RG, 11.05.1920 - VII 374/19

Daten
Fall: 
Bereicherungsklage eines Konkursverwalters
Fundstellen: 
RGZ 99, 161
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
11.05.1920
Aktenzeichen: 
VII 374/19
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Berlin
  • Kammergericht Berlin

Unterliegt die Bereicherungsklage eines Konkursverwalters der Abweisung nach § 817 Satz 2 BGB., wenn nicht nur der Prozeßgegner durch Annahme der Leistung, die ihn ungerechtfertigt bereicherte (§ 817 Satz 1), sondern auch der Gemeinschuldner durch Verwirkung der Leistung gegen die guten Sitten verstoßen hat?

Tatbestand

Anfangs 1915 hatte die mittellose Frau M. K. in Berlin ein Lebensmittelgeschäft eröffnet. Im April desselben Jahres leistete sie den Offenbarungseid. Im Oktober 1915 wurde für das Geschäft die neue Firma M. G. K und als deren Inhaberin die Tochter der Frau M. K. in das Handelsregister eingetragen. Frau M. K. blieb Geschäftsleiterin; sie kam nicht geschäftlich vorwärts. Anfangs März 1916 ging sie zu betrügerischen Vorspiegelungen über; sie gab an, daß sie fortgesetzt sehr umfassende und vorteilhafte Abschlüsse auf Lieferung von Lebensmitteln an die Heeresverwaltung tätige und Geldgebern, die sich daran beteiligten, unter Ausschluß jeden Verlustes abnorm hohe Gewinne für ihre Einlagen zu gewähren vermöchte. Durch solche Vortäuschungen ließ sich u. a. auch die beklagte Ehefrau zur Hingabe von Geldmitteln an Frau K. bestimmen. Sie schloß mit Frau K. den Vertrag vom 9. März 1916 ab. der für die Einlage einen Gewinnanteil von "nicht unter 15 %" für jeden halben Monat festsetzt. Im Juli 1916 wurde der Gewinnanteil auf 20 % für je 10 Tage erhöht. Im Laufe der Geschäftsverbindung seit Anfang März 1916 bis 11. Januar 1917 überstiegen die von der Frau K. an die beklagte Ehefrau gezahlten Gewinnbeträge die mit 47400 M angesetzten Einlagen um 160691 M.

Am 26. Januar 1917 wurde über das Vermögen der Inhaberin der Firma M. G. K. und der Frau K. der Konkurs eröffnet. Verwalter ist in beiden Konkursen der Kläger. Er forderte mit der auf ungerechtfertigte Bereicherung und die §§ 29 flg. KO. gestützten Klage Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 160691 M und des beklagten Ehemanns zur Duldung der Zwangsvollstreckung in das eingebrachte Gut seiner Frau. Das Landgericht gab der Klage statt. Die Berufung der Beklagten wurde durch ein Teil- und ein Schlußurteil des Berufungsgerichts zurückgewiesen. Auch ihre Revision blieb erfolglos.

Gründe

"Die Grundlage für alle weiteren sachlichen und rechtlichen Würdigungen des Berufungsrichters bilden die Annahmen, daß es sich bei den Abmachungen zwischen der durch ihre Prokuristin Frau K. vertretenen Firma M. G. K. und der beklagten Ehefrau nicht um mehrere, voneinander unabhängige Abschlüsse, sondern um eine auf die Dauer berechnete, einheitliche Geschäftsverbindung handelte, und daß die Abmachungen gegen die guten Sitten verstießen und darum nichtig waren. Auf dem Boden dieser Grundauffassung untersucht das angegriffene Teilurteil, ob dem Klaganspruche nach den Vorschriften über ungerechtfertigte Bereicherung oder in zweiter Reihe nach den konkursrechtlichen Anfechtungsvorschriften stattzugeben sei.

