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RG, 09.10.1880 - I 395/80

Daten
Fall: 
Eigentumsübertragung zur Sicherstellung einer Forderung
Fundstellen: 
RGZ 2, 168
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
09.10.1880
Aktenzeichen: 
I 395/80
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • Stadtgericht Frankfurt a. M.
  • Appellationsgericht Frankfurt a. M.

Wird der Eigentumserwerb auf Grund eines Kaufvertrages dadurch ausgeschlossen, daß der erklärte Zweck des Verkaufes Sicherstellung des Käufers für eine Forderung au den Verkäufer ist? Wird dadurch die Einrede der Simulation gegen den Kaufvertrag begründet und liquid gestellt?

Aus den Gründen

"Der mit der Klage übergebene Vertrag vom 2. März 1878 enthält alle wesentlichen Requisite eines Kaufvertrages. Er ist vom Notar M. konzipiert und bezüglich der Unterschriften beglaubigt. Es ist von vorneherein nicht zu bezweifeln, daß der Inhalt des Vertrages auch dem wirklichen Willen der Paciscenten entspricht. Der Vertrag führt die Überschrift "Kaufvertrag". Im Kontexte erklären zunächst die Kontrahenten, daß die beklagten Eheleute dem Kläger die verzeichneten Mobilien verkauft, und ihm deren Besitz und Eigentum übergeben haben, daß der Kaufpreis auf 1000 Mark vereinbart und bar bezahlt worden sei. Dann räumt Kläger den beklagten Eheleuten die unentgeltliche Benutzung der verkauften Gegenstände ein, und die beklagten Eheleute als Verkäufer erkennen an, daß sie die Mobilien fortan nur leihweise und namens des Klägers als jetzigen Eigentümers besitzen; der Besitz ist also durch constitutum possessiorum übertragen. Endlich wird den beklagten Eheleuten das Rückkaufsrecht auf die Dauer von drei Monaten gestattet, und zwar zum gleichen Preise von 1000 M.; die beklagten Eheleute sollten aber, wenn sie das Rückkaufsrecht nicht ausübten, auf Verlangen des Klägers demselben die verkauften Mobilien sofort zu dessen Verfügung zustellen. Da die Beklagten unbestritten das Rückkaufsrecht innerhalb der bestimmten dreimonatlichen Frist nicht ausgeübt, den Rückkaufspreis innerhalb dieser Frist jedenfalls nicht vollständig an den Kläger bezahlt haben, so ist die Klage auf Herausgabe der verkauften Mobilien durch den Vertrag begründet, und es kann sich nur fragen, ob die Einreden der Beklagten begründet sind. Daß der Vertrag bezüglich der Berichtigung des Kaufpreises durch den Kläger insofern eine unrichtige Angabe enthält, als der Kaufpreis unbestritten nicht bar bezahlt, sondern nur durch Aufrechnung einer dem Kläger gegen die Beklagten zustehenden Forderung berichtigt ist, beeinträchtigt die Rechtsgültigkeit des abgeschlossenen Vertrages nicht. Die Beklagten haben aber eingewendet, daß der Wille der Parteien gar nicht auf ein Kaufgeschäft gerichtet gewesen, daß auch nicht beabsichtigt sei, auf den Kläger das Eigentum und den Besitz, letzteren durch constitutum possessiorum, zu übertragen, daß die Absicht vielmehr nur die gewesen sei, dem Kläger zur Sicherung der ihm gegen die Beklagten zustehenden Forderung ein Pfandrecht einzuräumen; weil jedoch nach Frankfurter Recht ein Pfandrecht an Mobilien nur durch körperliche Übergabe zu Faustpfand rechtsgültig habe bestellt werden können, auf der anderen Seite die sofortige Entziehung der Mobilien aus der Gewahrsam der Beklagten nicht in der Intention der Beklagten gelegen habe, die Mobilien aber dem Augriffe anderer Gläubiger der Beklagten als Exekutionsobjekte hätten entzogen werden sollen, so sei das Geschäft in die äußere Form eines Kaufvertrags mit Besitzübertragung durch constitutum possessiorum und Vorbehalt des Rückkaufsrechtes eingekleidet worden, ohne daß jedoch dieses Geschäft mit seinen rechtlichen Folgen gewollt sei. Die rechtliche Erheblichkeit dieser Einrede ist nicht zu beanstanden;1 auch die Zulassung der Beklagten zum Beweise der Einrede ist nicht zu versagen, namentlich nicht wegen Mangels thatsächlicher Substantiierung, zumal der Beklagten zu überlassen ist, teils das eine oder andere bereits in den bisherigen Akten vorliegende thatsächliche Moment, soweit es dazu dienlich sein mag, im Beweisverfahren zu verwerten, teils das thatsächliche Material, soweit dies prozessualisch zulässig ist, im Beweisantritt näher zu erläutern oder zu ergänzen. Den Instanzgerichten kann aber darin nicht beigestimmt werden, daß die Einrede bereits jetzt, und zwar durch die eignen Erklärungen des Klägers in der Replik, liquid gestellt sei. Der Kläger hat vielmehr in der Replik mit Bestimmtheit die Klagebehauptung aufrecht erhalten, daß ein Kaufvertrag und Übertragung des Besitzes und Eigentums unter Vorbehalt des Rückkaufs innerhalb dreier Monate ernstlich gewollt sei. Aus dem von dem Kläger zugegebenen Umstände, daß dieses Geschäft zum Zwecke der Sicherstellung des Klägers geschlossen sei, allein folgt keineswegs, daß