RG, 06.04.1880 - II 209/79

Daten
Fall: 
Zession der Klage an einen Dritten zur Ausübung im eigenen Namen
Fundstellen: 
RGZ 1, 315
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
06.04.1880
Aktenzeichen: 
II 209/79
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • Handelsgericht Nürnberg
  • Handelsappellationsgericht Nürnberg

1. Kann das durch §. 7 Abs. 2 des Haftpflichtgesetzes gewährte Recht, auf Aufhebung oder Minderung einer zuerkannten Rente zu klagen, an einen Dritten zur Ausübung im eigenen Namen gültig cediert werden?
2. Läßt sich der bezügliche Rechtsstreit als Fortsetzung des früheren Rechtsstreites, infolge dessen die Rente zuerkannt wurde, auffassen?

Tatbestand

Durch Urteil des Handelsgerichtes Nürnberg vom 27. Juni 1877 wurde der Eisengießereibesitzer B. schuldig erklärt, dem Eisengießer Z. auf Grund des Haftpflichtgesetzes Entschädigung zu leisten, insbesondere eine wöchentliche Rente von 12 Mark zu zahlen.

B. war gegen die Folgen der gesetzlichen Haftpflicht bei der Magdeburger Versicherungs-Gesellschaft versichert, welche demzufolge namens des B. die Rente zahlte.

Auf Grund des §. 15 der Versicherungsbedingungen, welcher lautet:
"Der Versicherungsnehmer ist verpflichtet, das ihm zustehende Recht, bei veränderten Verhältnissen die Aufhebung oder Minderung der Rente zu fordern, an die Gesellschaft zu eigener Ausübung abzutreten"

cedierte B. am 14. Oktober 1878 sein bezügliches Recht an die Magdeburger Gesellschaft, welche auf Grund dieser Cession Klage gegen Z. erhob, mit dem Antrage, die dem Beklagten zugesprochene Rente aufzuheben, eventuell zu ermäßigen.

In zwei Instanzen mit dieser Klage zurückgewiesen, erhob sie Nichtigkeitsbeschwerde, welche verworfen wurde aus folgenden Gründen:

Gründe

"Nach thatsächlicher Feststellung ist Klägerin zu Z. in ein Obligationsverhältnis nicht getreten, vielmehr gründet sie ihr Klagrecht ausschließlich auf die Cession; es fragt sich also, ob B., als Schuldner der in Frage stehenden Rente, das ihm nach §. 7 Abs. 2 des Haftpflichtgesetzes zustehende Recht, bei veränderten Umständen Aufhebung oder Minderung dieser Rente zu verlangen, der Magdeburger Versicherungs-Gesellschaft zur eigenen Ausübung rechtswirksam cedieren und letztere auf Grund dieser Cession in eigenem Namen klagen konnte.

Diese Frage ist mit dem Appellationsrichter zu verneinen.

Das zur Anwendung kommende preußische Landrecht bestimmt allerdings in I. 11. §. 382, daß alle Rechte, welche nicht an die Person des Inhabers gebunden sind, anderen abgetreten werden können, allein es hat dabei, ebenso wie das gemeine Recht, von welchem es in dieser Beziehung nicht abweicht, nur Forderungsrechte im engeren Sinne im Auge, d. h. Rechte, deren Gegenstand eine an sich einen Vermögenswert darstellende Leistung ist, bei welchen also der Berechtigte als Gläubiger, der Verpflichtete als Schuldner im engeren Sinne dieser Worte erscheint.

Nicht jedes Klagerecht ist in diesem Sinne ein Forderungsrecht, denn der Umstand, daß ausnahmsweise dem Schuldner die Rolle des Klägers zufällt, kann nicht bewirken, daß die Natur des Obligationsverhältnisses sich ändere und der Schuldner zum Gläubiger werde. Wenn der Schuldner in Fällen, wo dies statthaft ist, mit der condictio sine causa oder der condictio indebiti bloß die Befreiung von einem Schuldversprechen verlangt oder wenn er Klage auf Nichtbestehen des Schuldverhältnisses (§. 231 der Zivilprozeßordnung) erhebt, so fordert er allerdings etwas, wie denn jede Klage begriffsgemäß ein Begehren voraussetzt, allein ein Forderungsrecht im vorbesagten Sinne macht er hiermit nicht geltend, sondern nur eine Befugnis, die aus dem Schuldverhältnisse selbst entspringt und so untrennbar mit demselben verbunden ist, daß sie ebensowenig durch Cession auf eine andere Person übertragen werden kann, als die Schuld selbst. In gleicher Weise verhält es sich mit der in Frage stehenden, durch §. 7 Abs. 2 des Haftpflichtgesetzes gewährten Befugnis, Aufhebung oder Minderung einer zuerkannten Rente zu verlangen. Auch hier handelt es sich - soweit nicht etwa die Rückerstattung bereits gezahlter Renten in Frage steht - dem Wesen nach nur um ein Bestreiten der Schuld und läßt sich diese Befugnis von der Schuld selbst nicht trennen.

