RG, 08.03.1919 - V 268/18
Inwiefern kann auf Erfüllung der von einem Hypothekengläubiger dem Eigentümer gegenüber übernommen Verpflichtung, einer erst zu bestellenden Baugeldhypothek den Vorrang einzuräumen, auch derjenige in Anspruch genommen werden, auf welchen der verpflichtete Hypothekengläubiger seine Hypothek durch Scheingeschäft verschoben hat?
Tatbestand
Die Klägerin bestellte auf ihrem Grundstücke dem Ehemanne der Beklagten eine Hypothek von 23500 M, wobei sich dieser verpflichtete, einer von der Klägerin erst zu beschaffenden Baugeldhypothek vor seiner Hypothek den Vorrang einzuräumen. Um sich der Verpflichtung zu entziehen, schob er jedoch die Hypothek alsbald durch ein Scheingeschäft auf seine Frau ab. Die Klägerin hat darauf gegen die Frau Klage erhoben mit dem Anspruche, daß sie der inzwischen eingetragenen Baugeldhypothek den Vorrang vor der Hypothek von 23500 M einräume.
Das Landgericht wies die Klage ab, weil eine persönliche Verpflichtung der Beklagten nicht bestehe. Das Kammergericht gab der Klage statt. Die Revision blieb erfolglos.
Aus den Gründen
"Im Vordergrunde steht die Frage, ob die Beklagte auf Bewilligung des Vorrangs zugunsten der nachmals eingetragenen Baugeldhypothek für ihre Person überhaupt in Anspruch genommen werden konnte. Die Klage ist rein schuldrechtlicher Art, und die Verpflichtung zur Bewilligung des begehrten Vorranges hat in dem Vertrage vom 18. Januar 1915 nur der Ehemann der Beklagten übernommen. Auch fehlt es an jeder Behauptung dafür, daß die Beklagte die Verpflichtung ihres Ehemanns in Gemäßheit der §§ 414, 415 BGB. nachträglich auf sich genommen hätte. Das Berufungsgericht hat gleichwohl die vorliegende Frage bejaht. Hiergegen wendet sich die Revision in erster Linie. Das Berufungsgericht hat nämlich festgestellt, daß die für den Ehemann der Beklagten auf Grund des Vertrags vom 18. Januar 1913 eingetragene Hypothek von noch 23000 M, die jetzt im Range zurücktreten soll, im Einverständnis zwischen der Beklagten und ihrem Ehemann auf jene nur zum Schein übertragen worden ist; die Revision meint, daß gerade dieser Umstand die Beklagbarkeit der Beklagten schlechthin ausschließe. Das Berufungsgericht hat seinerseits allerdings gerade den Umstand als entscheidend angesehen, daß es sich bei der Übertragung des Hypothekenrechts um ein Scheingeschäft gehandelt hat. Zwar erwog es auch, daß die Möglichkeit, die Beklagte in Anspruch zu nehmen, auch für den Fall der Ernstlichkeit des Übertragungsgeschäfts anzunehmen sein würde. Aber dieser Gesichtspunkt (den es übrigens lediglich auf den hier überhaupt nicht anwendbaren § 1157 BGB. gestützt hat, vgl. RGZ. Bd. 81 S. 85. und auch ohne aus ihm irgendwelche Folgerung auf den Fall des Scheingeschäfts zu ziehen) muß hier völlig ausscheiden, da jetzt mit der unbedingt getroffenen Feststellung, an der auch die Revision nicht gerüttelt haben will, zu rechnen ist, daß nur ein Scheingeschäft vorliegt.
Aus welchem Grunde das Berufungsgericht die persönliche Verpflichtung der Beklagten gerade um deswillen als gegeben erachtet hat, weil die Hypothek von noch 23000 M auf die Beklagte lediglich des Scheines halber übertragen worden ist, lassen seine Ausführungen nicht erkennen. Freilich hat das Berufungsgericht in diesem Abschnitte seines Urteils auch auf den § 19 GrBO. Bezug genommen. Aber damit sollte offenbar nur gesagt sein, daß die Beklagte als die zurzeit eingetragene Hypothekengläubigerin auch befugt und daher auch imstande sei, dem Klagebegehren zu genügen. Eine Verpflichtung hierzu könnte aus der angeführten Vorschrift, worin der Revision recht zu geben, keinesfalls hergeleitet worden.
