Kaufgelderrückstand von 27151,65 M. und Zinsen ein. Der erste Richter hat die Klage abgewiesen, der zweite Richter den Verklagten zur Zahlung von 26884,96 M. und Zinsen verurteilt. Auf die Revision des Beklagten ist das erste Urteil wiederhergestellt aus folgenden den Sachverhalt ergebenden Gründen:

Gründe

"Der Revident hat mittels Vertrages vom 5. April 1875 von dem Rentier M. eine Parzelle des im Grundbuche der Königsstadt zu Berlin . . . eingetragenen Grundstückes gekauft. Das Kaufgeld betrug 53730 M. Von demselben sind 30 M. bar gezahlt. Der Rest ist dem Käufer kreditiert. Nach §. 2 des Vertrages sollte derselbe in vierteljährlichen Raten mit 6 pro Cent verzinst und am 1. April 1880 ohne vorherige Kündigung ausgezahlt werden. Dann bestimmt §. 2 weiter:

Im Falle nicht prompter, das heißt nicht innerhalb der ersten acht Tage des Quartales erfolgenden, Zinszahlung ist aber Verkäufer berechtigt, die Zahlung des ganzen Restkaufgeldes sofort ohne vorherige Kündigung zu verlangen.

Der Kaufgelderrückstand ist auf dem verkauften Grundstücke für den Verkäufer M. eingetragen. M. hat am 19. Januar 1877 dem Revisen den Betrag von 26700 M. nebst Zinsen seit 1. Januar 1877 cediert. Bei der im Jahre 1877 erfolgten Subhastation des verpfändeten Grundstückes ist die ganze Forderung ausgefallen. Der Revise klagt jetzt den Ausfall nebst Zinsen seit dem Kaufgelderbelegungstermine gegen den Revidenten wegen der von letzterem durch den Kaufvertrag übernommenen persönlichen Verbindlichkeit ein.

Der Revident hat den Einwand erhoben, daß infolge der Vorschrift des §. 41 des Gesetzes über den Eigentumserwerb vom 5. Mai 1872 seine persönliche Verbindlichkeit erloschen sei. Er stützt ihn auf folgenden Sachverhalt:

Er hat am 7. Juni 1875 das fragliche Grundstück dem Zimmermeister Z. verkauft und aufgelassen. Die auf dem Grundstücke ruhenden Hypotheken sind von dem Z. übernommen. Der Revident hat dies dem M. wiederholt, insbesondere auch am 9. Juli 1875 bekannt gemacht. Von den am 1. Juli 1875 fälligen Zinsen ist ein Teil, nämlich der Betrag für die Zeit vom 20. Mai bis 1. Juli 1875 bis zum 9. Juli desselben Jahres, an M. nicht gezahlt. Letzterer hat innerhalb der im §. 41 a. a. O. vorgeschriebenen Frist die Hypothek nicht eingeklagt.

Bei diesem zwischen den Parteien nicht streitigen Sachverhalt muß die Einrede des Revidenten für begründet erachtet werden.

Der §. 41 des Eigentums-Erwerbsgesetzes bestimmt im Absatz 2:
Der Veräußerer wird von seiner persönlichen Verbindlichkeit frei, wenn der Gläubiger nicht innerhalb eines Jahres, nachdem ihm der Veräußerer die Schuldübernahme bekannt gemacht, die Hypothek dem Eigentümer des Grundstückes gekündigt, und binnen 6 Monaten nach der Fälligkeit eingeklagt hat.

Das Gesetz legt hierin dem Gläubiger die Verpflichtung auf, die Fälligkeit der Hypothek herbeizuführen und binnen 6 Monaten nach der Fälligkeit zu klagen. Bedarf es keiner Kündigung, sondern ist die Forderung bereits zur Zeit der bekannt gemachten Übernahme fällig, so tritt die Pflicht des Gläubigers, innerhalb der bestimmten Frist sein Recht geltend zu machen, sofort ein.

Dieser Verpflichtung ist M. nicht nachgekommen. Er hat die Hypothek, obwohl sie wegen nicht prompter Zinszahlung am 9. Juli 1875 fällig war, nicht eingeklagt. Die an diese Versäumnis vom Gesetze geknüpfte Folge ist mithin für ihn, und ebenso für seinen Cessionar, den Revidenten, eingetreten.

