RG, 04.04.1919 - VII 350/18

Daten
Fall: 
Wirkungen der Sicherungsabtretung einer Forderung
Fundstellen: 
RGZ 95, 244
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
04.04.1919
Aktenzeichen: 
VII 350/18
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Hannover
  • OLG Celle

Welche Rechtswirkung hat die Sicherungsabtretung einer Forderung, wenn der Empfänger die ihm abgetretene Forderung wegen einer eigenen, einem Dritten geschuldeten Verbindlichkeit diesem zur Sicherung wieder abtritt?

Tatbestand

Vor mehreren Jahren erhielt der Kaufmann P. von dem Kaufmanne S. ein Darlehen von 12000 M gegen Akzepte des P. in gleicher Höhe. S. diskontierte diese Beträge bei der Rechtsvorgängerin der Klägerin, der W.-L. Vereinsbank. Eine weitere Sicherheit für S. beschaffte P. unter anderem dahin, daß der Schneidermeister R. alle seine Rechte aus dem mit einer amerikanischen Lebensversicherungsgesellschaft abgeschlossenen Lebensversicherungsvertrage vom 30. Dezember 1891 an S. am 18. Oktober 1910 zur Sicherung abtrat. Nach dem Versicherungsschein war die Versicherungssumme von 5000 M beim Tode des R. an seine Ehefrau Doris R. zu zahlen. S. trat für die durch die Vereinsbank erfolgte Diskontierung der Akzepte des P. die ihm aus der Abtretung des R. gegen die Versicherungsgesellschaft zustehenden Rechte durch die Urkunde vom 21. Mai 1913 an die genannte Vereinsbank zu deren Sicherung ab. Nach dem Tode der Doris R. stellte die Vereinsbank als Klägerin den Antrag, R. und die Erben der Doris R. zu verurteilen, einzuwilligen, daß die nach dem Lebensversicherungsvertrage zu zahlenden 5000 M an die Vereinsbank ausgezahlt werden.

Die Beklagten sind vom Landgericht entsprechend dem Klagantrage verurteilt worden. In der von ihnen beschrittenen Berufungsinstanz, in der an die Stelle der Vereinsbank die jetzige Klägerin getreten ist, wurde der Klagantrag dahin geändert, daß unter Zurückweisung der Berufung festgestellt werde, daß die Ansprüche aus dem Lebensversicherungsvertrage der Klägerin zustehen. Dem letzteren Antrag entsprechend wurde die Berufung zurückgewiesen. Auch die Revision blieb erfolglos.

Aus den Gründen

"Der Berufungsrichter geht zutreffend davon aus, daß nach den Grundsätzen des für die Beurteilung des Versicherungsverhältnisses noch maßgebenden, übrigens mit den entsprechenden Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs übereinstimmenden Gemeinen Rechtes die Ehefrau R., an die nach dem Versicherungsscheine die Versicherungssumme beim Tode ihres Ehemanns zu zahlen war, ein unentziehbares Recht auf diese Summe erst mit dem Tode ihres Ehemanns erwerben, dieser also bei Lebzeiten über den Versicherungsanspruch frei verfügen konnte, außer wenn etwa die Versicherung von vornherein unwiderruflich zugunsten der Ehefrau abgeschlossen worden oder die Ehefrau späterhin dem Versicherungsvertrage mit Bewilligung der Vertragschließenden beigetreten war. Daß diese Ausnahmefälle hier vorlägen, verneint der Berufungsrichter.... (Dies wird gebilligt.)

Unbegründet ist auch der prozessuale Angriff, den die Revision gegenüber der Feststellung des Berufungsrichters, das zwischen P. und S. abgeschlossene Darlehnsgeschäft sei nicht nachweislich wucherisch und deshalb auch nicht nichtig gewesen, dahin erhebt, der Berufungsrichter habe ohne Grund unterlassen, den von den Beklagten benannten Zeugen P. über die Behauptungen zu vernehmen, die von P. im Vorprozeß P. wider S. hinsichtlich des wucherischen Charakters des Darlehnsgeschäfts aufgestellt worden waren. Wäre das letztere Geschäft nichtig, so würde freilich auch das zur Sicherung der Darlehnsforderung dienende (akzessorische) Geschäft der Sicherheitsabtretung an S. nichtig und damit die seitens des S. an die Vereinsbank erfolgte weitere Sicherungsabtretung gegenstandslos gewesen sein (vgl. RGZ. Bd. 38 S. 251, Bd. 47 S. 52, Bd. 63 S. 371). Die Feststellung des Berufungsrichters aber, ein wucherischer Charakter des Darlehnsgeschäfts sei nicht dargetan, ist fehlerfrei....

