RG, 26.01.1884 - I 476/83
1. Verhältnis des Schenkungswillens zu anderen Beweggründen, welche den Handelnden bei seiner Vermögenszuwendung leiten.
2. Behauptungs- und Beweislast in Beziehung auf den Schenkungscharakter der nicht gerichtlich insinuierten Vermögenszuwendung.
Tatbestand
Nach der Behauptung der Klägerin hatte die Ehefrau des beklagtischen Erblassers I. W. auf ihrem Sterbebette der Klägerin den Auftrag erteilt, ihrem Manne (dem beklagtischen Erblasser) zu sagen, er solle unter der Bedingung, daß die Klägerin bis zu seinem Tode bei ihm bleibe, derselben 6000 Gulden geben, und hatte der beklagtische Erblasser, der unbestritten Erbe seiner Ehefrau geworden war, als die Klägerin nach dem Tode seiner Ehefrau jenen Auftrag ausrichtete, die Verpflichtung, dem mitgeteilten Willen seiner Ehefrau nachzukommen, anerkannt und der Klägerin das entsprechende Versprechen gegeben. Da nun die Klägerin bis zu seinem Tode bei ihm geblieben war, klagte sie gegen seinen Universalerben auf Auszahlung der 6000 Gulden gleichkommenden Summe in deutscher Reichswährung. Die beiden Instanzgerichte verwarfen aus Rechtsgründen den von der Klägerin in erster Reihe betonten Gesichtspunkt des Oralfideikommisses; das Oberlandesgericht machte die Entscheidung von einem der Klägerin zuerkannten Eide über die von ihr behaupteten verpflichtenden Äußerungen des beklagtischen Erblassers abhängig. Da nur der Beklagte Revision eingelegt hatte, so fand das Reichsgericht keine Veranlassung, die Frage wegen des Oralfideikommisses zu entscheiden, und wies im übrigen die Revision zurück.
Gründe
... "Als an sich begründet erschien die Rüge, daß das Oberlandesgericht den Begriff der Schenkung verkannt habe, wenn es den Schenkungscharakter dem Versprechen des I. W. deswegen auf alle Fälle absprechen zu können meint, weil sein Beweggrund dabei nur in der Absicht bestanden habe, den Erfolg herbeizuführen, welchen seine Frau in Rücksicht auf die Dienerschaft und namentlich auf die Klägerin herbeigeführt zu sehen seiner Meinung nach gewünscht gehabt habe, und hierdurch seine Hochschätzung und Verehrung seiner Frau äußerlich zu bethätigen. In Wirklichkeit würde nichtsdestoweniger das Versprechen sich als Schenkung darstellen, wenn I. W. dabei von der bestimmten Vorstellung ausgegangen wäre, daß ihm keine Rechtspflicht obliege, der fraglichen Verfügung seiner verstorbenen Ehefrau nachzukommen, und wenn, wie das Berufungsgericht annimmt, ihm eine solche Rechtspflicht auch wirklich nicht obgelegen hätte (l. 47 Dig. de op. lib. 38, 1; l. 12 Dig. de nov. 46, 2; l. 53 Dig. de R. J. 50, 17). Dann würde eben der Wille, die Klägerin aus seinem Vermögen zu bereichern, wie die Bereicherung selbst unmittelbar zu Tage liegen, und es würde nicht etwa, wie doch das Berufungsgericht anzunehmen scheint, noch Raum für eine besondere thatsächliche Feststellung bleiben, ob die "erste Absicht" des Versprechenden auf diese Bereicherung gerichtet gewesen sei. Auch der von dem Oberlandesgerichte angeführte Windscheid (Pandektenrecht Bd. 2, 5. Aufl. §. 365 Anm. 4 S. 380 flg.) sagt nicht, daß in Fällen dieser Art die Leistung regelmäßig, sondern daß sie schlechthin zur ersten Absicht die Bereicherung des Empfängers gehabt habe. Der anderweitige Beweggrund des Leistenden schließt diese Bereicherungsabsicht keineswegs aus, sondern ist dann eben Beweggrund gerade für diese Absicht. Der hier dargelegte Rechtsirrtum des Berufungsgerichtes würde allerdings eine Aufhebung des vorigen Urteiles jedenfalls nur für den, den Wert von 500 Dukaten übersteigenden Belauf rechtfertigen, weil, soweit die Schenkung, da eine gerichtliche Insinuation derselben nicht in Frage steht, nach l. 36 §. 3 Cod. de don. 8, 54 und §. 2 Inst. eod. 2, 7 ungültig sein würde. Indessen war auch soweit von der Aufhebung nach §. 526 C.P.O. deswegen abzusehen, weil sich die Entscheidung aus einem anderen Grunde als richtig darstellte. Es war nämlich selbst von dem Standpunkte aus, daß ein den I. W. bindendes Vermächtnis seiner Ehefrau nicht vorgelegen habe, kein Grund erkennbar, die Frage, ob das von ihm der Klägerin gegebene Versprechen der demselben zu Grunde liegenden Absicht zufolge den Schenkungscharakter an sich getragen habe, überhaupt in Erörterung zu ziehen. Denn ohne weiteres trat jedenfalls die Schenkungsabsicht des I. W. nicht dabei zu Tage; es war aus den gebrauchten Worten an sich durchaus nicht zu entnehmen, ob er gegen die Klägerin eine Liberalität üben, oder ihr nur die Erfüllung einer ihm nach seiner Meinung obliegenden rechtlichen Verpflichtung versprechen wollte. Auch unter der letzteren Voraussetzung wäre freilich das Versprechen vielleicht, und zwar sogar seinem ganzen Umfange nach, für ihn unverbindlich gewesen; aber damit Veranlassung vorliege, die Einrede der Nichtschuld oder die der übermäßigen Schenkung überhaupt in Erwägung zu nehmen, hätten erst nach der einen oder der anderen Richtung hin vonseiten des Beklagten bestimmte Behauptungen aufgestellt werden müssen. Solches war aber nicht geschehen; denn die von dem Beklagten in der Berufungsinstanz deduktionsweise gethane Äußerung, daß, wenn eine Schenkung angenommen werden sollte, jedenfalls die Formvorschrift nicht gewahrt sei, war eben keine thatsächliche Behauptung." ...