Für die Richtigkeit der Auffassung des Berufungsgerichts, daß sich die Passivlegitimation der Beklagten gerade aus dem Vorhandensein des Scheingeschäfts ergebe, könnten an und für sich freilich unter den besonderen Umständen des Falles bedeutsame Gesichtspunkte sprechen. Die Beklagte und ihr Ehemann haben geflissentlich die Rechtslage geschaffen, daß nach dem Inhalte des Grundbuchs nicht mehr der Ehemann der Beklagten, sondern nur noch diese selbst zur Verfügung über die Hypothek (von 23000 M) als befugt erscheinen kann (§ 891 BGB.). Diese Rechtslage beeinflußt die Lage der Klägerin insofern nachteilig, als sie jetzt nicht mehr den ihr vertragsmäßig verpflichteten Ehemann der Beklagten wirksam und ohne weiteres wegen Begründung eines Rangvorrechts für die Baugeldhypothek in Anspruch nehmen kann, vielmehr hierzu erst einen weiten und nicht einmal gewissen Umweg einschlagen müßte, indem sie den allenfallsigen Berichtigungsanspruch des Ehemanns an die Beklagte pfänden und sich überweisen ließe und demnach die Wiedereintragung des Genannten als Hypothekengläubigers erwirkte. Wollte man es unter diesen Umständen der Klägerin gestatten, von jenem Umweg absehend, nunmehr die Beklagte auf Erfüllung der Verpflichtung ihres Ehemanns in Anspruch zu nehmen, so bedeutete das einerseits eine Maßnahme, die zugunsten der Klägerin nur zur Abwendung der ihr nachteiligen Folgen des Scheingeschäfts diente, und anderseits eine Maßnahme, die sich die Beklagte und ihr Ehemann gerade deswegen gefallen lassen müßten, weil sie durch das Scheingeschäft geflissentlich die Lage herbeigeführt haben, daß jetzt grundbuchlich nur die Beklagte dem an sich begründeten Begehren der Klägerin (letzteres einstweilen vorausgesetzt) zu genügen imstande ist. Da insbesondere die Beklagte trotz ihrer als erwiesen angenommenen Absicht, daß ihr Ehemann der Berechtigte sein solle, die Hypothek auf sich selbst umschreiben ließ, dürfte sie sich dem nicht entziehen, daß sie nunmehr auch die Verpflichtung ihres Ehemanns an dessen Statt erfüllte. Die Beklagte sowohl wie ihr Ehemann hätten somit nur die Folgen ihrer Handlungsweise zu tragen (RGZ. Bd. 90 S. 277). Daß bei Befolgung solcher Grundsätze dem Rechtsverkehr und der Rechtssicherheit gegenüber dem üblen Scheingeschäft und dessen nachteiligen Einwirkungen auf die Rechtslage Dritter nur gedient sein würde, ist augenscheinlich. Es kann nicht angehen, Dritte unter einem Scheingeschäfte leiden zu lassen.... Zwar wird dem Dritten oftmals ein Anspruch auf Schadensersatz zur Seite stehen (Gruchot Bd. 49 S. 345). Aber es brauchen die Voraussetzungen eines derartigen Anspruchs nicht immer erfüllt zu sein, da es nicht zum Begriff eines Scheingeschäfts gehört, daß es zur Täuschung Dritter vorgenommen wird (RGZ. Bd. 90 S. 277; Warneyer 1914 Nr. 245), und es somit auch Fälle geben kann, in denen ein solches nicht in betrügerischer Absicht (§ 823 Abs. 2) und auch nicht mit dem Vorsatze der Schädigung eines anderen (§ 826) vorgenommen ist, die Rechtslage eines Dritten aber denkbar gleichwohl durch das Scheingeschäft nachteilig beeinflußt wird.
Indessen auf die vorstehenden Erwägungen die Entscheidung im gegebenen Falle wirklich abzustellen, liegt kein zwingender Grund vor. Denn hier ergibt sich aus den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsurteils, daß die Klägerin unbedenklich schon mit der Schadensersatzklage zum Ziele gelangen kann; daß sie nämlich ihr Klagebegehren, wie es vorliegt, schon aus jenem Gesichtspunkte durchzusetzen vermag, und zwar auch der Beklagten gegenüber, so daß auch deren Einwand mangelnder Beklagbarkeit schon hieran scheitert.
