RG, 26.11.1880 - III 640/80

Daten
Fall: 
Wechselverbindlichkeit
Fundstellen: 
RGZ 3, 6
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
26.11.1880
Aktenzeichen: 
III 640/80
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Kassel
  • OLG Kassel
Stichwörter: 
  • Verlust der Wechselverbindlichkeit des Ausstellers eines eigenen Sichtwechsels durch Ausbleiben der Präsentation innerhalb der Frist

Geht die Wechselverbindlichkeit des Ausstellers eines eigenen Sichtwechsels dadurch verloren, daß der Wechsel nicht innerhalb der Frist des Art. 31 W.O. präsentiert worden ist?

Tatbestand

Zwei von dem Beklagten am 30. März 1876, bez. am 31. Oktober 1877, an die Ordre der Klägerin ausgestellte eigene, bei Sicht zahlbare Wechsel wurden ihm erst am 17. Juli 1880 präsentiert. Er weigerte die Zahlung und wandte gegen die darauf angestellte Klage ein, daß der Wechselanspruch gemäß Art. 31 Abs. 2 u. Art. 98 Nr. 5 W.O. durch die Versäumung der zweijährigen Präsentationsfrist erloschen sei. Der Einwand wurde in erster Instanz für begründet erachtet, in zweiter Instanz aber, unter Bezugnahme auf die Ausführungen des Reichsoberhandelsgerichts in seinen Entscheidungen Bd. 3 Nr. 41 S. 186 flg.1 verworfen. Die Revision des Beklagten wurde aus folgenden Gründen zurückgewiesen:

Gründe

"Die zu entscheidende Rechtsfrage:

ob gemäß Art. 98 Ziff. 5 und Art. 31 Abs. 2 der W.O. der Wechselanspruch gegen den Aussteller eines eigenen, auf Sicht gestellten Wechsels durch die Nichtinnehaltung der zweijährigen Präsentationsfrist verloren geht?

ist mit Recht verneint. Die Bestimmung des Art. 31 Abs. 2 W.O. ergiebt hinsichtlich des gezogenen Sichtwechsels, daß die Versäumung der vorgeschriebenen Präsentation den Verlust des Wechselanspruchs gegen den Aussteller und die Indossanten, nicht aber auch gegen den Acceptanten nach sich zieht. Wenn man sich nun vor Augen hält, daß hinsichtlich des gezogenen Wechsels der Acceptant derjenige Wechselschuldner ist, welcher die Wechselzahlung versprochen und damit die direkte Wechselverbindlichkeit auf sich genommen hat, und dagegen der Aussteller und die Indossanten nur einem Regreßanspruche unterworfen sind, so ist hiermit nicht bloß das Motiv der im Art. 31 Abs. 2 getroffenen Unterscheidung gegeben, sondern man muß hiernach auch geradezu den Kern und das juristische Wesen des Inhalts dieser Gesetzesbestimmung darin finden, daß nur die Fortdauer des Regreßanspruchs an das Erfordernis der Präsentation hat geknüpft sein sollen. Hieraus folgt, daß die Beantwortung der Frage, ob durch die im Art. 98 Ziff. 5 vorgeschriebene Anwendung des Art. 31 auf den eigenen Wechsel das Präjudiz dieses Artikels auf den Aussteller des eigenen Sichtwechsels erstreckt sei, von der, rechtlichen Natur der demselben obliegenden Wechselverbindlichkeit abhängen muß. Nun hat aber in dem eigenen Wechsel der Aussteller die Zahlung der Wechselsumme versprochen; derselbe haftet daher direkt als Hauptwechselschuldner und nicht erst im Regreßwege.

Wenn der Revisionskläger noch einwendet, die angefochtene Entscheidung führe zu dem unleidlichen Ergebnisse, daß der Inhaber eines eigenen Sichtwechsels dem Aussteller gegenüber durch Verzögerung der Präsentation die Fälligkeit des Wechselanspruchs und damit den Beginn der Wechselverjährung beliebig hinausschieben könne, und dabei auszuführen versucht, daß das Reichsoberhandelsgericht durch seine Entscheidung (Bd. 11 Nr. 22 S. 47), daß die Wechselverjährung gegen den Aussteller eines eigenen Sichtwechsels bei Versäumung der Präsentationsfrist des Art. 31 Abs. 2 dennoch mit dem Ablaufe dieser Frist beginne, sich mit seiner hier in Rede stehenden Entscheidung in Widerspruch gesetzt habe, so übersieht er, daß die Rechtslage, welcher der Aussteller eines eigenen Sichtwechsels in Konsequenz der gegenwärtigen Entscheidung ausgesetzt ist, keine andere ist, als diejenige, in welche auch der Acceptant eines gezogenen Sichtwechsels infolge der klaren Bestimmung des Art. 31 Abs. 2 geraten kann. Und da auch die Entscheidung des Reichsoberhandelsgerichts über den Beginn der Wechselverjährung sich gleichmäßig auf den letzteren Fall erstreckt (Entsch. Bd. 4 Nr. 70 S. 344), so ist ein Zusammenhang derselben mit der gegenwärtigen Frage nicht anzuerkennen."

  • 1. Dieser Entscheidung hat sich seitdem auch die Literatur angeschlossen: Thöl, Wechselrecht, 4. Aufl. S. 153 Not. 20; Kowalzig, W.O. Not. 19 zu Art. 98; Rehbein, W.O. S. 111 Note 12; im entgegengesetzten Sinne hat früher, 1864, das Obertribunal zu Berlin entschieden (Entsch. Bd. 50 S. 369). D. E.