RG, 17.01.1889 - IV 272/88
Steht das Eigentum der aus einem vermachten Grundstücke eingetragenen, von dem Erblasser als Eigentümer des Grundstückes bezahlten Hypothek dem Vermächtnisnehmer oder dem Erben zu?
Aus den Gründen
"Der am 29. März 1886 zu Königsberg verstorbene Kaufmann T. hat in seinem Testamente seine Ehefrau, die Beklagte, zur alleinigen Erbin ernannt, der Klägerin aber ein Grundstück vermacht. Bereits im Jahre 1880 hatte der Erblasser eine auf diesem Grundstücke Abt. III. Nr. 2 für das Fräulein B. eingetragene Hypothek von 4575 M an die Gläubigerin bezahlt und von dieser löschungsfähige Quittung erhalten. Auf Grund dieser im Nachlasse vorgefundenen Quittung hat die Beklagte die Hypothek auf ihren Namen umschreiben lassen.
Die Klägerin verlangt, daß die Beklagte verurteilt werde, anzuerkennen, daß sie auf Grund des Testamentes ihres Ehemannes nicht befugt sei, über diese Hypothek zu verfügen. Sie behauptet, der Erblasser habe nach den Bestimmungen des Testamentes ihr das Grundstück schuldenfrei hinterlassen wollen, er habe auch wiederholt und bis kurz vor seinem Tode sich in diesem Sinne ausgesprochen.
Die Beklagte entgegnete, die Klägerin sei als Legatarin verpflichtet, die vermachte Sache mit allen seit dem Ableben des Erblassers darauf haftenden Lasten zu übernehmen, falls nicht der Erblasser ein Anderes ausdrücklich verordnet habe, und letzteres sei in betreff der Post von 4575 M nicht geschehen.
Das Landgericht hat die Beklagte dem Antrage der Klägerin gemäß verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klägerin mit ihrer Klage abgewiesen.
Die von der Klägerin gegen das Berufungsurteil eingelegte Revision ist erfolglos.
Das Berufungsgericht hat angenommen, nach gesetzlicher Vorschrift sei die Eigentümerhypothek auf die Beklagte als Erbin übergegangen; das Testament aber stehe dem gesetzlichen Erbrechte der Beklagten nicht entgegen.
1.
In ersterer Beziehung wird ausgesprochen: es habe zwar das vormalige preußische Obertribunal in dem Urteile vom 27. Februar 18631 angenommen, daß die Eigentümerhypothek auf den Legatar des verhafteten Grundstückes übergehe; dieser Ansicht lasse sich jedoch nicht beitreten; denn das Grundstück und die Eigentümerhypothek bildeten zwei verschiedene Vermögensobjekte; die Hypothek sei ein selbständiges Aktivum, und das Legat des Grundstückes begreife daher nicht ohne weiteres das Legat der Hypothek unter sich. Nach gesetzlicher Vorschrift sei daher die Eigentümerhypothek der 4575 M nach dem Tode des Erblassers auf die Beklagte übergegangen.
Hiergegen macht die Revision geltend: die Hypothek der 4575 M sei, da der Erblasser bei der Bezahlung sich dieselbe nicht habe cedieren lassen, als ein selbständiges Aktivum seines Nachlasses nicht anzusehen: von der durch die Bezahlung beziehungsweise die Quittung der Gläubigerin erlangten Befugnis, die Hypothek auf seinen Namen umschreiben zu lassen, habe der Erblasser keinen Gebrauch gemacht. Bis zu seinem Tode habe ihm daher nicht eine Hypothek an seinem Grundstücke, sondern lediglich die Befugnis zugestanden, die Hypothek auf seinen Namen umschreiben zu lassen oder über sie zu verfügen. Dieses Recht, welches nach §. 64 des Gesetzes über den Eigentumserwerb vom 5. Mai 1872 nur dem eingetragenen Eigentümer zukomme, sei auf seine Erbin, die Beklagte, nicht übergegangen, weil das Eigentum des Grundstückes nach dem Tode des Erblassers von der Klägerin erworben worden sei. Folglich habe die Beklagte auch nicht das Recht zur Umschreibung oder zur Verfügung über die Post erworben. Daß der Grundbuchrichter die Post auf den Namen der Beklagten umgeschrieben habe, stehe der Klägerin nicht entgegen.
Diese Ausführung ist als richtig nicht anzuerkennen.
Nach §. 64 des Gesetzes über den Eigentumserwerb ist der eingetragene Eigentümer berechtigt, auf Grund der Quittung oder Löschungsbewilligung die Post auf seinen Namen umschreiben zu lassen oder über dieselbe zu verfügen. Danach ist die Quittung und Löschungsbewilligung lediglich Legitimationsurkunde. Das Gläubigerrecht an der getilgten Post erwirbt der Grundstückseigentümer schon durch die Zahlung.2
Dieses vererbliche Gläubigerrecht bildete einen Bestandteil der Erbschaft; denn es war kein bloß an der Person des Erblassers haftendes Recht (§§. 350. 360 A.L.R. 1, 9); es wurde daher von der Beklagten als Erbin mit der Erbschaft erworben (§§. 367. 36s a. a. O.), unabhängig von dem Erwerbe des der Klägerin vermachten Grundstückes seitens dieser Vermächtnisnehmerin. Grundstück und Hypothek bilden vielmehr zwei verschiedene Vermögensstücke, von denen nur das eine, das Grundstück, vermacht ist. Die Klägerin untersteht daher der Vorschrift des §. 325 I. 12 a. a. O., welcher bestimmt, daß der Legatarius die vermachte Sache mit allen bei dem Ableben des Erblassers darauf haftenden Lasten übernehmen muß, wenn nicht der Testator ein Anderes ausdrücklich verordnet hat.