Gegenüber dem Ehemanne der Beklagten ist ausdrücklich festgestellt worden, daß er bei Vornahme des Scheingeschäfts in der unredlichen Absicht gehandelt hat, die Hypothek zu verschieben, um auf diese Weise seiner Verpflichtung aus dem Vertrage vom 18. Januar 1915 (betreffs der Vorrangseinräumung) zu entgehen. Gegenüber der Beklagten selbst ist festgestellt, daß sie bei der Abtretung um die Absicht ihres Ehemanns, der Berechtigte bleiben zu wollen, gewußt und seine Verpflichtung zur Bewilligung des Rangvorrechts für die Baugeldhypothek gekannt hat. Unter diesen Umständen kann kein Zweifel darüber bestehen, daß die Beklagte zum mindesten mit der Möglichkeit gerechnet hat, daß die Verschiebung der Hypothek zum Schaden der Klägerin erfolge, um ihr nämlich die Geltendmachung des Anspruchs auf die Vorrechtseinräumung möglichst zu vereiteln oder wenigstens zu erschweren. Eine andere Aufklärung hat die Beklagte selbst zwar mit dem Einwande zu geben versucht, sie habe ihrem Ehemann erhebliche Beträge in die Ehe eingebracht. Aber es steht ihr die Feststellung des Berufungsgerichts entgegen, daß die Übertragung der Hypothek auf sie in ihrem Einverständnis nur zum Scheine vorgenommen worden ist. Daß nun dieses Scheingeschäft unter den obwaltenden Umständen ein wider die guten Sitten verstoßendes Geschäft bedeutet hat (§ 826), kann ebenfalls keinem Bedenken unterliegen, und zur Erfüllung des subjektiven Tatbestandes jener Vorschrift der Beklagten gegenüber reicht es aus, daß sie, wie dargelegt worden, jedenfalls mit der Möglichkeit gerechnet hat, daß das Geschäft die Klägerin benachteiligen werde, während eine darauf gerichtete Absicht nicht erforderlich war (RGZ. Bd. 56 S. 73, Bd. 76 S. 313, Bd. 79 S. 55). Hat sich mithin die Beklagte ebenfalls gemäß § 826 ersatzpflichtig gemacht, so ist sie nach § 249 gehalten, den Zustand herzustellen, der bestände, wenn die unerlaubte Handlung unterblieben wäre. Der Nachteil endlich, den die Klägerin durch jene Handlung erlitten hat, spricht sich darin aus, daß die Klägerin, wie bereits erwogen worden, ihren Anspruch auf Bewilligung des Vorrangs für die Baugeldhypothek auf Grund des Vertrags nicht mehr sogleich gegen den eingetragenen Hypothekengläubiger richten kann, daß sie dazu vielmehr erst den zweifelhaften und an sich weiten Umweg mittels Pfändung des Berichtigungsanspruchs einschlagen müßte, um zuvörderst die Wiedereintragung des wirklich Verpflichteten zu erlangen. Wenn nun die Beklagte und ihr Ehemann es sich gefallen lassen müssen, daß die Klägerin jetzt die Beklagte als die zurzeit eingetragene Hypothekengläubigerin in Anspruch nimmt und daß durch die Genannte dieser Anspruch erfüllt wird, dann bedeutet das in diesem Sinne nichts anderes, als daß die Klägerin damit in diejenige Lage versetzt wird, in der sie sich, wie angegeben, dann befände, wenn die unerlaubte Handlung der Beklagten und ihres Ehemanns unterblieben und sie sonach imstande geblieben wäre, sich ohne weiteres an den eingetragenen Hypothekengläubiger zu halten. Daß genau der nämliche Zustand hergestellt wird, der zuvor bestanden hatte, verlangt das Gesetz nicht. Unter Umständen kann vielmehr der Geschädigte auch etwas fordern, was nicht die Wiederherstellung des ehemaligen Zustandes darstellen würde, da es genügt, daß der Geschädigte wirtschaftlich so gestellt wird, wie er ohne die unerlaubte Handlung gestellt gewesen wäre (RGZ. Bd. 76 S. 147, Bd. 77 S. 101, Bd. 89 S.99, Bd. 91 S. 213).
In Frage könnte nur noch kommen, ob die Beklagte überhaupt in der Lage ist, dem Klagebegehren zu genügen, da sie, wovon auszugehen, nicht die wirkliche Hypothekengläubigerin ist. Aber auch diese Frage ist unbedenklich zu bejahen. Die Beklagte ist als die eingetragene Hypothekengläubigerin grundbuchlich zur Verfügung über die Hypothek gerade die Befugte; die Vermutung des § 891 besteht auch gegen sie, und wird sie zur Bewilligung des Rangvorrechts rechtskräftig verurteilt, dann besteht für den Grundbuchrichter um so weniger ein Anlaß, die Verfügungsbefugnis der Beklagten zu beanstanden. Es kommt dazu, daß der Ehemann der Beklagten als der wirklich Berechtigte die Verfügung der Beklagten seinesteils auch als wirksam gelten lassen muß, weil durch sie nur seine eigene vertragsmäßige Verpflichtung erfüllt wird." ...