RG, 04.01.1880 - II 357/80

Daten
Fall: 
nemo subrogat contra se
Fundstellen: 
RGZ 3, 346
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
04.01.1880
Aktenzeichen: 
II 357/80
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Karlsruhe
  • OLG Karlsruhe

Ist bei der auf L.R.S. 2037 gestützten Einrede, daß der Gläubiger den Eintritt des Bürgen in die für die Forderung bestellten Pfandrechte unmöglich gemacht habe, darauf Rücksicht zu nehmen, ob die übrig gebliebenen Unterpfänder zur Befriedigung des Bürgen ausreichen, wenn derselbe nach der Zahlung den Rückgriff auf den Hauptschuldner nehmen wird - oder ist der Wert bei aufgegebenen Unterpfänder maßgebend? Bedeutung des Satzes: "nemo subrogat contra se"

Tatbestand

Der Kläger hat im August 1875 den Eheleuten S. Liegenschaften und Fahrnisse für zusammen 29485 M. 72 Pf. verkauft, sich Hypothek vorbehalten und die Beklagten haben für diesen Kaufpreis die samtverbindliche Bürgschaft übernommen. Der Klage auf Bezahlung eines fälligen Termins hielten sie entgegen: der Kläger habe später eingewilligt, daß das mittlere Stück der Kaufobjekte einem anderen Gläubiger für 5000 M. verpfändet werde, dieses sei in der Folge im Zwangswege verkauft worden. Durch die Entziehung dieses Stückes sei auch der Wert des hinter demselben gelegenen vermindert und damit eine Gesamtverminderung des Wertes der Pfandobjekte von 18900 M. bewirkt worden. - Außerdem habe Kläger zu Gunsten einer später aufgenommenen Hypothek von 13715 M. auf den Vorrang verzichtet.

Eine erhobene Schätzung ergab einen Wert der noch vorhandenen Pfandobjekte von 20000 M.; das Oberlandesgericht berechnete, daß, wenn man jene 13715 M. abziehe, immer noch soviel übrig bleibe, um den eingeklagten Termin zu decken, wenn die Beklagten solchen bezahlt haben würden, und bestätigte deshalb das verurteilende Erkenntnis erster Instanz. Das Urteil ist aufgehoben und die Klage abgewiesen worden aus folgenden Gründen:

Gründe

"Das angefochtene Urteil mußte wegen Verletzung der Landrechtsätze 1252 und 2037 aufgehoben werden. Ersterer ist, wie der Vertreter des Revisionsbeklagten selbst einräumte, deshalb verletzt, weil bei der vom Oberlandesgerichte angestellten Berechnung, ob der auf 20000 M. geschätzte Wert der noch vorhandenen Liegenschaften zur Befriedigung der Beklagten ausreiche, wenn sie die eingeklagte Summe bezahlt haben würden, übersehen worden ist, daß ihnen nicht nur die Pfandforderung des K., sondern auch der dann immer noch die Summe von 15000 M. übersteigende Betrag der Restkaufpreisforderung des Klägers selbst vorgeht, so daß nicht anzunehmen ist, daß die Bürgen mit Erfolg ihren Zugriff auf die dem Kläger verhafteten Liegenschaften nehmen können. - Wenn sich der Anwalt des Revisionsbeklagten auf das in der mündlichen Verhandlung erfolgte Zugeständnis berufen hat, daß der Verzicht auf den Vorrang zu Gunsten des K. mit Zustimmung der Revisionskläger erklärt worden sei, so ist hierwegen zu bemerken, daß dies an der Thatsache, daß die Forderung des K. zuerst zur Befriedigung gelange, nichts ändern kann und daß der Verzicht zu Gunsten des M., wegen dessen die Einrede auf Grund des Landrechtsatzes 2037 vorgeschützt wurde, erst später erfolgt ist, die Beklagten aber um so weniger eine weitere Verminderung der hypothekarischen Sicherheit gelten zu lassen brauchen, wenn bereits früher schon eine solche bewirkt worden war.

Was dm Landrechtsatz 2037 betrifft, so billigt das Berufungsgericht dessen Auslegung durch die erste Instanz, welche dahin geht, die daraus abgeleitete Einrede habe eine Entschädigung zum Gegenstande, könne also nur insoweit geltend gemacht werden, als ein Schaden stattgefunden habe.