Die Revision stellt endlich noch zur Nachprüfung die Frage, ob die Beklagten sich darauf berufen können, daß die Forderung des S. gegen P. getilgt ist. Die Nachprüfung kann aber zur Aufhebung des Berufungsurteils nicht führen, wenn man selbst annimmt, daß - was der Berufungsrichter nur unterstellt - diese Tilgung erfolgt ist. Da die Sicherungsabtretung des Versicherungsanspruchs an S. ohne Beifügung einer auflösenden Bedingung geschehen ist, wurde der Anspruch mit der Rechtswirkung auf S. übertragen, daß dieser zur weiteren Abtretung befugt war. Im übrigen entstand für den Abtretenden R. nur der persönliche schuldrechtliche Anspruch gegen S. auf Rückübertragung des Versicherungsanspruchs nach Tilgung der Darlehnsforderung des S. Ein schuldrechtliches Verhältnis zwischen R. - und ebenso den Erben seiner Frau - einerseits und der Bank anderseits bestand nicht und wurde auch nicht dadurch geschaffen, daß bei der weiteren Sicherungsabtretung des Versicherungsanspruchs durch S. an die Bank dieser bekannt war, daß S. den Versicherungsanspruch nur zur Sicherheit seiner Darlehnsforderung abgetreten erhalten hatte. Daß zur Zeit der Sicherungsabtretung an die Bank S. wegen seiner Darlehnsforderung schon befriedigt gewesen und dies der Bank bekannt gewesen sei, ist nicht behauptet worden. Da auch die weitere Abtretung an die Bank ohne auflösende Bedingung erfolgt ist, begründete sie ebenfalls für den Abtretenden (S.) nur eine persönliche Forderung auf Rückübertragung durch die Bank nach deren Befriedigung. Daß diese schuldrechtliche Forderung durch Abtretung oder sonstwie von S. auf die Beklagten übergegangen sei, ist nicht dargetan. Überdies ist auch vom Berufungsrichter unangefochten festgestellt, daß die von der Bank diskontierten Wechsel, die sich bei den Akten befinden, mindestens im Betrage von 5000 M noch nicht eingelöst sind, die Forderung der Bank gegen S., zu deren Sicherung die Abtretung des Versicherungsanspruchs an die Bank erfolgt war, daher jedenfalls in dieser Höhe noch besteht und deshalb die Bank zurzeit auch schuldrechtlich zur Rückübertragung des Versicherungsanspruchs auf S. nicht verpflichtet ist (vgl. RGZ. Bd. 55 S. 394, Bd. 30 S. 275, Gruchot Beiträge Bd. 48 S. 869, Bd. 50 S. 990). Durch die Geltendmachung dieser Nichtverpflichtung mittels der Klage handelt die Bank auch nicht gegen Treu und Glauben, mag sie auch gewußt haben, daß S. nach Tilgung der Schuld des P. zur Rückübertragung der ihm von R. gewährten Sicherheit schuldrechtlich verpflichtet war. Die Bank hat eine Verpflichtung, die ihr gewährte Sicherheit nach Tilgung der Schuld des P. zurückzuübertragen, weder S. gegenüber noch sonst übernommen, und sie hätte sich gewiß auf die Diskontierung der Wechsel nicht eingelassen, wenn die ihr gewährte Sicherheit ihr Ende schon finden sollte, sobald P. das erhaltene Darlehen an S. zurückzahlte. Zur Verfügung über den Versicherungsanspruch war S. durch die an ihn erfolgte Abtretung befugt. Wenn er durch diese Verfügung etwa seine gegenüber P. oder R. übernommene schuldrechtliche Verpflichtung verletzte, so brauchte die Bank aus diesem ihr bekannten Umstande keinen Anlaß zu nehmen, die rechtsgültig erworbene Sicherheit vor ihrer eigenen Befriedigung aufzugeben."