RG, 01.10.1920 - II 127/20
Zur Anwendung der §§ 465 - 467 ZPO.
Tatbestand
Unter der Behauptung, daß ihm der Beklagte im Oktober 1917 1000 kg Cerefin zum Preise von 12 M per kg verkauft, aber trotz Fristsetzung und Androhung gemäß § 326 BGB. nicht geliefert habe, und daß er sich infolgedessen mit 961 kg zum Preise von 17 M per kg habe eindecken müssen, wurde der Kläger auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung mit dem Antrage klagbar, den Beklagten zur Zahlung von 4805 M nebst 5 % Prozeßzinsen zu verurteilen. Der Beklagte bestritt die Klageforderung nach Grund und Betrag und beantragte die Abweisung der Klage. Er stellte namentlich in Abrede, daß er der Verkäufer sei. Nach Vernehmung eines Zeugen schob der Kläger ihm den Eid darüber zu, daß er das vorgelegte Bestätigungsschreiben entweder selbst unterzeichnet oder einen Dritten zur Unterzeichnung ermächtigt oder die ohne seine Ermächtigung geschehene Unterzeichnung nachträglich genehmigt habe. Das Landgericht ordnete durch Beweisbeschluß vom 21. Februar 1919 die Leistung dieses Eides an und bestimmte den 13. März 1919 vorm. 10 3/4 Uhr als Termin zur Eidesleistung und weiteren Verhandlung. Der Termin wurde wegen der zur damaligen Zeit herrschenden Unruhen nicht abgehalten. Nachdem bereits von Amts wegen ein neuer "Verhandlungstermin" auf den 17. April 1919 vorm. 10 3/4 Uhr anberaumt und die Ladung der Anwälte und des Beklagten verfügt worden war, ging ein Schriftsatz des Prozeßbevollmächtigten des Klägers vom 14. März 1919 beim Landgericht ein, inhaltlich dessen "die Anberaumung eines neuen Termins zur Eidesleistung und weiteren mündlichen Verhandlung" beantragt und der Beklagte zu Händen seines Prozeßbevollmächtigten zu dem anzuberaumenden Termine geladen wurde. Dieser Schriftsatz wurde gerichtsseitig mit dem Terminsvermerk: "Verhandlungstermin den 17. April 1919 vorm. 10 3/4 Uhr" versehen. Im Termine vom 17. April, 1919 erschienen sodann bei Aufruf die beiderseitigen Anwälte, nicht aber der Beklagte. Laut des Sitzungsprotokolles wurde unter Wiederholung der früheren Anträge zur Sache verhandelt und darauf beschlossen und verkündet: "Verkündungstermin am 2. Mai 1919 mittags 12 Uhr". Am 20. April 1919 ging ein Schriftsatz ein, worin der Prozeßbevollmächtigte des Beklagten "um Anberaumung eines Termins zur nachträglichen Abnahme des von dem Beklagten am 17. April zu leistenden Eides" bat und hinzufügte:
"Der Beklagte war verhindert, im Termin am 17. April zu erscheinen, und erbietet sich zur nachträglichen Ableistung des Eides".
Im Termine vom 2. Mai 1919 erschien bei Aufruf zunächst niemand. Erst nachdem das Urteil dahin verkündet war, daß der Klaganspruch dem Beklagten gegenüber für berechtigt erachtet werde, meldeten sich der Prozeßbevollmächtigte des Beklagten und dieser selbst, welch letzterer sich zur Leistung des Eides bereit erklärte. In der Begründung des Urteils wurde ausgeführt: Dem Antrage des Klägers gemäß sei der Eid für verweigert zu erachten. Infolge der Eidesweigerung stehe fest, daß der Beklagte das Bestätigungsschreiben an den Kläger gerichtet oder doch genehmigt habe. Der der Klage zugrunde liegende Kaufvertrag sei daher als mit dem Beklagten abgeschlossen anzusehen.
