RG, 28.10.1920 - VI 261/20
Ort und Art der Beerdigung, wenn der Verstorbene darüber letztwillig nicht verfügt hat.
Tatbestand
Am 22. April 1918 starb in Hamburg die Mutter der Parteien; außer diesen hinterließ sie noch fünf Kinder. Ihr Mann, von dem sie lange Zeit bis zu ihrem Tode getrennt gelebt hatte, war 1914 gestorben und ist in dem vom Kläger für seine Familie gekauften Erbbegräbnis auf dem O.er Friedhofe beigesetzt worden. Beim Tode der Mutter entstand zwischen den Parteien Streit über den Ort, an dem sie bestattet werden sollte. Der Kläger wollte sie in seinem Familiengrabe, die Beklagte dagegen in dem auf ihren Namen gekauften Familiengrabe beisetzen. Im Verfahren über eine einstweilige Verfügung verglichen sie sich dahin, daß die Leiche "vorläufig" in einem von der Friedhofsdeputation anzuweisenden Grabe beigesetzt werde. Dies ist geschehen.
Mit der Klage wird die Einwilligung der Beklagten verlangt, daß die Leiche der Mutter aus der bisherigen Grabstätte herausgenommen und in dem auf den Namen des Klägers stehenden Familiengrab auf dem Zentralfriedhof in O. beigesetzt werde. Der Kläger behauptet, die Mutter habe Anfang 1918 geäußert, sie wolle dort und zwar neben ihrem Manne beerdigt werden; auch die Mehrheit der Geschwister sei noch heute der Meinung, daß sie bei ihrem Manne zu beerdigen sei. Die Beklagte erklärt, sie wolle jetzt nur, daß die Mutter in dem neutralen Grabe ruhen bleibe; die Mutter habe wiederholt geäußert, daß sie nicht bei ihrem Manne, sondern im eigenen Grabe beerdigt sein wolle.
Die Klage wurde in allen Rechtszügen abgewiesen, vom Reichsgericht aus folgenden Gründen:
Gründe
Über die Zulässigkeit des Rechtswegs, die die Beklagte nachzuprüfen anregt, kann kein Zweifel sein. Läge eine formgerechte letztwillige Anordnung des Verstorbenen über die Art seiner Bestattung vor, so würde diese von seinen Erben oder Vermächtnisnehmern nach den Grundsätzen, die für letztwillige Verfügungen überhaupt und über eine Auflage im Sinne des § 1940 BGB. insbesondere gelten, zu befolgen sein. Aber auch wenn jemand über seine Bestattung keine solche letztwillige Anordnung getroffen hat, wird seinen hinterbliebenen Angehörigen oder Erben (die hier dieselben Personen sind) die privatrechtliche Befugnis nicht zu bestreiten sein, dem Verstorbenen die letzte Ruhestätte zu gewähren. Wenn aber über diese Befugnis Streit entsteht, so gebührt darüber nach § 13 GVG. auch den ordentlichen Gerichten die Entscheidung. Es genügt, dazu auf das Urteil des IV. Zivilsenats vom 13. März 1913 IV 590 / 12 (Warneyer 1913 Nr. 303) zu verweisen, wo in einem ebenfalls die Umbettung einer Leiche betreffenden Falle die Zulässigkeit des Rechtswegs unter Anführung der in dieser Hinsicht feststehenden Rechtsprechung des Reichsgerichts mit ausführlicher Begründung bejaht ist. Hier, wo die Mutter der Parteien über ihre Bestattung selber keine Anordnung hinterlassen hat, hängt die Entscheidung davon ab, nach welchen Grundsätzen der Ort ihrer Bestattung näher festzustellen ist. Darüber, daß in allen Fällen nach den sittlichen Anschauungen im Volke und dem allgemeinen Herkommen zu verfahren ist, kann vorweg kein Zweifel sein. Dem entspricht es aber, daß bei der Auswahl der letzten Ruhestätte tunlichst der Wille des Verstorbenen gewahrt wird, gleichviel, ob er formgerecht erklärt oder sonstwie zu ermitteln ist. Das gebietet die Pietät, es entspricht aber auch bei rechtlichen Anschauung, wonach das Recht der Persönlichkeit eines Verstorbenen noch in seinem Leichnam als fortwirkend angesehen wird, wie dies in dem oben erwähnten Urteile vom 13. März 1913 ebenfalls dargelegt ist. Demgegenüber müssen die persönlichen Beziehungen zwischen den Parteien selbst zurücktreten, insbesondere auch deren persönliche Interessen und Wünsche, die Überreste ihrer Mutter in einer bestimmten Gruft beizusehen; vielmehr ist die Angemessenheit der Ruhestätte vom Standpunkte der Verstorbenen selbst, also maßgeblich nach ihrem eigenen Willen, soweit er zu ermitteln ist, zu beurteilen (vgl. Urteil des IV. Zivilsenats vom 3. Dezember 1903 IV 217 / 03 in DJZ. 1904 Sp. 265).
Dies ist auch die Stellungnahme der Beklagten, die dem Kläger gegenüber den Willen ihrer verstorbenen Mutter zu vertreten und ihm Rechtsschutz zu verschaffen sucht. Sie hält dem Kläger entgegen, ihre Mutter habe wiederholt geäußert, daß sie nicht bei ihrem Manne, von dem sie bis zu ihrem Tode getrennt gelebt habe, sondern in einem eigenen Grabe beerdigt sein wolle. Das Berufungsgericht hat auf dieses Vorbringen mit Recht das entscheidende Gewicht gelegt und in prozeßgerechter Würdigung der Zeugenaussagen festgestellt, es sei der wahre Wille der Verstorbenen gewesen, in einem Grabe für sich allein zu liegen.
Wo in solcher Weise der Wille der Verstorbenen, wie sie angemessen zu beerdigen sei, zweifellos festzustellen war, kann davon, daß etwa der Mehrheitswille der Erben, wie die Revision meint, mit dieser Frage zu befassen gewesen sei, keine Rede sein. Insbesondere ist es verfehlt, wenn die Revision sich in dieser Hinsicht auf die Vorschriften der §§ 2038, 745 BGB. beruft. Denn diese Vorschriften, die die gemeinschaftliche Verwaltung des Nachlasses durch die Erben regeln, sind hier, wo es sich um eine ausschließlich nach dem höchstpersönlichen Willen der Verstorbenen zu entscheidende Angelegenheit handelt, auch nicht einmal entsprechend anwendbar.