Der Vertrag vom 9. März 19 I6, welcher die Geschäftsverbindung der Beteiligten einleitete, ist vom Berufungsrichter als ein sog. partiarischer Darlehnsvertrag bezeichnet. Ob dieser oder der von den Beklagten vertretenen Ansicht, es liege ein Gesellschaftsvertrag vor, oder endlich der Auffassung der Revisionsbeantwortung, die das Geschäft für einen einfachen Darlehnsvertrag hält, beizustimmen ist, bleibt für den Ausgang des Rechtsstreits ohne entscheidende Bedeutung. Es mag indes bemerkt werden, daß nicht ein Gesellschafts-, sondern ein Darlehnsverhältnis anzunehmen ist. Abzulehnen ist freilich die Erwägung der Vorinstanz, daß es, da der Zweck der Beteiligung an Kriegslieferungen von Frau K. lediglich vorgespiegelt sei, um ihr groß angelegtes Betrugswerk für eine gewisse Dauer durchzuführen, an der Voraussetzung der beabsichtigten Erreichung eines gemeinsamen Zweckes fehle, ohne die eine Gesellschaft nicht denkbar sei (BGB. § 705). Für die Begriffsbestimmung des Vertragsverhältnisses kann es auf den wirklichen, jedoch der Vertragsgegnerin verschwiegenen Willen der Frau K. nicht ankommen, und dem Inhalte der getroffenen Abmachungen, ließen sich auf Förderung eines gemeinsamen Zweckes zielende gegenseitige Verpflichtungen sehr wohl entnehmen. Für ein Darlehnsverhältnis spricht aber zureichend, daß die beklagte Ehefrau nur sehr beschränkte Kontrollrechte, nur Anspruch auf Berichte der Frau K., aber keinen Einfluß auf den Betrieb der vorgetäuschten Unternehmungen und kein Recht zur Einsicht des Geschäftsbuchs der Vertragsgegnerin haben sollte, daß ihr ein in seiner Mindesthöhe nach Prozentsätzen der Einlagen fest bestimmter, in gewissen Zeitabschnitten regelmäßig zahlbarer Gewinnanteil zugesichert, und daß ohne Rücksicht auf die Ergebnisse oder einen Verlust der ins Auge gefaßten Unternehmungen ein Kündigungsrecht für die Geschäftseinlage mit nur einer Woche Frist vorgesehen ist. Nach der ursprünglichen Abrede sollten für das von der Beklagten hingegebene Kapital halbmonatlich mindestens 15 %, nach späterer Abrede sollten dafür sogar 20 % auf je 10 Tage vergütet werden. Daß und wie etwa die Beklagte in der Lage gewesen sein sollte, Ansprüche auf höhere als die bezeichneten Prozentziffern zu begründen, ist nicht zu ersehen. Hält man darum fest, daß ihr Kapital anfangs halbmonatlich mit 15 % und später dreimal im Monat mit 20 % zu verzinsen war, so wird die Auffassung eines einfachen Darlehnsverhältnisses der Sachlage nach besser gerecht als die im Teilurteil vertretene Annahme eines partiarischen Darlehnsverhältnisses.

Daß die den Geldeinlagen zugrunde liegenden Vereinbarungen nach ihrem aus der Zusammenfassung von Inhalt, Beweggrund und Zweck sich ergebenden Gesamtcharakter sittenwidrig waren, begründet der Berufungsrichter mit der unerhört hohen Verzinsung des von der Beklagten hingegebenen Kapitals, die im Jahre 360 % und seit der den "Gewinnanteil" der Beklagten noch erhöhenden Abmachung vom Juli 1316 sogar 720 % aus einem auf Kriegslieferungen aufgebauten Geschäfte betragen würde und nur unter wucherischer Ausnutzung der durch die Not des Krieges eingetretenen Knappheit an Lebensmitteln gegenüber der Heeresverwaltung erzielt werden konnte. Diese Würdigung ist rechtlich einwandfrei. Ihr steht nicht im Wege, daß die für die Firma M. G. K. handelnde Frau K. sich in Wirklichkeit gar nicht an Kriegslieferungen beteiligen wollte, sondern die Übernehmung solcher Lieferungen nur vorgespiegelt hat, um für sich und ihre Tochter sehr reichliche Geldmittel zu erlangen. Die andere Vertragspartei, die beklagte Ehefrau, ist getäuscht worden und hat sich in dem Vertrauen, daß durch die im Vertrage vom 9. März 1916 erwähnten Kriegslieferungen Gewinne zu erzielen sein würden, die eine Auskehrung der ihr zugesicherten "Gewinnanteile" ermöglichten, auf die Geschäftsverbindung mit der Firma eingelassen. Nur in dem Nebenpunkte, daß nach Angabe des Vertrags jedes Geschäft mit der Heeresverwaltung binnen eines halben Monats zur Abwickelung kommen werde, hat die Beklagte nach Überzeugung des Berufungsrichters der Frau K. nicht geglaubt. Daraus ließ sich aber nur folgern, daß nach Vorstellung der Beklagten die Lebensmittellieferungen der Firma K. durch die auf ihnen lastende Verzinsung des fremden Kapitals noch weit mehr verteuert werden mußten, als es schon bei den im Vertrage vorgesehenen kurzen Abwickelungsfristen der Fall wäre. Wenn nun der Berufungsrichter diesen Punkt als unerheblich beiseitegelassen und sich bei Beurteilung des Charakters der Geschäftsverbindung der Beklagten mit der Firma K. lediglich an den Inhalt der vertraglichen Abmachungen gehalten hat, so gereicht dies den Beklagten nicht zur Beschwerde. Der Inhalt der Abmachungen aber, die eine abnorm hohe Verzinsung für Geschäftseinlagen vorsehen, in Verbindung mit dem aus dem Vertragsinhalt erkennbaren Ziele der Beteiligten, die Kriegsnot des Vaterlandes zu ihrem eigenen Nutzen auszubeuten, mußte zu der ungünstigen Beurteilung des Berufungsrichters führen. Daß aus den Zinssätzen für 15 beziehentlich 10 Tage die Jahreszinssätze ermittelt und letztere für die Feststellung der Unsittlichkeit des Vertrags berücksichtigt sind, ist nicht, wie die Revision meint, als irreführend zu beanstanden. Jene Ermittelung diente zur Veranschaulichung der maßlosen Zinshöhe und war für die Beurteilung der auf die Dauer berechneten Beteiligung an der Aufbringung der Mittel für Lieferungsunternehmungen nicht sachwidrig. Mit der Erwägung der Revision, daß in Kriegszeiten, solange die Welt stehe, hohe Gewinne gemacht werden, läßt sich die Feststellung nicht widerlegen, daß die vorliegend in Betracht kommenden Abreden sittenwidrig waren.

