RG, 21.10.1920 - VI 271/20

Daten
Fall: 
Schweizer Konkursverlustschein
Fundstellen: 
RGZ 100, 241
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
21.10.1920
Aktenzeichen: 
VI 271/20
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • Landgericht Freiburg i.B.
  • Oberlandesgericht Karlsruhe

1. Steht die Ausstellung eines Schweizer Konkursverlustscheins einer Klage des Gläubigers auf Zahlung seiner ausgefallenen Forderung bei einem inländischen Gericht entgegen?
2. Welche Bedeutung kommt hierbei dem Umstande zu, daß das Vertragsverhältnis selbst nach Schweizer Recht zu beurteilen ist?

Tatbestand

Der Beklagte war als Besitzer einer in M., Kanton Basel-Land, gelegenen Fabrik im Jahre 1912 in Konkurs geraten. Zu diesem meldete der Kläger eine Forderung von 12763,20 Fr. an, auf die 741,45 Fr. zur Auszahlung gelangten. Für den Rest mit 12021,70 Fr. erhielt er einen durch das zuständige Konkursamt am 1. Mai 1913 ausgestellten Konkursverlustschein. Nachdem der Beklagte später bei den Chemischen Werken in Grenzach in Dienst getreten war - seinen Wohnsitz hatte er in Basel -, erhob der Kläger bei dem zuständigen Landgerichte Klage auf Zahlung eines Teilbetrags seiner Restforderung in Höhe von 4000 Fr. Der Beklagte machte Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts und Unzulässigkeit der Klage geltend, da nach Schweizer Recht der Konkursverlustschein einem rechtskräftigen Urteile gleichstehe, auch eine neue Betreibung erst dann zulässig sei, wenn er als Schuldner zu neuem Vermögen gelangt sei. Dies sei nicht der Fall.

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Die Revision ist zurückgewiesen worden aus folgenden Gründen:

Gründe

... Der Beklagte hatte eingewandt, nach Art. 265 des Schweizer Konkursgesetzes sei eine neue Betreibung gegen den Konkursschuldner erst dann zulässig, wenn er neues Vermögen erworben habe. Dies sei bei ihm nicht der Fall.

Das Landgericht wies diesen Einwand als unbeachtlich zurück, da die Bestimmung lediglich prozeßrechtliche Bedeutung habe und daher in Deutschland nicht zur Anwendung gelangen könne Das Oberlandesgericht hat sich dieser Ansicht im ersten Punkte nicht angeschlossen. Es sagt, die Natur der Vorschrift sei bestritten, es bedürfe aber keiner Entscheidung, ob sie materieller oder prozeßrechtlicher Art sei. Die deutsche KO. werde von dem Territorialitätsprinzip beherrscht. Damit sei der Vorschrift in einem in Deutschland anhängigen Verfahren die Anwendung überhaupt versagt, selbst wenn das streitige Rechtsverhältnis nach Schweizer Recht zu beurteilen sei.

Demgegenüber hat die Revision geltend gemacht, das Berufungsgericht habe die Frage, ob die Vorschrift des Schweizer Konkursgesetzes materiell- oder prozeßrechtlicher Natur sei, nicht unentschieden lassen dürfen. Sei nämlich erstens der Fall - und das sei nach der Literatur und der Rechtsprechung des Schweizer Bundesgerichts anzunehmen -, so müsse sie auch vom deutschen Richter bei Anwendung Schweizer Rechtes auf das Schuldverhältnis beachtet werden. Daß aber Schweizer Recht für den vorliegenden Fall anzuwenden sei, sei nach den Ausführungen des Berufungsgerichts zum mindesten zu unterstellen.

Diese Rüge ist nicht begründet.

Für die deutsche KO. gilt, wenn auch einzelne Ansätze zum Universalitätsprinzip vorhanden sind, der Grundsatz der Territorialität. Dies hat das Reichsgericht (RGZ. Bd. 6 S. 401, Bd. 14 S. 405, Bd. 21 S. 7, Bd. 52 S. 155, Bd. 54 S. 193) mehrfach ausgesprochen und insoweit hat auch die Revision keinen Angriff erhoben. Damit fällt aber, was die Revision verkennt, ohne weiteres der aus Art. 265 des Schweizer Konkursgesetzes hergeleitete Einwand, gleichgültig ob diese Bestimmung materiell- oder prozeßrechtlicher Natur ist.

