RG, 01.10.1920 - VII 92/20
1. Darf der Hypothekengläubiger der einen dinglichen Vollstreckungstitel besitzt und seine persönliche Forderung nach § 64 KO. angemeldet hat, wegen des dinglichen Anspruchs die Veräußerung und Entfernung von Zubehör des Grundstücks anfechten ? Behält er dieses Recht, auch wenn sein Hypothekenrecht am Grundstück selbst durch Zuschlag erlischt?
2. Steht seinem Anfechtungsrecht die Einrede der Rechtshängigkeit oder des Verzichts entgegen, wenn er einer Anfechtungsklage des Konkursverwalters als Streitgehilfe beigetreten ist?
3. Kann ihm die Einrede der Vorteilsausgleichung entgegengesetzt werden, wenn er das Grundstück nach der Entfernung des Zubehörs als Meistbietender vorteilhaft erstanden hat?
Tatbestand
Durch notariellen Kaufvertrag vom 15. Dezember 1910 hatte der Gutsbesitzer W. von dem Gutsbesitzer M. dessen Besitzung mit lebendem und totem Inventar für 550000 M erworben. Von dem Restkaufgelde waren 40000 M mit 4 % Zinsen für die Klägerin in Abt. III Nr. 15 und 110000 M mit 4 % Zinsen für M. in Abt, III Nr. 16, zu gleichen Rechten mit Nr. 15. eingetragen worden. W. konnte sich auf dem Gute nicht halten und geriet am 22. Juli 1911 in Konkurs. Schon vorher aber, im April und Mai 1911, soll er den größten Teil des lebenden und toten Inventars an die in dem Nebenprozeß Ansiedlungsbank gegen D. und Genossen beklagten Personen und an den Beklagten des vorliegenden Prozesses veräußert und verschoben haben. Dem hier Beklagten verkaufte er am 1. Mai 1911 die ganze Kuhherde von 77 Stück zum Preise von noch nicht 350 M das Stück, der Beklagte konnte aber wegen Mangels an Eisenbahnwagen nur 64 Stück fortschaffen, während der Rest von 13 Stück zurückblieb und später an D. veräußert wurde.
Die Klägerin erwirkte am 14. Juli 1911 wegen ihrer Hypothekenforderung von 40000 M einen dinglichen und persönlichen Vollstreckungstitel (Versäumnisurteil) und M. am 11. Juli 1911 einen eben solchen Titel wegen eines Teilbetrages seiner Hypothekenforderung, in Höhe von 60000 M. M. trat dann am 1. Mai 1912 alle seine Ansprüche aus diesem Schuldtitel in beglaubigter Form der Klägerin ab. In der auf seinen Antrag betriebenen Zwangsversteigerung des Gutes war inzwischen, am 13. November 1911, seine ganze Forderung ausgefallen, die Hypothekenforderung der Klägerin, die mit Zinsen und Kosten auf 40986,67 M berechnet wurde, nur in Höhe von 422,01 M zur Hebung gelangt.
Die Klägerin hat als absonderungsberechtigte Hypothekengläubigerin wegen Beeinträchtigung ihres und des M. Hypothekenrechts die Veräußerung der Kühe auf Grund des § 3 Nr. 1 AnfG. angefochten. Sie berechnet den Wert der Kühe, die der Beklagte inzwischen anderweit verkauft hat, auf 450 M das Stück, zusammen für 64 Kühe rund 28000 M und hat mit der Klage Zahlung der 28000 M nebst Zinsen gefordert.
Der Beklagte wandte ein, durch den Zuschlag im Zwangsversteigerungsverfahren seien die Hypothekenrechte erloschen, auch habe die Klägerin dadurch, daß sie in dem Anfechtungsprozesse, den der Konkursverwalter gegen den Beklagten erhob, diesem als Streitgehilfin beigetreten sei, auf ihr Sonderrecht verzichtet. Im übrigen fehle es sowohl an der Benachteiligung der Klägerin als auch an der Absicht W.s, seine Gläubiger zu benachteiligen, und an deren Kenntnis auf Seiten des Beklagten. Die Klägerin habe das Gut für 305000 M erstanden und durch Veräußerung der einzelnen Teile zusammen 496000 M eingenommen, sonach einen Gewinn von fast 200 000 M erzielt. W. habe nicht die Absicht gehabt, seine Gläubiger zu benachteiligen, sondern habe die Viehherde veräußert, weil in der Gegend die Maul- und Klauenseuche geherrscht und er, wie andere Nachbarn, zu viehloser Wirtschaft habe übergehen wollen.