An verschiedenen Stellen seiner Begründung spricht sich das Berufungs-Teilurteil des näheren darüber aus, wie sich die Beteiligten - einerseits Frau K., deren geschäftliche Absichten und Handlungen unbedenklich der von ihr vertretenen und geleiteten Firma M. G. K.. zuzurechnen sind, anderseits die beklagte Ehefrau - in ihrem subjektiven Bewußtsein zu ihren Abmachungen verhielten. Daß Frau K., die zur Deckung eines kostspieligen Lebensaufwands und zum Schaden von Geldgebern und anderen Gläubigern einen groß angelegten Schwindel durchführen wollte und durchführte, mit den ihren Geldleistungen an die Beklagte zugrunde liegenden Abmachungen bewußt gegen die guten Sitten verstieß, kann nicht zweifelhaft sein. Auf seiten der beklagten Ehefrau stellt das Teilurteil ein gleiches Bewußtsein, insbesondere an der Hand der im einzelnen noch näher begründeten Erwägungen fest, wonach sie im Besitz einer ganz hervorragenden geschäftlichen Erfahrung und Sicherheit ist und in ihrer Geschäftsverbindung mit der Firma K. nur aus verwerflichstem Eigennutz und schlimmster Profitgier die Not des Krieges auf dem beschränkten Lebensmittelmarkt zum Nachteil der Heeresverwaltung und damit des ganzen deutschen Volkes hat ausbeuten wollen. Gegen diese Feststellung versucht die Revision vergeblich anzukämpfen." (Das wird näher dargelegt und sodann fortgefahren:)

"Aus der Sittenwidrigkeit und Nichtigkeit (§ 138 BGB.) der vertraglichen Abreden ist zu folgern, daß an sich ein Anspruch auf Rückgewähr jener Leistungen in Höhe der Bereicherung der beklagten Ehefrau aus den §§ 812, 817 Satz 1 BGB. hergeleitet werden kann. Dem Anspruche steht nicht entgegen, daß die Leiterin und Vertreterin der genannten Firma gewußt hat. daß eine Rechtspflicht zur Zahlung der als Gewinn bezeichneten Zinsen nicht bestand. § 814 BGB. ist nur für das Gebiet der Rückforderungsfälle anwendbar, die der römisch-rechtlichen condictio indebiti entsprechen (RGZ. Bd. 71 S. 316, Bd. 97 S. 82). Eine Auffassung der vom Kläger erhobenen Bereicherungsklage als Kondiktion wegen Zahlung einer Nichtschuld würde aber die eigentliche Bedeutung der Klage nicht erschöpfen und nicht treffen. Diese entspricht im allgemeinen der condictio sine causa und insbesondere auch der condictio ob turpem causam des römischen Rechtes. Denn der Kläger macht geltend, daß die der Beklagten zugegangenen Leistungen insoweit, als er Rückerstattung fordert, eines rechtfertigenden Grundes ermangelten und auch der Empfängerin bekannt gewesen ist, daß es sich bei diesen Leistungen und ihrer Annahme wegen Sittenwidrigkeit des zugrunde liegenden Geschäfts um einen sittlich verwerflichen Zweck handelte. Auf solche Klage ist die Anwendung des § 814 nicht zu erstrecken.

