RG, 01.11.1880 - Va 96/80

Daten
Fall: 
Eigentumserwerb der Ehefrau
Fundstellen: 
RGZ 3, 251
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
01.11.1880
Aktenzeichen: 
Va 96/80
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • KreisGStendal.
  • OLG Naumburg.

Hat die in getrennten Gütern lebende Ehefrau, um aus den von ihr abgeschlossenen lästigen Verträgen für sich Eigentum zu erwerben, den Nachweis zu führen, daß sie zu dem Erwerb ihr eigenes Vermögen verwendet hat?

Tatbestand

Auf die von der Klägerin eingelegte Nichtigkeitsbeschwerde ist das zweite Erkenntnis vernichtet und der Beklagte unter Abänderung des ersten Erkenntnisses verurteilt, die Eigentumsansprüche der Klägerin anzuerkennen, aus folgenden, den Sachverhalt ergebenden Gründen:

Gründe

"Dem Ehemann der Klägerin sind wegen einer Forderung, welche der Beklagte an ihn hat, im Wege der Exekution 246 M. bares Geld, eine Kuh und zwei Schweine gepfändet.

Die Klägerin hat diese Gegenstände als ihr Eigentum in Anspruch genommen, ist aber in den beiden Vorinstanzen mit ihrer Interventionsklage abgewiesen.

Der Appellationsrichter führt unter Bezugnahme auf die §§. 194. 202 bis 204 und 321 flg. A.L.R. II. 1 aus, wie der Umstand, daß die Klägerin während stehender Ehe die in Beschlag genommenen Sachen gekauft und die Gelder auf ihren Namen bei der Sparkasse eingezahlt und erhoben habe, nicht genüge, um darzuthun, daß die Sachen und die Gelder ihr Eigentum seien, dazu vielmehr der Nachweis erforderlich sei, daß die zu dem Ankaufe verwendeten Gelder und die Spareinlagen von ihrem eingebrachten Vermögen herrühren, und dieser Nachweis dadurch nicht geführt werde, daß die Klägerin die A.'sche Ackerwirtschaft gepachtet habe und ihr Haus von ihrem eingebrachten Vermögen angekauft worden sei.

Die Rüge der Nichtigkeitsbeschwerde, daß der Appellationsrichter hierdurch die von ihm in Bezug genommenen Bestimmungen des A.L.R.'s durch unrichtige Anwendung verletzt habe, ist begründet. Nach §. 194 a. a. O. hat die Ehefrau dem Hauswesen des Mannes vorzustehen, nach den §§. 202 und 203 a. a. O. hat sie, wenn der Mann abwesend, oder Gefahr im Verzuge ist, alles zu thun, was zu einer ordentlichen und gewöhnlichen Vermögensverwaltung erforderlich ist, und nach §. 321 a. a. O. muß der Ehemann die zur Bestreitung der gewöhnlichen Haushaltungsbedürfnisse von der Frau gemachten Schulden als die seinigen anerkennen. Danach ist es allerdings fraglich, ob jede von der in getrennten Gütern lebenden Ehefrau während der Ehe bewirkte Anschaffung als zu ihrem Vermögen gehörig angesehen werden kann, oder ob nicht vielmehr Anschaffungen, welche die Ehefrau lediglich zur Bestreitung der gewöhnlichen Haushaltungsbedürfnisse, oder als vermutete Bevollmächtigte des Mannes und nicht in der Absicht, für sich selbst zu erwerben, gemacht hat, ohne weiteres als Eigentum des Mannes zu betrachten sind. Darum handelt es sich hier indessen nicht. Der Appellationsrichter stellt weder fest, daß die Klägerin die streitigen Gegenstände lediglich zur Bestreitung der gewöhnlichen Haushaltungsbedürfnisse angeschafft, noch daß sie dieselben als vermutete Bevollmächtigte ihres Ehemannes für diesen erworben hat, sondern er nimmt an, daß die Klägerin die von ihr erkauften Moventien bezw. die auf ihren Namen bei der Sparkasse eingezahlten und von ihr erhobenen Gelder nur dann als ihr Eigentum würde in Anspruch nehmen können, wenn sie den Nachweis geführt hätte, daß das zu dem Ankauf verwendete Geld, bezw. die Spareinlagen, von ihrem eingebrachten Vermögen herrühren, und erachtet die Anführungen der Klägerin, insbesondere ihre Behauptung, daß sie die A.'sche Ackerwirtschaft gepachtet habe, lediglich deshalb für unerheblich, weil dadurch jener Nachweis nicht geführt wird. Das ist nicht richtig. Ehefrauen sind an und für sich nicht unfähig, Verträge zu schließen. Sie erwerben aus den von ihnen geschlossenen Verträgen Rechte, und nur zur Gültigkeit der von ihnen eingegangenen Verpflichtungen ist die Genehmigung des Ehemannes erforderlich. Vgl. Erkenntnis des früheren Obertribunals vom 28. Juni 1860 (Entsch. Bd. 43 S. 30). Daraus folgt, falls nicht besondere, von dem Appellationsrichter nicht festgestellte Umstände, welche eine entgegenstehende Annahme rechtfertigen würden, vorliegen, nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen, daß, wenn die Klägerin die streitigen Gegenstände gekauft, bezw. die von ihr bei der Sparkasse eingezahlten Gelder erhoben, sie das Eigentum der erkauften Gegenstände bezw. der erhobenen Gelder erworben hat, ohne daß sie ihrerseits den von dem Appellationsrichter vermißten Nachweis zu führen hätte.

