RG, 11.06.1880 - II 2/80
Steht demjenigen, der beim Baue seines Hauses eine Scheidemauer zur Hälfte auf des Nachbars Eigentum, aber auf alleinige Kosten errichtet, nicht nur gegen diesen letzteren, der an die Mauer angebaut hat, sondern auch gegen dessen Rechtsnachfolger, welcher die Benutzung derselben fortsetzt, ein Ersatzanspruch zu?
Gründe
Die vorstehende Frage ist unter den thatsächlichen Voraussetzungen, welche sich aus den nachstehenden Urteilsgründen ergeben, in Übereinstimmung mit der Vorinstanz vom Reichsgerichte bejaht worden:
"In Erw., daß tatsächlich feststeht, daß von dem Kassationsbeklagten bei Gelegenheit des im Jahre 1874 erfolgten Neubaues seines näher bezeichneten Wohnhauses die südliche Giebelmauer desselben zur Hälfte auf Nachbareigentum, jedoch auf seine alleinigen Kosten errichtet worden; daß demnächst der Rechtsvorgänger des Kassationsklägers, Baumeister E., an dieselbe angebaut und Balken darin eingelegt hat, seitdem aber die fragliche Mauer diesem Hause, welches noch unvollendet am 10. April 1876 seitens des Kassationsklägers angesteigert worden, als nördliche Abschlußmauer dient;
daß letzterer nicht behauptet hat, daß von seinem genannten Rechtsvorgänger oder ihm selbst die Gemeinschaftlichkeit jener Mauer in irgend einer Weise erworben sei;
daß, wenn unter diesen Voraussetzungen das Landgericht angenommen hat, daß der Kassationskläger zur Zahlung des halben Wertes derselben versuchtet erscheine, damit rechtlich nicht verstoßen worden ist;
In Erw., daß die Vorschrift des bezogenen Art. 661 Code civ.. allerdings eine Grenzmauer zum Gegenstände hat, das demselben zu Grunde liegende Princip aber auch in Fällen der vorliegenden Art Platz greift;
daß nämlich nach dem, was thatsächlich feststeht, hier Art. 660 Code civ. Anwendung findet, und somit der Kassationsbeklagte den Nachbar zwingen konnte, eine gemeinschaftliche Scheidemauer zwischen den Grundstücken auf beiderseitige Kosten zu errichten;
daß derselbe nun dadurch, daß er die fragliche Mauer ohne vorherige Verständigung mit dem Nachbar herstellte, seines Anspruchs auf Erstattung des verhältnismäßigen Kostenanteiles um so weniger verlustig wurde, als von dem Kassationskläger und dessen Rechtsvorgänger dadurch, daß sie die Mauer in Mitbenutzung genommen haben, die Errichtung derselben nachträglich genehmigt worden ist;
daß hiernach die Thatsache allein, daß die in Rede stehende Mauer zur Hälfte auf dem zu seinem Hause gehörigen Grund und Boden erbaut ist, den Kassationskläger nicht berechtigen konnte, diese letztere als eine gemeinschaftliche in Anspruch zu nehmen, vgl. Art. 660 a. a. O.;
daß derselbe sich ebensowenig auf die Präsumtion des Art. 653 a. a. O. berufen kann, da im vorliegenden Falle feststeht, daß die Gemeinschaftlichst jener Mauer bisher nicht erworben worden ist;
daß endlich der vom Kassationskläger angerufene Satz " solo cedit, quod solo conjunctum est" die Entschädigungsfrage nicht entscheidet - vgl. Artt. 553-555 a. a. O. -, bezüglich derselben auch hier, wo es sich von einer gemeinschaftlichen Mauer handelt, besondere gesetzliche Regeln gelten;
daß nach dem Ausgeführten die eigene, durch die fortgesetzte Benutzung der fraglichen Mauer und thatsächliche Beanspruchung des Miteigentums an derselben begründete Ersatzverbindlichkeit des Kassationsklägers in Frage steht, von der letzterer sich dadurch nicht befreien kann, daß er den Kassationsbeklagten an den Vorbesitzer bezw. dessen Erben verweist."