Es fragt sich weiter, ob dem Bereicherungsanspruche des Klägers § 817 Satz 2 BGB. entgegensteht. Diese vom Berufungsrichter bejahte Frage ist zu verneinen. Allerdings ist die Anwendung dieser Vorschrift nicht auf die Fälle beschränkt, in denen die Bereicherungsklage gerade aus die im ersten Satze des § 817 bezeichnete Sachlage gestützt ist. § 817 Satz 2 muß als eine für alle Bereicherungsansprüche maßgebende Regel angesehen werden und kommt daher auch in Frage, insofern sich die Klage auf die allgemeine Bestimmung des § 812 BGB. stützt (RGZ. Bd. 63 S. 346, Bd. 70 S.1, Bd. 78 S. 282). Wäre es nicht zum Konkurse gekommen und hätte die Firma M. G. K. eine der vorliegenden Klage ähnliche Bereicherungsklage erhoben, so wäre ihr entgegenzuhalten, daß ihre Leiterin und Vertreterin, deren Geschäftsführung für sie maßgeblich und bindend war, nach der vertraglichen Zweckbestimmung der Leistungen, auf deren Rückerstattung sich die Klage richtet, gegen die guten Sitten verstoßen hat. Die Entscheidung kann im vorliegenden Rechtsstreite nicht schon deshalb anders ausfallen, weil die Klage von einer anderen Person, dem Konkursverwalter, erhoben ist. Wenn auch nach ständiger Rechtsprechung des Reichsgerichts der Konkursverwalter nicht als Vertreter des Gemeinschuldners oder der Konkursgläubigerschaft, sondern als ein selbständig handelndes amtliches Organ zur Durchführung des Konkurses zu betrachten ist, so setzen doch Klagansprüche des Konkursverwalters als solchen notwendig voraus, daß sie in dem Rechtskreise, zu dessen Wahrung und Verwirklichung er berufen ist, eine Grundlage finden. Er kann Anlaß zur Prozeßführung aus dem Gesichtspunkte haben, daß berechtigte Interessen der Konkursgläubiger des Schutzes bedürfen. In der Hinsicht kommen namentlich die Klageformen der konkursrechtlichen Anfechtung, auch Schadensersatzklagen (vgl. RGZ. Bd. 97 S. 107) in Betracht. Aber eine Bereicherungsklage des Konkursverwalters läßt sich nicht aus dem Gesichtspunkte, daß eine Verkürzung des Befriedigungsrechts der Konkursgläubiger wiedergutzumachen sei, begründen. Eine so begründete Klage würde auf Ausgleichung einer mittelbaren Vermögensverschiebung, nämlich vermittelt durch Bestand und Umfang des zur Gläubigerbefriedigung bestimmten, dem Gemeinschuldner gehörigen Vermögens zielen, während die gesetzlichen Ansprüche aus der ungerechtfertigten Bereicherung, abgesehen von gewissen, hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen, nur dazu dienen, unmittelbar vollzogene Vermögensverschiebungen auszugleichen (RGZ. Bd. 66 S.77, J. W. 1905 S. 80 Nr. 19). Daher ist für die Beurteilung der vorliegenden Bereicherungsklage von der Rechtslage auszugehen, wie sie sich für die Gemeinschuldnerin stellte, und dabei ist die Regel beachtlich, daß ein Konkursverwalter für die Masse nicht mehr Rechte beanspruchen kann, als dem Gemeinschuldner zustehen (RGZ. Bd. 46 S.185, Bd. 61 S. 38, Bd. 72 S. 193).

