RG, 11.06.1920 - VII 496/19

Daten
Fall: 
Eigentumserwerbs an beweglichen Sachen
Fundstellen: 
RGZ 99, 208
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
11.06.1920
Aktenzeichen: 
VII 496/19
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Flensburg
  • OLG Kiel

Zur Frage des Eigentumserwerbs an beweglichen Sachen,
a) wenn dem Veräußerer ein stiller Stellvertreter gegenübersteht und es jenem gleichgültig ist, an wen er das Eigentum überträgt,
b) wenn der Eigentümer und unmittelbare Besitzer den dinglichen Übereignungsvertrag mit sich selbst als dem Vertreter und künftigen Besitzdiener eines anderen abschließt.

Tatbestand

Auf Grund eines vollstreckbaren Titels gegen Paul St., den Sohn der Klägerin, sind im Auftrage des Beklagten in T. zwei Pferde gepfändet worden. Die Klägerin nimmt diese Pferde als ihr Eigentum in Anspruch und hat beantragt, die Pfändung für unzulässig zu erklären. Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab. Die Revision hatte Erfolg.

Gründe

1.

... "Das Oberlandesgericht läßt die Möglichkeit offen, daß Paul St. die Pferde im Namen der Klägerin erwerben sollte und wollte, stellt aber fest, daß sein etwaiger Wille, für die Klägerin aufzutreten, weder aus seinen Erklärungen, noch aus den Umständen erkennbar war. Es nimmt weiter zutreffend an, daß gleichwohl und trotz der an sich auch für das dingliche Erwerbsgeschäft maßgebenden Regel des § 164 Abs. 2 BGB. das Eigentum an den Pferden sofort auf die Klägerin übergehen konnte, wenn es dem Veräußerer gleichgültig war, auf wen er das Eigentum übertrug. Das aber verneint das Oberlandesgericht mangels jeden tatsächlichen Anhalts, und weil im Pferdehandel die Person des Geschäftsgegners dem Verkäufer durchaus nicht gleichgültig zu sein pflege. Hier bleibt zweifelhaft, ob der Berufungsrichter das schuldrechtliche und das dingliche Geschäft genügend auseinandergehalten hat. Den Kaufvertrag hatte der Verkäufer R. nach § 164 Abs. 2 BGB. mit Paul St. persönlich abgeschlossen, nur dieser war berechtigt, daraus Ansprüche herzuleiten, namentlich die im Pferdehandel häufig eine große Rolle spielenden Gewährleistungsansprüche zu erheben. Dabei verblieb es auch dann, wenn das Eigentum der Pferde von vornherein auf die Klägerin übertragen wurde. Die Vertragsansprüche stehen demjenigen zu, der den schuldrechtlichen Vertrag abgeschlossen hat, nicht demjenigen, der auf Grund des Vertrages das Eigentum erworben hat. Warum der Verkäufer Wert darauf gelegt haben sollte, das dingliche Übereignungsgeschäft gerade mit Paul St. persönlich abzuschließen, sagt das Oberlandesgericht nicht, und es ist auch nicht ohne weiteres ersichtlich. Der Kaufpreis wurde sofort bar bezahlt. Rücksichten darauf, daß die Pferde in der Hand seines Geschäftsgegners eine gewisse Sicherheit für eine etwaige Restkaufgeldforderung bilden sollten, konnten also nicht maßgebend sein. Nun gibt gewiß jeder Verkäufer von Pferden diese gern an jemanden ab, von dem er annehmen kann, daß er die Pferde gut behandeln und sorgfältig pflegen wird. Aber dieser Gesichtspunkt scheidet hier aus. Nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts handelte es sich nicht um Ackerpferde, sondern um Luxuspferde, und der Verkäufer verkaufte sie mit dem Bewußtsein, daß der Erwerber sie nicht behalten, vielmehr weiterveräußern wolle. Wer Pferde an einen Händler abgibt, weiß nie, wo sie für die Dauer hingelangen. Aber selbst wenn zugestanden wird, daß der oben erörterte Gesichtspunkt auch bei der Abgabe von Pferden an einen Händler eine Rolle spielen kann, so ist doch aus den Darlegungen des Berufungsrichters jedenfalls nicht zu ersehen, daß und warum es der Fall gewesen sein sollte.

2.

