RG, 17.01.1880 - I 31/80

Daten
Fall: 
Offenkundigkeit der Benutzung einer Erfindung
Fundstellen: 
RGZ 1, 42
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
17.01.1880
Aktenzeichen: 
I 31/80
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • Patentamt

Offenkundigkeit der Benutzung einer Erfindung.

Tatbestand

Das dem Beklagten auf einen im Diskant verlängerten Resonanzboden an Klavieren erteilte Patent wurde nach §. 10, Nr. 1 des Pat. Ges. vom Patentamt für nichtig erklärt und diese Entscheidung vom R.G. bestätigt. In den Gründen nahm das R.G. als erwiesen an, daß die den Gegenstand des Patentes bildende Erfindung bereits seit mehreren Jahren vor der Patentanmeldung im Inlande in der Pianofortefabrik der Klägerin an den daselbst gebauten und in den Handel gebrachten Pianinos in Anwendung gebracht worden war. Die Gründe fahren fort:

Gründe

"Zur Begründung des Antrages auf Nichtigkeitserklärung ... genügt aber diese Thatsache allein nicht, sondern es ist nach §. 2 des Pat. Ges. weiter erforderlich, daß die Benutzung offenkundig dergestalt stattgefunden hat, daß dennoch die Benutzung durch andere Sachverständige möglich erscheint. Der Berufungskläger bestreitet das Vorhandensein dieses Erfordernisses, weil die Anwendung eines verlängerten Resonanzbodens an den Instrumenten der Berufungsbeklagten weder erkennbar gewesen, noch durch eine öffentliche Kundmachung derselben bekannt geworden sei. In dieser Hinsicht hat sich ... ergeben, daß allerdings die in Rede stehende Konstruktion auch für Sachverständige nach dem Öffnen des Instrumentes beim ersten Blicke nicht erkennbar ist, weil die Verlängerung des Resonanzbodens durch die am Stimmstocke befestigte eiserne Platte verdeckt wird, daß jedoch dieselbe von Sachverständigen durch Herausnahme des hinteren Rahmens oder, wie der Sachverständige F. hinzufügt, auch ohne Herausnahme des Rahmens durch Einführung eines Drahtes entdeckt werden kann. Wenn nun auch nicht feststeht, daß die Erfindung und deren Benutzung auf diese oder andere Weise vor der Patentanmeldung irgend jemandem wirklich bekannt geworden sei, so ist sie dennoch als eine offenkundige im Sinne des §. 2 des Pat. Ges. zu betrachten.

Der §. 2 spricht die Eigenschaft der Neuheit den Erfindungen ab, welche vor der Anmeldung zur Patenterteilung durch Beschreibung oder Benutzung dem Publikum oder wenigstens dem sachkundigen Teile des Publikums bereits bekannt, mithin Gemeingut geworden sind. Hierbei wird der Fall, daß die Erfindung durch Beschreibung bekannt gemacht ist, dem Falle des Bekanntwerdens der Benutzung gleichgestellt, abgesehen von dem hier nicht in Betracht kommenden Unterschiede, daß in Ansehung der Beschreibung es gleichgültig ist, ob deren Veröffentlichung in einer inländischen oder ausländischen Druckschrift erfolgte, während nur die im Inlande stattgehabte Benutzung die Neuheit der Erfindung ausschließt. Was den ersten Fall anlangt, so unterliegt es nach §. 2 keinem Zweifel, daß der Erfindung die Eigenschaft der Neuheit schon dann abgesprochen werden muß, wenn sie durch Abdruck in einer öffentlichen Druckschrift an die Öffentlichkeit getreten ist, daß mithin in diesem Falle nur auf die Möglichkeit, daß jedermann durch Lesen der Druckschrift Kenntnis von der Erfindung erlange, gesehen und der Nachweis wirklich erlangter Kenntnis nicht gefordert wird. Hieraus ist der Schluß zu ziehen, daß auch in dem zweiten Falle es nur darauf ankommt, ob die Benutzung der Erfindung -- sei es durch öffentlichen Betrieb der Herstellung oder durch die Beschaffenheit des hergestellten Gegenstandes -- in der Weise an die Öffentlichkeit getreten ist, daß Sachkundige Kenntnis davon erlangen können, daß dagegen nicht der Nachweis erforderlich ist, daß jemand auf diese Weise wirklich Kenntnis davon erlangt habe. Die Möglichkeit, die Benutzung der Erfindung aus der Beschaffenheit des Fabrikates zu entnehmen, ist aber für Sachverständige nicht allein dann vorhanden, wenn sie ohne weiteres durch den bloßen Augenschein erkennbar ist, sondern auch dann, wenn sie durch eine Untersuchung entdeckt werden kann.

Dieser Fall liegt ... hier vor, zumal da nach der Aussage des Fabrikanten F. Sachverständige nicht allein im Stande waren, die Verlängerung des Resonanzbodens durch eine Untersuchung des Instrumentes zu erkennen, sondern auch Veranlassung hatten, eine solche Untersuchung vorzunehmen, weil die besondere Klangfarbe des Diskants der mit dem verlängerten Resonanzboden versehenen Instrumente auf eine Eigentümlichkeit in der Konstruktion derselben schließen ließ."