Der Eigentumserwerb vollzieht sich unabhängig von dem Eigentum an den dazu verwendeten Geldern. Deshalb ist es gleichfalls unrichtig, wenn der Appellationsrichter meint, daß die Klägerin nicht Eigentümerin geworden sei, wenn sie Gelder ihres Ehemannes verwendet habe. Der 211 a. a. O., welcher bestimmt, daß das, was die Frau in stehender Ehe erwirbt, der Regel nach dem Manne erworben wird, bezieht sich, wie auch das frühere Obertribunal wiederholt unter Hinweis auf den §. 219 a, a. O. zutreffend angenommen hat, nur auf den Erwerb der Frau durch die häusliche Thätigkeit und gemeine Dienste, nicht aber auf lästige Verträge derselben mit einem Dritten. Danach zieht der Appellationsrichter aus den von ihm angeführten Gesetzesstellen Folgerungen, welche aus ihnen nicht zu ziehen sind und verletzt sie durch unrichtige Anwendung. Das angefochtene Erkenntnis unterliegt daher der Vernichtung.

Bei freier Beurteilung des Sachverhältnisses erscheint der Anspruch der Klägerin auf Anerkennung ihres Eigentums an den streitigen Sachen begründet. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hat die Klägerin nicht nur die streitigen Moventien gekauft und bezahlt, sondern auch die Kuh bei der Braunschweiger Viehversicherungsgesellschaft versichert. Sie ist es ferner, welche die Spareinlagen bei dem Kredit- und Sparverein zu Stendal gemacht hat, auf Grund deren die streitigen Gelder von ihr erhoben sind. Die Behauptung des Beklagten, daß die Klägerin die Tiere nicht für sich, sondern für ihren Ehemann gekauft, sowie das Geld von dem Kredit- und Sparverein für ihren Ehemann und in dessen Auftrage geholt habe, ist ohne Beweis hingestellt und findet auch in der Sachlage und den durch die Beweisaufnahme ermittelten Thatumständen keinen Anhalt. Nach dem Zeugnisse des Ackermannes A. hat die Klägerin dessen Ackerwirtschaft, bestehend in einer Scheune, Hofraum, Garten und etwa fünf Morgen Acker, gepachtet, während ihr Ehemann seiner Profession nach ein Maurer ist. Danach scheint die Klägerin die Ackerwirtschaft für ihre Rechnung zu betreiben, und dies spricht nur dafür, daß sie die fraglichen Tiere für sich angeschafft und die Spareinlagen für sich gemacht hat. Wenn der Beklagte die Vermutung aufstellt, daß die Klägerin nur vorgeschoben sei, um den Gläubigern ihres Ehemannes jedes Objekt ihrer Befriedigung zu entziehen, so entbehrt auch diese Behauptung jedes Beweises und ist überdies als Einrede gegen die Eigentumsklage der Klägerin nicht gehörig substanziiert."