das Kaufgeschäft nur simuliert sei. Es ist nicht nur rechtlich durchaus zulässig, sondern auch in häufiger Übung, daß einem Gläubiger zu seiner Sicherstellung wegen einer persönlichen Forderung von seinem Schuldner ein Vermögens-Objekt in der durchaus ernstlichen Absicht verkauft und übertragen wird, daß der Gläubiger als Käufer wirklicher Eigentümer und zur Ausübung aller Rechte eines Eigentümers befugt werden soll, der wirtschaftliche Zweck einer bloßen Sicherstellung aber dadurch erreicht wird, daß der Gläubiger sich durch Nebenabreden persönlich verbindlich macht, unter gewissen vereinbarten Bedingungen das Eigentum dem bisherigen Schuldner zurückzuübertragen oder demselben auch ganz oder teilweise den Netto-Ertrag und bezw. den Erlös eines etwaigen Weiterverkaufes der verkauften Sache zustießen zu lassen (vgl. zum Beispiel Budde, Entsch. des Ober-Appellationsgerichts Rostock Bd. 8 S. 43, 81).2 Im vorliegenden Falle ist nach jetziger Lage der Akten nur anzunehmen, daß es allerdings die Absicht der Kontrahenten gewesen ist, daß Kläger durch den Vertrag Eigentümer werden, keineswegs aber, daß er in jedem Falle Eigentümer bleiben solle. Es hat vielmehr bloße Sicherstellung dadurch erreicht werden sollen, daß den Beklagten das Recht, durch Zahlung des Betrages der Forderung wieder Eigentümer zu werden, vorbehalten wurde, und nur in dem Falle, daß die Beklagten diese Bedingung der Wiedererlangung der Sachen nicht erfüllen wollten oder konnten, Kläger Eigentümer bleiben sollte. Dieser Wille konnte auch nur auf dem hier eingeschlagenen Wege ausgeführt werden, da nach Frankfurter Recht die Absicht der Parteien durch Bestellung eines Pfandrechts, worüber beide Parteien einverstanden sind, nicht füglich erreicht werden konnte (vgl. Bender, Frankfurter Privatrecht S. 244 flg.), und es führen die Umstände des Falles durchaus nicht mit Notwendigkeit oder Sicherheit auf die Annahme einer Simulation zum Zwecke der Hintergehung anderer Gläubiger der Beklagten. Daraus, daß Kläger nach dem Abschlusse des Kaufvertrages noch Wechsel der Beklagten behalten oder sich neu hat ausstellen lassen, läßt sich auch nicht mit Sicherheit auf eine Simulation schließen; daß Kläger die zur Zeit des Vertragsschlusses in seinen Händen befindlichen Wechsel nicht sofort den Beklagten zurückgab, sich noch innerhalb der dreimonatlichen Rückkaufsfrist neue Wechsel, mochten dies bloße Prolongationswechsel sein oder nicht, ausstellen ließ und Zahlungen von den Beklagten annahm, erklärt sich ohne allen Zwang durch das vorbehaltene Rückkaufsrecht; die Zahlungen sind eben als Teilzahlungen auf den Rückkaufspreis zu behandeln. Selbst die Annahme von Zahlungen nach Ablauf der Rückkaufsfrist läßt eine ungezwungene Erklärung in der Art zu, daß darin eine stillschweigende Verlängerung der ursprünglich auf drei Monate verabredeten Rückkaufsfrist gefunden wird. Auffallender mag es prima facie sein, daß Kläger nach Abschluß des Kaufvertrags oder gar nach Ablauf der Rückkaufsfrist gegen die Beklagten Klage erhoben und Hilfsvollstreckung nachgesucht haben soll. Hierbei kommt aber einesteils in Erwägung, daß Kläger nicht etwa wegen seiner ursprünglichen Darlehnsforderung Klage erhoben, sondern aus in seinen Händen befindlichen Wechseln die Wechselklage erhoben haben soll und dazu zur Vermeidung nachteiliger Präjudize genötigt zu sein glauben mochte. Wenn Kläger aber auch prozessualische Schritte gethan haben sollte, die unter der Voraussetzung eines ernstlichen Kaufabschlusses nicht berechtigt waren, so würde immer noch die Frage sein, ob eine solche verkehrte, unberechtigte Maßregel den Rückschluß zulassen würde, daß der vorher geschlossene Kauf nicht ernstlich gemeint gewesen sei. Die erst in der Duplik vorgebrachte Behauptung, daß in einem Interventionsprozesse zwischen der beklagten Ehefrau und dem Kläger der ersteren das Eigentum an einzelnen angeblich vom Kläger als Exekutionsobjekt angegriffenen Mobilien, welche auch Gegenstand des Kaufvertrages vom 2. März 1878 gewesen sein sollen, durch Urteil zugesprochen worden, würde als Einrede verspätet sein. Inwieweit dieses Moment für die Frage, ob der Kaufvertrag ernstlich oder simuliert war, von beweisender oder adminikulierender Bedeutung sei, mag event. in dem demnächstigen Beweisverfahren geprüft werden. In der Replik ist diese Behauptung, namentlich aber die Identität der gepfändeten mit den dem Kläger verkauften Mobilien vom Kläger nicht zugestanden; sie ist also für die Frage, ob die Simulation schon jetzt liquid sei, nicht zu verwerten. Die Urteile der Vorinstanzen mußten hiernach aufgehoben und mußte zunächst ein Beweisverfahren eröffnet werden, in welchem das Verhalten der Parteien bei dem Abschlüsse des Vertrages vom 2. März 1878 und unmittelbar vorher und nachher von besondrer Bedeutung sein würde."

