danke-sagen-unterstützen

Unveröffentlichte Gerichtsentscheidung hinzufügen: Mehr erfahren...

RG, 04.05.1880 - III 463/79

Daten
Fall: 
Kompensation im Insolvenzverfahren
Fundstellen: 
RGZ 1, 347
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
04.05.1880
Aktenzeichen: 
III 463/79
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • Kreisgericht Wiesbaden
  • Oberlandesgericht Frankfurt a./M.

Kompensation im Konkurse.

Tatbestand

A. hatte im November 1876 eine Wohnung und sonstige Räume für die Zeit vom 1. Januar 1877 bis 31. Dezember 1879 an den Beklagten vermietet. Im Januar 1878 wurde gegen A. der Konkurs erkannt. Der Beklagte verblieb in seinem Mietverhältnis bis zum 12. Juni 1878, an welchem Tage die Mietobjekte zu Gunsten der Konkursmasse veräußert wurden, und schuldete unbestrittenermaßen noch die auf 1. April bis 12. Juni 1878 verfallene Mietzinsrate. Die A.'sche Konkursmasse klagte auf Zahlung dieser Schuld, wogegen der Beklagte mit drei vor dem Konkursausbruch entstandenen Forderungen an den Kridar zu kompensieren suchte. Die erste Instanz ließ diese Kompensation zu, von der zweiten Instanz wurde sie zurückgewiesen, weil eine Kompensation gegenüber einer der Konkursmasse zustehenden, erst nach der Konkurseröffnung zur Existenz gekommenen, Forderung mit einer vor derselben gegen den Kridar erwachsenen Forderung nicht zulässig sei. Das Reichsgericht hat die gegen dieses Urteil erhobene Nichtigkeitsbeschwerde verworfen aus folgenden Gründen:

Gründe

"Die deutsche Konkursordung §. 48 Ziff. 1 schreibt vor, daß eine Aufrechnung im Konkursverfahren unzulässig sei, wenn jemand vor oder nach der Eröffnung des Verfahrens eine Forderung an den Gemeinschuldner erworben hat und nach der Eröffnung etwas zur Masse schuldig geworden ist. Mit dieser Vorschrift ist kein neuer legislatorischer Grundsatz aufgestellt, vielmehr enthält die preußische Konkursordnung die gleiche Bestimmung und die bayerische und hannoversche Prozeßordnung, sowie das französisch-rheinische Recht nehmen denselben Standpunkt ein. Auch im Gebiete des gemeinen Prozeßrechtes ist der gedachte Grundsatz anzuerkennen. Seine Richtigkeit ergiebt sich aus der Erwägung, daß nach Ausbruch des Konkurses jeder Gläubiger seine Befriedigung nur noch nach Maßgabe der Lokationsordnung aus der Konkursmasse zu beanspruchen hat, wogegen, wenn in den unterstellten Fällen Kompensation zugelassen wäre, hierdurch eine durch die Konkurseröffnung ausgeschlossene vorzugsweise Befriedigung des Gläubigers bewirkt, der letztere nach diesem Zeitpunkte noch einen Absonderungs- oder Deckungsanspruch aus einem Teile der Masse erlangen würde.

Die Anwendbarkeit des erwähnten Satzes auf den konkreten Streitfall ist mit Grund nicht zu beanstanden. Daß die Gegenforderungen des Beklagten aus der Zeit vor der Konkurseröffnung datieren, liegt nicht im Streite; in betreff der eingeklagten Forderung aber steht fest, daß sie eine nach Eröffnung des Konkurses verfallene Mietzins-Quartalrate ist, und daß allerdings der in Frage stehende Mietkontrakt vor diesem Zeitpunkt, und zwar auf eine auch noch das laufende Quartal umfassende Zeitdauer, abgeschlossen worden ist. Aus diesem letzteren Umstände will von dem Nichtigkeitskläger deduziert werden, daß, weil die Kreditorschaft nicht einen neuen Mietkontrakt abgeschlossen, sondern nur das bestehende Vertragsverhältnis fortgesetzt habe, auf welch' letzterem der eingeklagte Mietzins beruhe, Forderung und Gegenforderung aus vor dem Konkurse geschlossenen Verträgen herrühren, mithin zur Kompensation geeignet seien. In der That hat diese Meinung in der gemeinrechtlichen Praxis Vertretung gefunden; vgl. Seuffert's Archiv Bd. 9 S. 312. Richtiger erscheint jedoch die gegenteilige Ansicht, welche auch in einem Falle der vorliegenden Art die Statthaftigkeit der Kompensation verneint.

Der Mietzins, welcher nach der Konkurseröffnung aufwächst und verfällt, ist als Äquivalent für die Mietnutzung zu betrachten, welche dem Mieter während des Konkursverfahrens gewährt wird. Diese Nutzung hat aber nicht mehr der Kridar, sondern die an seine Stelle getretene Gläubigerschaft gewährt, weshalb ihr auch der Anspruch auf die betreffende Mietzinsrate zukommt, welchem Anspruche gegenüber eine Aufrechnung mit Forderungen an den Kridar nicht zulässig erscheint. Der Umstand, daß der zu Grunde liegende Mietvertrag vor dem Konkursausbruch und auf längere Zeitdauer abgeschlossen worden ist, kann an diesem Sachverhältnisse nichts ändern, denn nach gemeinem Konkursprozeßrechte ( Schweppe, Konkurs der Gläubiger §. 62; Bayer, Konkursprozeß §. 31) stand es in der Befugnis der Gläubigerschaft, den Mietvertrag des Beklagten fortzusetzen oder nicht. Indem die Gläubigerschaft zur Fortsetzung des Vertrages sich entschloß, ist sie es, welche dem Beklagten den Gebrauch und die Nutzung eines zur Masse gehörigen Objektes einräumte; ihr ist der Anspruch auf die betreffenden Mietraten erworben, da alle Früchte und Nutzungen aus Masseobjekten der Konkursmasse zu gut kommen. Daraus folgt, daß die dem Anspruch korrespondierende Mietzinsschuld des Beklagten eine Masseschuld, also eine erst nach der Konkurseröffnung entstandene Verbindlichkeit ist, die unter die gleichen Gesichtspunkte fällt, wie z. B. Kaufgelder aus Massegegenständen und deren Aufrechnung mit einer vor dem Konkurs entstandenen Forderung des Beklagten eben deshalb nicht zugelassen werden kann.

Hiernach ist die erhobene Nichtigkeitsbeschwerde in ihrem zweiten Teile zu verwerfen. Was aber den ersten Nichtigkeitsgrund anbelangt, so geht der Appellationsrichter davon aus, daß die Gegenforderungen des Beklagten nicht auf den der Klage zu Grunde liegenden Mietvertrag gestützt worden seien, daß der Beklagte nicht etwa Erstattung von notwendigen oder nützlichen Verwendungen auf das Mietobjekt verlangt, sondern seine Ansprüche lediglich aus verschiedenen, ihm angeblich vom Kridar erteilten Aufträgen abgeleitet habe. Da diese Annahme den aktenmäßigen Erklärungen des Beklagten entspricht, und da hiergegen nicht weiter in Betracht kommen kann, zu welchem Zwecke der Beklagte die ihm aufgetragenen Leistungen gemacht habe, so hat die Nichtigkeitsbeschwerde mit Unrecht gerügt, daß der vorige Richter die streitigen Gegenforderungen nicht als konnex im rechtlichen Sinne mit der eingeklagten Forderung angesehen und behandelt hat."