Der § 237 KO. bestimmt, daß die Zwangsvollstreckung in inländisches Vermögen eines Schuldners, über dessen Vermögen im Auslande das Konkursverfahren eröffnet ist, zulässig ist. Daraus folgt, daß das im Ausland eröffnete Konkursverfahren nur das ausländische, nicht aber das im Inlande befindliche Vermögen des Schuldners erfaßt, daß also die Wirkungen des ausländischen Konkursverfahrens nicht in das Inland übergreifen, sondern auf das Gebiet beschränkt sind, in dem das ausländische Konkursgesetz gilt. Danach kann aber auch ausländischen Konkursvorschriften wie der des Art. 265 des Schweizer Konkursgesetzes, durch die der Anspruch eines inländischen Gläubigers auf volle Befriedigung seiner Forderung aufgehoben oder beschränkt wird, ohne Rücksicht auf ihre Natur nur insoweit Geltung zuerkannt werden, als die Wirkungen des ausländischen Konkursverfahrens reichen, nämlich nur so weit, als ausländisches Vermögen des Schuldners in Frage kommt. Außerhalb dieses Gebietes und soweit es sich um Befriedigung aus den im Inlande befindlichen Vermögensstücken handelt, die den ausländischen Konkursvorschriften nicht unterworfen sind, muß ihnen die Anerkennung versagt werden.

Das Berufungsgericht hat nun eine Entscheidung darüber, welches Recht für das vorliegende Schuldverhältnis zur Anwendung zu gelangen hat, nicht ausdrücklich gegeben, und es muß der Revision darin beigetreten werden, daß zu unterstellen ist, daß es nach Schweizer Recht zu beurteilen sei. Dies ändert jedoch an dem Ergebnis nichts.

Wenn, wie hier zu unterstellen, nach dem Willen der Parteien für ein zwischen ihnen bestehendes Schuldverhältnis das Recht eines ausländischen Erfüllungsortes maßgebend sein soll, so ist daraus zunächst nur die Folgerung zu ziehen, daß ausländisches Recht insoweit zur Anwendung kommen soll, als es sich um die aus dem Schuldverhältnis entspringenden Rechtsverhältnisse handelt, nicht aber, daß auch ausländische Konkursvorschriften, die das Recht des Gläubigers auf volle Befriedigung seines Anspruchs beschränken, ohne weiteres gelten sollen. Wollte man aber auch diese letzteren als mitumfaßt ansehen, so könnte ihre Geltung doch nur insoweit gewollt sein, als ihnen eine solche überhaupt zukommt. Damit entfüllt sie aber im vorliegenden Falle, wo der Gläubiger nur aus inländischen, ihnen nicht unterworfenen Vermögensstücken des Schuldners Befriedigung sucht, selbst dann, wenn für das Schuldverhältnis das Recht des ausländischen Erfüllungsortes maßgebend ist. Im übrigen ergeben die obigen Ausführungen, daß die Anwendung ausländischer Konkursvorschriften im Inland auch dann nicht nach dem Rechte des Erfüllungsortes, sondern nach anderen Rechtsgrundsätzen zu beurteilen ist, wenn das Schuldverhältnis dem Rechte des Erfüllungsortes untersteht.

Endlich ist noch zu beachten, daß die Wirkungen des angef. Art. 265 erst dann eintreten, wenn das zuständige Gericht das Konkursverfahren geprüft und für geschlossen erklärt hat. Einem solchen Rechtsakt eines ausländischen Gerichts, der durch das ausländische Gesetz für dessen Gebiet mit dieser Wirkung ausgestattet ist, kann ebensowenig wie an sich einem ausländischen Urteile für das Inland Rechtswirkung beigelegt werden.

Von diesen Grundsätzen, die das Reichsgericht bereits in den oben angeführten Entscheidungen entwickelt hat, abzugehen, lag für den Senat keine Veranlassung vor.