§ 817 Satz 2 BGB. erfordert jedoch eine besondere Betrachtung. Diese aus dem gemeinen Rechte übernommene Bestimmung hat nicht die Bedeutung einer für ihren Tatbestand rechtsgrundsätzlich gebotenen Folgerung. Dem rheinisch-französischen Rechte war ein solcher Satz fremd. Dort durfte die auf Grund eines unsittlichen Vertrags gewährte Leistung, auch wenn Geber und Empfänger sich der Unsittlichkeit bewußt waren, zurückgefordert werden (vgl. RG. in Puchelts Zeitschr. Bd. 23 S. 39, Bd. 24 S. 441 sowie RGZ. Bd. 40 S. 326). Aus den für die gemeinrechtliche Anschauung wichtigen Quellen seien erwähnt:

L. 3 D. 12,5: Ubi autem et dantis et accipientis turpitudo versatur, non posse repeti dicimus. ... L. 4 D. 12,5: idem si ob stuprum datum sit, vel si quis in adulterio deprehensus redemerit se; cessat enim repitio, idque Sabinus et Pegasus responderunt. § 1. Item si dederit fur, ne proderetur, quonism utriusque turpitudo versatur, cessat repetitio. L. 8 D. 12,5: ...Porro autem si et dantis et accipientis turpis causa sit, possessorem potiorem esse et ideo repetitionem cessare, tametsi ex stipulatione solutum est. L. 5 D. 12,7: ...Dixi, cum ob turpem causam dantis et accipientis pecunia numeretur, cessare condictionem et in delicto pari potiorem esse possessorem... L. 5 C. 4,7: ... Quamvis enim utriusque turpitudo versatur ac soluta quantitate cessat repetitio. ...

Die Regelung zeigt einen Strafcharakter; nur wegen seiner turpitudo war dem Geber die Kondiktion versagt (vgl. auch RGZ. Bd. 36 S. 202). Der Gesichtspunkt der Strafe trat übrigens auch in der vom römischen Recht abweichenden Regelung der §§ 205, 206 ALR. I, 16 hervor, die für derartige Fälle nur dem Fiskus die Kondiktion einräumten.

Dieser Rückblick führt den erkennenden Senat zu der Auffassung, daß § 817 Satz 2 nur den Leistenden, der eines gleichen Verstoßes gegen die guten Sitten wie der Empfänger schuldig ist, treffen und nur sein Klagerecht auf Ausgleichung der ungerechtfertigten Bereicherung ausschließen will. Die Vorschrift verneint nicht, daß eine an sich einen Anspruch auf Rückgewähr begründende Bereicherung vorliegt. Sie stellt nur, soweit der Tatbestand, auf den sie sich bezieht, sinngemäß reicht, ein Hindernis der Rechtsverfolgung auf und versagt insoweit den Rechtsschutz. Sie steht entgegen dem Leistenden selbst und, falls er bei dem grundlegenden Geschäft als Vertreter gehandelt hat, auch dem Vertretenen, und sie ist auch entgegenzuhalten etwaigen Rechtsnachfolgern oder mit der Rechtsverfolgung betrauten Vertretern dieser Personen. Ist aber über das durch die rechtsgrundlose Bereicherung verkürzte Vermögen der Konkurs eröffnet, so fehlt es an einem inneren Grunde, die Anwendung des § 817 Satz 2 auf solchen Tatbestand zu erstrecken und dem Konkursverwalter die Bereicherungsklage abzusprechen. Diesem kann, wenn er das Rückforderungsrecht ausübt, irgendein Sittenverstoß nicht zur Last gelegt werden. Er erfüllt mit der Erhebung und Durchführung der Bereicherungsklage lediglich die ihm gesetzlich obliegende Pflicht, der seiner Verwaltung und Verfügung unterliegenden Masse Werte, die ihr zufolge einer ungerechtfertigten Vermögensverschiebung entzogen waren, wieder zuzuführen (§§ 6, 177 KO.). Sonach erscheint der Klaganspruch aus den §§ 812, 817 Satz 1 begründet.... Der Einwand der Beklagten, daß die Bereicherung der Beklagten nach dem Zeitpunkte des Empfanges Verringerungen erfahren habe, ist unstatthaft. Aus den Feststellungen des Berufungs-Teilurteils, ergibt sich, daß die Beklagte durch die ihre Bereicherung herbeiführende Annahme der sogenannten Gewinne gegen die guten Sitten verstoßen hat. Infolgedessen haftet sie gemäß §§ 819 Abs. 2, 818 Abs. 4 BGB. schon vom Zeitpunkte des Erwerbs an für die Erfüllung des Bereicherungsanspruchs nach den allgemeinen Vorschriften (vgl. namentlich §§ 275 flg.) und kann sich nicht mehr auf einen nach diesem Zeitpunkt eingetretenen Wegfall der Bereicherung und die Sondervorschrift des § 818 Abs. 3 BGB. berufen." ...