RG, 08.06.1920 - II 340/19

Daten
Fall: 
Zweischneidiges Prämiengeschäft
Fundstellen: 
RGZ 99, 149
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
08.06.1920
Aktenzeichen: 
II 340/19
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Hamburg, Kammer für Handelssachen
  • OLG Hamburg

Hat beim zweischneidigen Prämiengeschäfte, d. h. dem Geschäft, wonach dem Prämienschuldner neben dem Rechte, entweder zu kaufen oder zu liefern, das Recht zusteht, gegen Zahlung der Prämie vom Vertrage zurückzutreten, der Wahlberechtigte die Prämie auch in dem Falle zu entrichten, wenn die Lieferung der Ware durch Zufall unmöglich wird, nachdem er sich für den Kauf entschieden hat?

Tatbestand

An 10. Februar 1914 schlossen die Parteien ein Prämiengeschäft über 10 000 Zentner Chilesalpeter per Februar/März 1915 dahin, daß dem Beklagten gegen Zahlung von 55 Pf per Zentner das Recht eingeräumt wurde, am 20. Januar 1915 zu erklären, ob er die Ware zum Preise von 9,80 M per Zentner empfangen oder liefern oder endlich die Prämie abandonnieren wolle. Am 20. Januar 1915 erklärte sich der Beklagte als Käufer. Die Klägerin schob die Lieferung des Salpeters nach Ausbruch des Krieges zunächst gemäß den Bedingungen der Schlußscheine hinaus; später, als die Verhältnisse sich grundsätzlich änderten, wurde die Erfüllung unmöglich. Gleichwohl verlangte die Klägerin vom Beklagten die Zahlung der Prämie von 55 Pf. Das Landgericht hat der hierauf gerichteten Klage entsprochen. Das Oberlandesgericht hat die Klage abgewiesen. Die Revision wurde zurückgewiesen.

Gründe

"Im Gegensatze zum ersten Richter hat der Berufungsrichter den Anspruch der Klägerin auf die Prämie zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Allerdings übernehme durch die Verpflichtung zum "Stillhalten" der eine Teil ein gewisses, unter Umständen erhebliches Risiko, und wenn man annehme, daß die Klägerin sich gegen Zahlung der Prämie verpflichtet habe, dem Beklagten den Vertrag an der Hand zu lassen, daß die Prämie verdient sei, sobald der Beklagte sich erklärt habe, und daß damit ein neuer Vertrag geschlossen sei, der dann durch Unmöglichkeit der Lieferung der Ware hinfällig würde, dann wäre der Standpunkt der Klägerin gerechtfertigt. Es dürfe aber nicht, wie das Landgericht es tue, der Vertrag in zwei selbständige Teile zerlegt und der erste Teil, die Vereinbarung über die Prämienzahlung, von dem Schicksale, dem der weitere Teil unterliegen könne, losgelöst werden. Ein Prämiengeschäft, wie es der Entscheidung ROHG. Bd. 19 S. 3 vorgelegen habe, in dem Sinne, daß der Käufer das Recht behält, vom Vertrage zurückzutreten, sei das vorliegende Geschäft nicht. Dieses nähere sich vielmehr dem Stellagegeschäft; bei einem solchen, wo der Stellagekäufer die Wahl habe, entweder zu einem bestimmten Preise zu kaufen oder zu einem niedrigeren Preise zu liefern, könne keine Rede von einer Verpflichtung des Käufers sein, unter allen Umständen die Hälfte der Spannung zu zahlen. Das vorliegende Doppelprämiengeschäft sei freilich keine reine Stellage, aber wirtschaftlich stehe es auf derselben Stufe; man hätte das Vereinbarte ebensogut so ausdrücken können, daß der Beklagte das Recht haben solle, entweder für 10,55 M zu empfangen oder für 9,45 M zu liefern. Daß hier dem Beklagten ferner noch das Recht eingeräumt worden sei, die Prämie zu abandonnieren, vermöge der Prämie nicht in allen übrigen Beziehungen diejenige Selbständigkeit zu verleihen, die Voraussetzung für den Klaganspruch wäre. Daß hier ein fester Termin für die Zahlung der Prämie nicht vereinbart, auch Vorauszahlung nicht erfolgt sei, berechtige um so mehr zu der Annahme, daß nach Auffassung der Parteien die Prämie mit der Erklärung des Käufers als Ekart in dem Kaufpreis aufgehen solle.