Das Oberlandesgericht erwägt zutreffend, daß Paul St., der nach seiner - des Oberlandesgerichts - Auffassung zunächst Eigentümer der Pferde geworden sein soll, das Eigentum daran durch einen gemäß §181 BGB. "in sich" geschlossenen dinglichen Vertrag auf die Klägerin übertragen konnte, wenn er seinen Besitzänderungswillen irgendwie erkennbar betätigte. Um ein Rechtsgeschäft welcher Art es sich dabei gehandelt hätte, sagt der Berufungsrichter nicht. Nach den Behauptungen der Klägerin kam nur Übereignung nach § 929 Satz 1, nicht nach § 930 in Frage. Die Klägerin bezeichnet ihren Sohn als den Verwalter ihrer Ackerstelle und als einen in ihrem Dienste stehenden Angestellten ihres Pferdehandelsgeschäfts. Pferde, die Paul St. auf Grund eines dieser Rechtsverhältnisse in seiner tatsächlichen Gewalt hatte, standen nicht in seinem unmittelbaren und dem mittelbaren Besitze der Klägerin (§ 868 BGB.), sie standen vielmehr in unmittelbarem Besitze der Klägerin und Paul St. war nur deren Besitzdiener (§ 855 BGB.). Im Sinne des Oberlandesgerichts fragte es sich also, ob Paul St. als Eigentümer und unmittelbarer Besitzer der Pferde mit sich selbst als dem Vertreter und künftigen Besitzdiener der Klägerin einen dinglichen Vertrag dahin abgeschlossen hat, daß das Eigentum an den Pferden auf die Klägerin übergehen sollte, ob er auch den Besitz auf die Klägerin hat übertragen und die tatsächliche Gewalt über die Pferde nur noch als Besitzdiener der Klägerin hat behalten wollen, und ob er dies letztere äußerlich in erkennbarer Weise betätigt hat. Die grundsätzliche Zulässigkeit eines solchen "Insichgeschäfts" nimmt das Oberlandesgericht mit Recht an, es unterstellt auch, daß der Übereignung- und der Besitzübertragungswille bei Paul St. vorhanden gewesen sei, vermißt aber die äußere Betätigung des Besitzwechsels und bemerkt dazu: "anstatt die Pferde auf die Landstelle der Klägerin zu bringen, brachte er sie sofort nach T., um sie dort auf dem Markt weiterzuverkaufen". Dabei übersieht der Berufungsrichter, daß die Klägerin behauptet und Paul St. als Zeuge uneidlich bestätigt hatte, er habe die Pferde im Auftrage der Klägerin auf dem Markt in T. verkaufen sollen. Ist das richtig, so kann in den Maßnahmen des Paul St. vielleicht die vom Berufungsrichter vermißte äußere Betätigung des Besitzwechsels gefunden werden. Fuhr Paul St. als Beauftragter der Klägerin mit den Pferden nach T., so hatte er zwar noch die tatsächliche Gewalt über die Pferde, aber er übte sie nur noch als Angestellter der Klägerin in ihrem Erwerbsgeschäft, für sie und nach ihren Weisungen aus. Für jeden Dritten erkennbar brauchte der Besitzwechsel nicht zu sein. Was für die Verwandlung unmittelbaren Eigenbesitzes in unmittelbarem Fremdbesitz auf der Grundlage der §§ 930. 868 BGB. ausgesprochen ist (J.W. 1912 S. 797 Nr. 15, 1917 S. 217 Nr. 6; L.Z. 1916 S. 383), das muß auch für die Umwandlung unmittelbaren Eigenbesitzes in Besitzdienerschaft gelten. Es genügte also, wenn der Wechsel überhaupt, und sei es auch nur für einen mit den Verhältnissen Vertrauten, erkennbar war. Ob das der Fall war, ist eine vom Oberlandesgericht noch nicht geprüfte Tatfrage. Wenn die Klägerin ihren Sohn mit dem Auftrag zur Bahn sandte, die dort angekommenen Pferde in Empfang zu nehmen und auf den Markt nach T. zu bringen, so konnte vielleicht aus der Abfahrt des Sohnes zur Bahn und daraus, daß die Pferde nicht alsbald auf die Landstelle der Klägerin gebracht wurden, zur Gewißheit entnommen werden, daß der Sohn ihre Aufträge befolge." ...