Die Berufung des Beklagten gegen dieses Urteil wurde zurückgewiesen. Das Berufungsgericht führte aus: Durch den ersten Satz der Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils, der insoweit mit dem Tatbestande gleiche Kraft habe, werde voller Beweis dafür erbracht, daß der Kläger im Termine vom 17. April 1919 den Antrag gestellt habe, den dem Beklagten durch Beweisbeschluß vom 21. Februar 1919 auferlegten Eid als verweigert anzusehen. Der Umstand, daß das Sitzungsprotokoll vom 17. April 1919 die Stellung dieses Antrags nicht erwähne, sei nicht geeignet, den Beweis zu entkräften. Bei der Anberaumung des Termins sei zwar nicht besonders hervorgehoben worden, daß der Termin nicht nur zur Verhandlung, sondern auch zur Eidesleistung bestimmt sei, von dieser Bestimmung sei jedoch nicht nur das Landgericht, sondern auch der Beklagte selbst ausgegangen. Der Beklagte habe die Bestimmung aus der Ladung des Klägers entnehmen müssen und, wie sein am 20. April 1919 eingegangener Schriftsatz beweise, auch entnommen. Das Landgericht habe daher den Eid, der zur Erledigung eines Zwischenstreits - der Frage der Passivlegitimation des Beklagten - gedient und Tatsachen betroffen habe, für die der Kläger beweispflichtig sei und über die er dem Beklagten den Eid zugeschoben habe, mit Recht als verweigert angesehen und demgemäß die Passivlegitimation des Beklagten ohne Gesetzesverletzung bejaht. Die Eidesweigerung sei auch für die Berufungsinstanz wirksam.
Auf die Revision des Beklagten wurden die Urteile beider Vorinstanzen aufgehoben und die Sache zur Fortsetzung des Verfahrens an das Landgericht zurückverwiesen.
Gründe
... Die Revision irrt allerdings darin, daß der beim Nichterscheinen des Schwurpflichtigen in dem zur Eidesleistung bestimmten Termine gemäß § 465 ZPO. gestellte Antrag, den Eid als verweigert anzusehen, durch Aufnahme in das Terminsprotokoll (Sitzungsprotokoll) festgestellt werden müßte und daß die Stellung des Antrags auf andere Weise, insbesondere durch den Urteilstatbestand oder die den Tatbestand ergänzenden Entscheidungsgründe, nicht bewiesen werden könnte. Auch ist ihr nicht zuzugeben, daß das Kammergericht zu Unrecht festgestellt habe, daß der Termin vom 17. April 1919 zur Leistung des dem Beklagten durch Beschluß vom 21. Februar 1919 auferlegten Eides bestimmt gewesen sei und der Beklagte dies aus der ihr zugestellten Ladung ersehen habe. Das Kammergericht war zu dieser Feststellung auf Grund der Ladungsschrift des Klägers vom 14. März und der Eingabe des Beklagten vom 19. April, beim Landgericht eingegangen am 20. April 1919, durchaus befugt. Allein das Kammergericht hat übersehen, daß der schwurpflichtige Beklagte durch diese, den Erfordernissen des § 466 ZPO. entsprechende Eingabe die Folge der Versäumung des zur Eidesleistung bestimmten Termins beseitigt hat, und daß demgemäß der nach § 467 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 auf den 2. Mai 1919 angesetzte Verkündungstermin nicht mehr zur Verkündung einer auf Grund der Verhandlung vom 17. April 1919 zu erlassenden Entscheidung, sondern nach Halbs. 2 zur Eidesleistung und zur weiteren mündlichen Verhandlung bestimmt war. Bei solcher Prozeßlage hätte das Landgericht ein Urteil wie das ergangene am 2. Mai 1919 nur dann erlassen dürfen, wenn beim Nichterscheinen des Schwurpflichtigen der Kläger erneut beantragt hätte, den Eid als verweigert anzusehen und wenn daraufhin nochmals zur Suche verhandelt worden wäre. In dem Termine vom 2. Mai 1919 ist jedoch der Kläger überhaupt nicht erschienen.