Daß es nicht statthaft sein kann, fragliche Befugnis von der Schuld loszulösen und durch Cession auf einen anderen zu übertragen, tritt klar zu Tage, wenn man sich die Folgen vergegenwärtigt, welche im vorliegenden Falle eintreten müßten, falls die Cession eines eigentlichen Forderungsrechtes in Frage stünde.

Läge eine solche Cession vor, so müßte die Cessionarin in der Lage sein, auf Grund derselben für sich selbst etwas zu verlangen, insbesondere, daß Z. anerkenne, an sie keine Forderung zu haben. Dies ist aber nicht der Fall, denn die Klägerin konnte nur verlangen und hat nur verlangt, daß die Schuld ihres angeblichen Cedenten aufgehoben oder gemindert werde.

Bei derselben Unterstellung dürfte das Recht, welches der Cedent abgetreten hat, nach Kundgabe der Cession von ihm selbst nicht mehr ausgeübt werden; es müßte in das ausschließliche Eigentum der Cessionarin übergegangen sein. Nun wird man aber nicht behaupten können, daß B. durch fragliche Cession das Recht verloren habe, seine Schuld zu bestreiten oder, was dasselbe ist, auf Aufhebung oder Minderung derselben zu klagen. Es wird sogar anzuerkennen sein, daß die einfache Erklärung des B., er verpflichte sich die Rente in ungemindertem Betrage fortzuleisten, den vorliegenden Rechtsstreit gegenstandslos machen würde, daß also dem angeblichen Cedenten die Verfügung über das angeblich cedierte Recht verblieben ist.

Ferner ist darauf hinzuweisen, daß Cessionen fraglicher Art, ihre Rechtswirksamkeit vorausgesetzt, in gewisser Beziehung eine Übertragung des Schuldverhältnisses enthalten würden und unter Umständen die Rechte des Gläubigers wesentlich beeinträchtigen könnten. Man würde im Grunde dem Schuldner gestatten, sich seines Schuldverhältnisses teilweise zu entledigen, wollte man ihn befugt erachten, durch eine Cession den Gläubiger zu nötigen, die Frage, ob und in welcher Höhe die Schuld bestehe, mit einem Dritten auszutragen, sich wegen der Prozeßkosten an diesen Dritten zu halten und der besonderen Beweismittel des Eides etc., welche ihm dem Schuldner gegenüber zu Gebote stehen, verlustig zu werden. Eine sehr wesentliche Beschwerung des Gläubigers würde auch darin zu finden sein, daß er genötigt würde, die Frage, ob die Schuld aufzuheben oder zu mindern, und die Frage, ob sie zu erhöhen sei, verschiedenen Personen gegenüber, in gesonderten Rechtsstreiten und vor verschiedenen Gerichten entscheiden zu lassen.

Aus vorstehenden Erörterungen ergiebt sich, daß die Cession vom 14. Oktober 1878, insofern sie der Klägerin das Recht, auf Aufhebung oder Minderung der Rente zu klagen, zur eigenen Ausübung übertrug, keine rechtliche Wirkung äußern konnte, demnach die Klage, mit welcher Klägerin dieses Recht in eigenem Namen auf Grund der Cession geltend machte, nicht berechtigt war. Insbesondere erscheint auch der Umstand, daß Klägerin die Zahlung der in Frage stehenden Rente dem Schuldner gegenüber übernommen hatte, ohne jede Erheblichkeit, da hieraus wohl sich ergiebt, daß sie ein Interesse hatte, die Schuld des B. aufgehoben oder gemindert zu sehen, vielleicht auch ein Recht, von B. zu verlangen, daß er dieses Resultat herbeiführe, keinesweges aber, daß ihr ein selbständiges Klagerecht dem Gläubiger Z. gegenüber zustand.

Die weitere Frage, ob Klägerin etwa befugt gewesen wäre, im Namen des B. (als procurator in rem suam) zu klagen, ob sie insbesondere solche Befugnis aus besagter Cession hätte herleiten können, braucht nicht erörtert zu werden, da in dieser Weise nicht geklagt ist. Auch die weitere Rüge, darauf gegründet, daß Klägerin wenigstens als Hauptintervenientin oder Nebenintervenientin zu betrachten sei, erscheint unbegründet.

Die Intervention setzt einen unter anderen Parteien anhängigen Rechtsstreit voraus, der hier nicht gegeben ist. Die Behauptung, der Rechtsstreit, welcher Aufhebung oder Minderung einer zuerkannten Rente erstrebe, sei bloß als Fortsetzung des früheren Rechtsstreites, infolge dessen die Rente einstweilen festgesetzt worden sei, zu betrachten, erscheint ungerechtfertigt. Beide Rechtsstreite, wenn auch ihrem Gegenstande nach im Zusammenhange stehend, sind prozessual völlig selbständig und werden, insofern bei dem einen der Gerichtsstand des Schuldners, bei dem anderen der Gerichtsstand des Gläubigers maßgebend ist, häufig vor ganz anderen Gerichten geführt. Es erscheint daher unstatthaft, ein bloßes Nachtragsverfahren anzunehmen, bei welchem die Parteien des Hauptprozesses ohne weiteres auch als Parteien des nachträglichen Prozesses zu gelten hätten."