Die Folge dieser Auslegung, beziehungsweise der Annahme, daß Landrechtsatz 2037 auf dem Principe der Beschädigung beruhe, war die, daß die Entscheidung nicht davon abhängig gemacht wurde, in welchem Betrage oder Werte der Kläger den Beklagten den Eintritt in seine Rechte, Pfänder und Vorzüge unmöglich gemacht habe, sondern davon, ob der noch vorhandene Rest dieser Pfänder ausreiche, damit die Beklagten den Rückgriff darauf nehmen können. Diese Auslegung des Landrechtsatzes 2037 kann aber nicht gebilligt werden. Aus der Geschichte seiner Entstehung ergiebt sich, daß er mit dem Rechte des Bürgen, welcher bezahlt hat, kraft Gesetzes in alle Rechte des Gläubigers einzutreten (Landrechtsätze 2029. 1251 Z. 3) im Zusammenhange steht, also ähnliches bestimmt, wie die 1. 95 §. 11 Dig. De sol. 46. 3, 1. 27 §. 5 1. 28 Dig. mand. 17. 1 beim mandatum qualificatum vorsehen. - Sowohl Treilhard im exposé de motifs, als Chabot im Berichte an das Tribunal, wie auch Lahary im gesetzgebenden Körper (vgl. Porcelet, recueil complet I. 702. 706. 718) verweisen ausdrücklich auf die dem Bürgen zustehende Subrogation. Demnach ist die Bedeutung der Einrede nicht die, daß der Gläubiger, welcher den Eintritt des Bürgen in seine Rechte und Pfänder unmöglich machte, den Bürgen beschädigt, sondern die, daß er eine ihm obliegende Verbindlichkeit nicht erfüllt, ihr zuwider gehandelt habe. Es faßt deshalb gerade der im angefochtenen Urteile citierte Laurent Bd. 28 Nr. 302 das Verhältnis zwischen Gläubiger und Bürgen in dieser Beziehung als ein synallagmatisches auf, so daß die Einrede als exceptio non adimpleti contractus erscheint (L.R.S. 1184). Demnach gehört zur Begründung der Einrede nicht die Substanziierung eines Schadens in der Richtung, daß und inwieweit die übrig gebliebenen Mittel des Hauptschuldners zur Schadloshaltung des Bürgen unzureichend seien, sondern es kommt darauf an, bis zu welchem Betrage der Gläubiger Sicherheiten aufgegeben, beziehungsweise sich außer stand gesetzt habe, dem Bürgen den Eintritt in solche zu ermöglichen, wobei dann allerdings dem Gläubiger die Replik zusteht, daß die von ihm aufgegebenen Rechte ganz oder teilweise wertlos gewesen seien. So fassen auch insbesondere Marcadé und Laurent, auf welche die Instanzgerichte sich beziehen, die Sache auf. Ersterer bemerkt ausdrücklich:

la caution ne saurait avoir droit de décharge que jusqu'a concurrence de la somme pour laquelle elle aurait eu recours conte le débiteur, si le créancier ne s'était pas mis dans le cas de ne pouvoir lui céder ses droit, und letzterer faßt a. a. O. Nr. 306 das Prinzip dahin: l'exception est fondée sur ce quel le créancier a détruit, en tout ou en partie, les garanties assuraient le payment de toute la dette, et si elles ont péri par la faute du créancier, la caution sera entièrement déchargée, si elles n'ont péri qu'en partie, la décharge sera proportionelle au préjudice approuvé par la caution.

Der Unterschied, ob man davon ausgeht, ob zur Zeit der Klage der übrig gebliebene Rest der ursprünglichen Sicherheit noch ausreiche, oder davon, wieweit der Gläubiger den Eintritt in letzteren unmöglich gemacht habe, ist schon um deswillen ein wesentlicher, weil im ersteren Falle der Bürge zur sofortigen Einklagung des Hauptschuldners genötigt und ihm jeder Nachteil auferlegt wird, welcher aus etwaiger späterer Verminderung des Wertes der noch vorhandenen Pfandobjekte entstehen kann. Wenn zur Sicherung des Gläubigers doppelte Hypothek bestellt war und im Vertrauen auf diese Bürgschaft geleistet worden ist, so kann jenem nicht schlechthin die Minderung auf eine einfache Hypothek gestattet sein; die Hypothek, welche für die Gläubiger unteilbar ist, ist dies auch für den Bürgen. Landrechtsätze 2114. 2029."