Das Landgericht wies die Klage ab, weil es den Anspruch durch den Zuschlag für erledigt erachtete. Das Kammergericht aber erließ ein Teilurteil, worin es unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils den Beklagten zur Zahlung von 22 400 M nebst 4 % Zinsen seit Zustellung der Klage verurteilte. Es war dies der unstreitige Wert der 64 Kühe mit 350 M das Stück. Die hiergegen vom Beklagten eingelegte Revision ist zurückgewiesen worden.
Gründe
... Die gegen das Klagerecht der Klägerin gerichteten Einwendungen hat der Berufungsrichter mit Recht verworfen. Dadurch, daß die Klägerin in dem Anfechtungsprozesse des Konkursverwalters diesem als Streitgehilfin beigetreten ist, wurde sie nicht Streitgenossin im Sinne der §§ 69, 61 ZPO. (JW. 1889 S. 203 Nr. 1), so daß von einer Rechtshängigkeit schon aus diesem Grunde nicht gesprochen werden kann. Der hier geltend gemachte, das Absonderungsrecht der Klägerin verfolgende Anspruch ist aber auch ein ganz anderer als der Anfechtungsanspruch des Konkursverwalters, der für die Klägerin nur dann und nur insoweit in Betracht kommt, als sie mit dem Absonderungsanspruch nicht zum Ziele gelangt. Wegen dieser verschiedenen Natur der Ansprüche kann auch, wie der Berufungsrichter mit Recht angenommen hat, in der dem Konkursverwalter geleisteten Streithilfe kein Verzicht aus das Absonderungsrecht gefunden werden (RGZ. Bd. 16 S. 36, 70). Nicht zu bezweifeln ist. daß die Veräußerung und Entfernung von Zubehörstücken, wenngleich sie nach § 1121 BGB. das Hypothekenrecht des Gläubigers insoweit zum Erlöschen bringt, beim Vorhandensein der Voraussetzungen des Anfechtungsgesetzes vom Hypothekengläubiger als ihm gegenüber unwirksam angefochten werden kann (Gruchot Bd. 57 S. 1005). Hieran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, daß in der Zwangsversteigerung, die veräußerte und entfernte Gegenstände nicht erfaßt, durch die Versteigerung und den Zuschlag des Grundstücks das Hypothekenrecht an diesem erlischt. Die vorgängige Inanspruchnahme des Grundstücks ist nach § 2 AnfG. Voraussetzung der Anfechtung, seine Verwirklichung kann die Anfechtung unerlaubter, vom Zwangsversteigerungsverfahren nicht berührter Veräußerungen seitens des benachteiligten Hypothekengläubigers nicht beeinträchtigen (vgl. JW. 1917 S. 478 Nr. 21).
Daß die Voraussetzungen des § 3 Nr. 1 AnfG. vorliegen, hat der Berufungsrichter festgestellt. (Wird näher aus geführt.) Die hiergegen von der Revision erhobenen Angriffe bewegen sich auf tatsächlichem Gebiet. ... Zu erwähnen wäre nur der vom Berufungsrichter nicht erörterte Einwand des Beklagten, daß die Klägerin durch die vorteilhafte Ersteigerung des Gutes wegen aller ihrer Nachteile abgefunden sei. Die Rechtsprechung des Reichsgerichts läßt allerdings bei Schadensersatzansprüchen die Vorteilsausgleichung zu, wenn der Vorteil auch nur die mittelbare, aber adäquate Folge des schädigenden Ereignisses ist (vgl. RGZ. Bd. 84 S. 388). Aber zunächst handelt es sich hier nicht um einen Schadensersatzanspruch, sondern, um einen Anfechtungsanspruch, der mit jenem nicht zusammenfällt (RGZ. Bd. 74 S. 224), und sodann ist der ursächliche Zusammenhang der vorteilhaften Ersteigerung mit der Beiseiteschaffung der Kuhherde nicht ersichtlich. Endlich aber konnte der Einwand schon deshalb nicht durchgreifen, weil der Klägerin nicht bloß der eigene, sondern auch der abgetretene Anspruch des Hypothekengläubigers M. zur Seite steht.