Demnach ist die Annahme des Berufungsgerichtes, nach gesetzlicher Vorschrift sei die von dem Erblasser als Eigentümer des der Klägerin vermachten Grundstückes bezahlte Hypothek Abt. III. Nr. 2 auf die Beklagte als Erbin übergegangen, richtig; sie ist auch der in der Rechtswissenschaft herrschenden Ansicht entsprechend.3
2.
Auch die Annahme des Berufungsgerichtes, das Testament stehe dem gesetzlichen Erbrechte der Beklagten nicht entgegen, bietet einen Revisionsgrund nicht dar. Das Berufungsgericht prüft die Bestimmungen des Testamentes sowie die Ergebnisse der Verhandlungen und der Beweisaufnahme und gelangt zu der Annahme, daß einzelne Willensäußerungen des Erblassers und festgestellte Umstände dafür sprechen, daß der Erblasser der Klägerin das schuldenfreie Grundstück vermacht habe, daß dagegen wiederum andere Willensäußerungen des Erblassers und ermittelte Umstände die Schlußfolgerung zulassen, daß er die Hypothek der 4575 M als besonderes Vermögensobjekt betrachtet habe und daher darüber auch besonders verfügt haben würde, wenn er sie der Beklagten, seiner Erbin, hätte entziehen wollen. Bei dieser Sachlage legt das Berufungsgericht das entscheidende Gewicht auf die Vorschrift des §. 520 A.L.R. I. 12, wonach im zweifelhaften Falle die Auslegung zum Vorteile des eingesetzten Erben gemacht werden müsse. "Bei dieser Auslegung - so wird geschlossen - steht das Testament dem gesetzlichen Erbrechte der Beklagten an der Hypothek von 4575 M nicht entgegen." Mit diesem Satze soll offenbar nichts anderes ausgedrückt werden, als: das Testament würde dem dispositiven Gesetze vorgehen, wenn nach den Bestimmungen desselben es der Wille des Erblassers gewesen wäre, die Hypothek von 4575 M der Klägerin zuzuwenden; die Auslegung des Testamentes läßt jedoch einen solchen Willen nicht erkennen; es bleibt daher bei dem "gesetzlichen Erbrechte der Beklagten", das will heißen, bei der Vorschrift des §. 368 A.L.R. 1.9, wonach der Erbe das Eigentum der Erbschaft nebst allen damit verbundenen Rechten und Pflichten erwirbt.
In allen diesen Erwägungen ist eine Rechtsverletzung nicht zu erkennen. Die Anwendung der Auslegungsregel des §. 520 I. 12 ("auch muß im zweifelhaften Falle die Auslegung zum Vorteile des eingesetzten Erben gemacht werden") ist zutreffend. Gerade das Verhältnis des Honorierten zu dem Onerierten, des Legatars zum Erben hat diese Vorschrift im Auge, entsprechend der allgemeinen, für die Auslegung von Rechtsgeschäften geltenden Regel, daß die Willenserklärung im Zweifel, d. h. wenn alle übrigen Auslegungsregeln nicht zutreffen, wenn also, wie das vormalige Obertribunal in dem erwähnten Urteile4 es ausdrückt, in dem streitigen Falle kein anderer Entscheidungsgrund sich darbietet, auf die dem Verpflichteten am wenigsten fühlbare Weise auszulegen ist (§. 268 A.2.R. I. 5). Der gegen die Anwendung des §. 520 erhobene Revisionsangriff erscheint nicht gerechtfertigt. Es ist ausgeführt worden, nach der besonderen Vorschrift des §. 332 a. a. O. sei der Legatar nur in dem Falle des §. 325 ebenda schuldig, die Lasten der Erbschaftsmasse tragen zu helfen, die Voraussetzung des §. 335 in Verbindung mit §. 326 ebenda aber liege nicht vor. Denn wenn es auch an einer ausdrücklichen Verordnung des Erblassers fehle, so seien doch die dem Erblasser beziehungsweise seiner Erbin in betreff der Hypothek zustehenden Befugnisse, wie immer dieselben aufgefaßt werden mögen, nicht als eine Last zu betrachten, welche, abgesehen von der Anordnung des Legates, von der Erbin getragen werden müßte. Indessen das Verhältnis zwischen der Erbin und der Legatarin bildet ja gerade den Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreites, und es darf daher von diesem Verhältnisse nicht abgesehen werben. Wenn aber nach dem Vorbemerkten der eingetragene Eigentümer das Gläubigerrecht einer bezahlten Post schon durch die Tilgung erwirbt, so ist dieses Gläubigerrecht gegenüber dem Legatar des verpfändeten Grundstückes unzweifelhaft eine auf dem Grundstücke haftende Last, und zwar das von der Erbin mit der Erbschaft erworbene Gläubigerrecht. Auf das Rechtsverhältnis zwischen dem Erben und dem Legatar bezieht sich aber die Auslegungsregel des §. 520 A.L.R. I. 12.
Hiernach war die Revision zurückzuweisen und die Revisionsklägerin in die Kosten des erfolglosen Rechtsmittels zu verurteilen."
- 1. vgl. Entsch. des Obertrib. Bd. 49 S. 152.
- 2. Vgl. Entsch. des R.G.'s in Civils. Bd. 5 S. 312.
- 3. Vgl. Koch, Erbrecht S. 1109; Dernburg, Privatrecht 3. Aufl. Bd. 3 S. 413; Eccius in der 4. Aufl. des Förster'schen Privatrechtes Bd. 4 S. 412 Anm. 52. Dagegen Gruchot, Preußisches Erbrecht Bd. 1 S. 598.
- 4. vgl. Entsch. des Obertrib. Bd. 49 S. 156.