RG, 26.02.1880 - Va 117/79
Ist das Recht, in einem Privatgewässer Krebse zu fangen, eine Berechtigung zur Fischerei, welche nach Artt. 1 und 12 des Gesetzes vom 2. März 1850 seit dem Inkrafttreten dieses Gesetzes durch Verjährung nicht mehr erworben werden kann?
Tatbestand
Mehrere Grundbesitzer zu Hochfelde nahmen auf Grund der Ersitzung das Recht in Anspruch, in dem Schmadow-See Krebse zu fangen, und klagten gegen den Eigentümer des Sees, den Rittergutsbesitzer v. B., auf Anerkennung dieses Rechtes.
Das die Kläger abweisende erste Erkenntnis wurde in zweiter Instanz bestätigt. Der Appellationsrichter nahm an, daß nach den §§. 170 bis 175 A.L.R. I. 9 das Recht, in einem Gewässer Krebse zu fangen, in dem Rechte zur Fischerei enthalten sei, und daß hierin der §. 2 des Fischereigesetzes vom 30. Mai 1874 mit den Vorschriften des A.L.R.'s übereinstimme. Daraus folgerte er nach Art. 12 des Gesetzes vom 2. März 1850, betreffend die Ergänzung und Abänderung der Gemeinheitsteilungsordnung vom 7. Juni 1821, daß die Kläger das beanspruchte Recht durch Ersitzung nur würden haben erwerben können, wenn diese bereits am 24. März 1850, als dem Tage, an welchem das Gesetz vom 2. März 1850 im Regierungsbezirk Cöslin in Kraft getreten ist, vollendet gewesen wäre, und stellte fest, daß dies von den Klägern nicht nachgewiesen sei.
Die von den Klägern auf die Verletzung der §§. 170 bis 175 A.L.R. I. 9, des Art. 1 des Gesetzes vom 2. März 1850 und des §. 2 des Fischereigesetzes vom 30. Mai 1874 gestützte Nichtigkeitsbeschwerde ist zurückgewiesen.
Gründe
"Es kann dahingestellt bleiben, ob die Bestimmungen des späteren Gesetzes vom 30. Mai 1874 einen Rückschluß darauf zulassen, daß das Recht zum Krebsfange inbegriffen ist in der Berechtigung zur Fischerei in stehenden und fließenden Privatgewässern, welche der Art. 1 des Gesetzes vom 2. März 1850 für ablösbar erklärt, und welche seit dem Inkrafttreten dieses Gesetzes nach Art. 12 durch Verjährung nicht mehr erworben werden kann. Der Appellationsrichter erwähnt den §. 2 des Gesetzes vom 30. Mai 1874 nur insofern, als er in ihm eine Übereinstimmung mit den einschlägigen Vorschriften des Allgemeinen Landrechtes findet, und auf diese geht er bei Erwägung der streitigen Frage jedenfalls mit Recht ein; denn sie hatten zweifellos Geltung, als das Gesetz vom 2. März 1850 erging, und es ist kein Grund zu der Annahme vorhanden, daß dieses Gesetz mit der Berechtigung zur Fischerei einen anderen Sinn hat verbinden wollen, als den gesetzlichen. Die §§. 170 bis 175 A.L.R. I. 9 aber, auf welche der Appellationsrichter sich beruft, bezeichnen sehr bestimmt diejenigen Tiergattungen, welche als Gegenstand der Fischerei anzusehen sind, und stellen den Ungrund des erhobenen Angriffes außer Zweifel.
Der §. 170 a. a. O. schreibt vor:
Soweit jemand mit der Fischereigerechtigkeit in Strömen, Seeen und anderen Gewässern versehen ist, soweit hat er ein ausschließliches Recht, sich alle in diesen Gewässern lebende Tiere anzueignen, und die folgenden Paragraphen nehmen hiervon nur einzelne, vorliegend nicht in Frage stehende, Tiergattungen, als zur Jagd gehörig, aus.
Danach gehört zur Fischerei, außer den: Fang von Fischen, auch der von anderen nutzbaren Wassertieren, soweit sie nicht Gegenstand des Jagdrechtes sind, also namentlich der Fang von Krebsen. Hierüber kann um so weniger ein Zweifel obwalten, als der §. 78 A.L.R. II. 15 auf die §§. 170 bis 192 A.L.R. I. 8 als die Vorschriften hinweist, durch welche der Umfang, die Grenzen und Einschränkungen einer jeden Fischereigerechtigkeit bestimmt sind, und der §. 190 a. a. O. neben dem Fischen im engeren Sinne ausdrücklich auch das Krebsen erwähnt und dieses bei unbefugter Ausübung jenem gleichstellt. Es ist daher unerfindlich, wie die Nichtigkeitsbeschwerde aus den einschlagenden Vorschriften folgern will, daß die Gesetze das Krebsen von dem Fischen ganz erkennbar trennen. Wenn sie aber auf den Wortlaut des Ausdruckes "Fischerei" Gewicht legt und daraus folgert, daß unter Fischerei nur das Fangen von Fischen verstanden werden könne, so übersieht sie, daß die grammatische Wortinterpretation da keine Anwendung finden kann, wo das Gesetz mit einem Ausdrucke einen anderen, als den sich aus dem Wortlaute ergebenden Begriff verbindet.
Zuzugeben ist der Nichtigkeitsbeschwerde, daß das Recht, Krebse zu fangen, als ein besonderes Recht vorkommen kann und als ein solches vorliegend geltend gemacht ist. Um deshalb, weil dieses Recht gesondert auftritt, hört es aber noch nicht auf, ein Fischereirecht zu sein. Da Krebse zu denjenigen Tieren gehören, welche nach dem Gesetze Gegenstand der Fischerei sind, so ist das Recht, sie zu fangen, ein Fischereirecht, wenn dieses auch in betreff der Tiere, welche der Berechtigte sich aneignen darf, ein beschränktes ist. Als ein solchergestalt beschränktes Fischereirecht aber unterliegt es ebenso, wie jedes andere Fischereirecht, den Vorschriften der Artt. 1 und 12 des Gesetzes vom 2. März 1850; denn der Art. 1 a. a. O. spricht ganz allgemein von der Berechtigung zur Fischerei und unterscheidet nicht, ob Gegenstand der Berechtigung sämtliche fischbaren Tiere sind, oder ob die Berechtigung auf einzelne Tiergattungen beschränkt ist."