Der Ansicht des Appellationsrichters, daß durch §. 2 des obengedachten Vertrages dem Gläubiger nur eine Befugnis eingeräumt sei, und daß erst, wenn er von derselben Gebrauch mache und Zahlung fordere, die Fälligkeit der Hypothek eintrete, kann nicht beigestimmt werden. Eine Forderung kann fällig sein, entweder allein für den Gläubiger, oder allein für den Schuldner, oder für beide Teile. Für den Gläubiger ist sie fällig, wenn er mit der Einforderung nicht mehr zu warten braucht. "Venire diem" significat eum diem venisse, quo pecunia peti possit. I: 213. Dig. V. S. 50. 16. Nur diese Fälligkeit für den Gläubiger hat der Gesetzgeber im §. 41 cit. gemeint. Es folgt dies notwendig aus dem Zusammenhange des letzten Satzes, in welchem dem Gläubiger zunächst auferlegt wird, die der Einklagung für ihn entgegenstehenden Schranken zu beseitigen, und der dadurch herbeigeführte Zustand als Fälligkeit bezeichnet wird. Nachdem diese Fälligkeit hier kraft der getroffenen Abreden ohne Kündigung eingetreten war, bedurfte es keiner Erklärung des M., daß er von seinem Rechte Gebrauch machen wolle, und ebensowenig einer Aufforderung an den Schuldner, zu zahlen, um die Wirkungen herbeizuführen, welche das Gesetz an die Versäumung der Klageanstellung knüpft. Die vom Revisen ausgeführte Ansicht, daß die Fälligkeit auch für den Schuldner eingetreten sein müsse, findet im Gesetz keinen Anhalt. Es läßt sich kein Grund erfinden, weshalb der Gesetzgeber die Bestimmung, daß der Gläubiger, wenn er nicht binnen 6 Monaten klagt, seinen persönlichen Anspruch gegen den Veräußerer verliert, an die Bedingung geknüpft haben sollte, daß auch der Schuldner sich in der Lage befindet, die Befreiung von seiner Verpflichtung herbeizuführen.

Die weitere Ausführung des Revisen, daß der §. 41 a. a. O. auf den ersten Konstituenten der Hypothek keine Anwendung finde, daß vielmehr zwischen den ursprünglichen Paciscenten nur das aus dem Vertrage entspringende Recht entscheide, haben die beiden Vorderrichter unter Hinweis auf den Wortlaut und die Motive des Gesetzes zutreffend widerlegt.

Der Revise hat zwar ferner behauptet, daß der M. sich mit der Übernahme der Forderung seitens des Z. einverstanden erklärt habe. Ein Einwand ist hieraus jedoch nicht entnommen. Er würde auch unbegründet sein, da nicht geltend gemacht ist, daß M. den Z. als seinen Gläubiger angenommen und den Revisen aus der persönlichen Verbindlichkeit entlassen hat.

Ebensowenig ist der Umstand von Erheblichkeit, daß der Revident den M. gebeten haben soll, von seinem Rechte auf sofortige Zahlung keinen Gebrauch zu machen, da es auf den Grund, weshalb M. sein Recht nicht ausübte, nicht ankommt, und da eine Aufhebung dieses Rechtes nur durch einen neuen Vertrag eingetreten sein würde, ein solcher aber in der Gewährung der behaupteten Bitte nicht gefunden werden kann.

Dasselbe gilt von der Behauptung, daß M. die Zinsen nachträglich ohne Vorbehalt angenommen habe. Inwiefern diese Thatsache für die Aufhebung des Verzuges des Grundstücksbesitzers von Einfluß sein würde, kann unerörtert bleiben. Es handelt sich hier nicht um die Wirkungen des Verzuges, sondern um den Eintritt einer kontraktlichen Bestimmung über die Fälligkeit des Kapitales. Das Kapital ist fällig geworden, nicht weil die Zinszahlung verzögert wurde, sondern weil die Kontrahenten diese Folge für den Fall der nicht prompten Zahlung verabredet hatten. Wenn also auch der Verzug des Besitzers nachträglich beseitigt wäre, so blieb doch das durch den Kaufvertrag zwischen dem früheren Besitzer und M. begründete Rechtsverhältnis unverändert von Bestand. M. konnte nach dem Vertrage am 9. Juli 1875 das Kapital fordern, hat es aber nicht gethan.

Der Einwand des Revidenten erscheint hiernach begründet, und muß deshalb das zweite Erkenntnis aufgehoben und das die Klage abweisende erste Erkenntnis wiederhergestellt werden."