  • 1. Amtl. Anm.: Vgl. das unter Nr. 45 S. 173 unmittelbar folgende Urteil des m. Civilsenats. D. Red.
  • 2. Amtl. Anm.: Wenige Tage nach obigem Urteil, am 13. Oktober 1880, gelangte bei dem I. Civilsenat des Reichsgerichts in der mecklenburgschen Sache T. (Kl.) w. C. (Bekl.) Rep. I. 622/80 folgender Fall nach gleichen Grundsätzen zur Entscheidung: T. schuldete dem C. ein verzinsliches Darlehn von 1500 Thlr. und verkaufte ihm zur Sicherstellung der Forderung verschiedene Schiffsparten. Die Ansicht der Paciscenten ging nicht auf die Bestellung eines bloßen Pfandrechtes an den Parten, sondern auf Übertragung des Eigentums an denselben, welches auch im Schiffsbuche auf den Namen des Käufers überschrieben wurde; nach dem Vertragswillen sollte jedoch seiner der Verkäufer, wenn er zur Verfallzeit die Darlehensschuld mit Zinsen bezahlte, berechtigt sein, das Eigentum zurückzuerwerben, bis zur Verfallzeit sollte der Käufer dem Verkäufer die Dividenden der Schiffsparten nach Abzug der Zinsen der Darlehnsschuld und der Kosten berechnen und vergüten; wenn Verkäufer aber die Darlehnsschuld zur Verfallzeit nicht bezahlte, sollte der Käufer C. sich durch Verlauf der Parten befriedigt machen, und den Überschuß des Verkaufserlöses über den Betrag der Schuld des T. mit Zinsen dem T. herauszahlen. Der Verkäufer bezahlte zur Verfallzeit nicht; der Käufer C. verkaufte die Parten, ohne die Zustimmung des Verkäufers abzuwarten, und stellte dem Verkäufer eine Berechnung zu, welche einen Überschuß ergab. Der Auszahlung dieses Überschusses, wozu C. sich verpflichtet bekannte, stellte sich nur ein Legitimationsbedenken entgegen. T. hatte nach jenem Verkaufe an C. die ihm darnach noch zustehenden "Interessen" an den Parten, d. h. also das Recht auf die Dividendenüberschüsse, auf event. Rückübertragung des Eigentums der Parten nach Rückzahlung der Darlehnsschuld und auf den event. Kaufgeldüberschuß, dem S,, welchem er auch ein verzinsliches Darlehn schuldete, zur Sicherheit für diese Darlehnsforderung (" in securitatem") cediert. Auch bei diesem Geschäft ging die Absicht der Kontrahenten nicht auf eine bloße Verpfändung, sondern auf eine Übertragung des Forderungsrechtes selbst. Die Forderung wurde daher auch nicht zu dem nachher über T. eröffneten Konkurse gezogen, bei welchem sich S. auch nicht als Gläubiger meldete. Als nach beendigtem Konkurse und nach dem Verkaufe der Parten durch C. die Erbin des T. von C. die Zahlung des Kaufgeldüberschusses forderte, verlangte E. den Nachweis der Rückübertragung der cedierten Forderung von S. an T. oder die Einwilligung des S. in die Auszahlung des Kaufgeldüberschusses an die Erbin des T. Dieses Verlangen des C. wurde von dem Reichsgericht für begründet erachtet, und, da der verlangte Nachweis nicht erbracht wurde, auf Abweisung der Klägerin erkannt. In den Urteilsgründen wird C. als Eigentümer der Parten, S. als Gläubiger der ihm cedierten Forderung anerkannt. - Es mag auch noch an die feducia des römischen Rechtes erinnert werden. D. E.