Was die Revision hiergegen vorbringt, ist nicht überzeugend. Vielmehr ist dem Vorderrichter beizutreten. Der Vertrag der Parteien ist weder reines Prämiengeschäft, noch eine Stellage in ihrer typischen Gestalt. Er ist eine Kombination von beidem, und in diese zwei Seiten läßt er sich leicht und sicher scheiden. Nachdem der Beklagte sich entschlossen hat, nicht zu abandonnieren, entfällt jene erstere Seite und es bedarf keiner Erörterung, ob der angezogenen Entscheidung des Reichsoberhandelsgerichts darin beizutreten wäre, daß das typische Prämiengeschäft ein einheitliches Ganzes in dem Sinne ist, daß mit dem Vertrage selbst unter allen Umständen auch der Anspruch auf die Prämie hinfällig wird. Von der hier zur Entscheidung stehenden Seite aus ist der Vertrag einschließlich der Vereinbarung der Prämie ohne Zweifel ein geschlossenes, einheitliches Ganzes. In dem Vertrage spekulieren die Parteien auf die Gestaltung des Marktpreises. Der Prämienschuldner gewinnt, wenn der Marktpreis den Vertragspreis um mehr als den Betrag der Prämie entweder übersteigt oder unter ihn zurück, geht. Im entgegengesetzten Falle gewinnt der Gegner. Die Prämie hat die Funktion, den Gegenstand der Spekulation ziffermäßig zu bestimmen. Und in dieser Funktion erschöpft sich ihre Bedeutung. Auf keinen Fall will hier der Prämienschuldner die Prämie ohne Entgelt zahlen. Für ihn liegt, wenn er Käufer ist, das Äquivalent für seine Leistung, d. i. für den vereinbarten Preis zuzüglich der Prämie, in der Ware, die er erhält, und wenn er verkauft, erhält er den vereinbarten Preis als Äquivalent nicht nur für die Ware, die er liefert, sondern auch für die Prämie, die er sich vom Preis abziehen lassen muß. Hier hat der Beklagte sich als Käufer erklärt. Nachträglich ist dem Gegner die Leistung durch einen Umstand unmöglich geworden, den weder er noch der andere Teil zu vertreten hat, und zwar die ganze Leistung. Nach § 323 BGB. hat er damit auch den Anspruch auf die Gegenleistung, die ganze Gegenleistung verloren.

Unzutreffend ist der Gedanke, daß die Prämie Entgelt für die einseitige Bindung des Prämiengläubigers sei und daher durch sein "Stillhalten" verdient werde. Diese Funktion hat die Prämie hier eben nicht. Der Gedanke muß schon daran scheitern, daß das jedenfalls nicht die einzige Funktion der Prämie wäre und sich schlechterdings nicht bemessen ließe, welcher Teil der Prämie für das eine und welcher für das andere validiert. Aber überhaupt ist der Gedanke abzulehnen. Auch die typische Stellage hat diese einseitige Bindung des Stellageverkäufers. Wenn dieser das Äquivalent dafür in der Bemessung der Preise, auf die er sich einläßt, namentlich in der Größe der Spannung, suchen muß, so liegt es hier damit nicht anders. Es ist, wie der Vorderrichter zutreffend ausführt, nur ein Unterschied in der Ausdrucksweise, wenn hier statt unterschiedener Preise für Kauf und Verkauf eine Prämie ausgeworfen, dafür dann aber für Kauf und Verkauf derselbe Preis bestimmt worden ist., Es liegt die Annahme nahe, daß es zur Bestimmung einer Prämie nur deshalb gekommen ist, weil man mit der Stellage das Prämiengeschäft hat verbinden wollen. Diese Auswerfung einer Prämie konnte man beibehalten, wenn man dafür den Kauf- und Verkaufspreis einheitlich bestimmte. Es ist nicht einzusehen, welchen sachlichen Unterschied es machen sollte, wenn die Parteien unter Fortlassung der Prämie bestimmt hätten, der Beklagte solle das Recht haben, entweder für 10,55 M zu kaufen oder für 9,45 M zu liefern. Es liegt dann aber auch kein Grund vor, einen juristischen Unterschied zu machen. Auf keinen Fall kann daraus eine so weitgehende Folgerung gezogen werden, wie die Klägerin es will."...