RG, 04.03.1919 - III 338/18

Daten
Fall: 
Anwendung der §§ 149 ff. RBG
Fundstellen: 
RGZ 95, 103
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
04.03.1919
Aktenzeichen: 
III 338/18
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Danzig
  • OLG Marienwerder

1. Zur Anwendung der §§ 149 flg. des Reichsbeamtengesetzes.
2. Darlegungs- und Beweispflicht bezüglich des ursächlichen Zusammenhanges bei Schadensersatzansprüchen.

Tatbestand

Der Kläger, der als Postverwalter im Dienste des beklagten Deutschen Reichs vom 1. Dezember 1902 bis zum 30. September 1905 eine Dienstwohnung in A., Kreis M., inne hatte, machte mit der Klage geltend, daß diese Wohnung, weil falsch und zu schnell gebaut, auch zu früh bezogen, feucht und kalt gewesen sei, und daß infolge dieser vom Beklagten zu vertretenden Mängel er selbst einen Gelenkrheumatismus und ein Herzleiden sich zugezogen habe, während seine Frau - die im Laufe des Rechtsstreites gestorben ist - lungenleidend geworden sei. Er verlangte die Erstattung von Aufwendungen in der Höhe von 7412 M nebst Prozeßzinsen und die Feststellung der Ersatzpflicht des Beklagten für den weiteren Schaden. Die Klage wurde abgewiesen, die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Auf die Revision des Klägers wurde das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Gründe

"Das Berufungsgericht läßt dahingestellt, ob der Kläger nach §§ 149 flg. RBG. innerhalb sechs Monaten vor der Erhebung der Klage die Entscheidung der obersten Reichsbehörde nachgesucht habe, indem es davon ausgeht, daß jene Vorschriften auf Diensteinkünfte zu beschränken seien. Diese Auffassung ist nicht zu billigen. Wie der erkennende Senat wiederholt ausgesprochen hat, finden die Vorschriften auf alle Ansprüche aus dem Dienstverhältnis, also auch auf Schadensersatzansprüche Anwendung, die, wie im vorliegenden Falle, aus einem dem §618 BGB. entsprechenden Grundsatze abgeleitet werden. Es kann in diesem Punkte auf RGZ. Bd. 92 S. 178 (vgl. auch ebenda S. 308) verwiesen werden. Der unrichtige Ausgangspunkt des Berufungsgerichts ist aber für die Entscheidung belanglos. Nach den in der Revisionsinstanz vorgelegten Schriftstücken hat das Reichspostamt auf die Eingaben des Klägers in einem Bescheide vom 8. Dezember 1912 ausdrücklich abgelehnt anzuerkennen, daß die Krankheiten des Klägers und seiner Frau auf Mängel der fraglichen Dienstwohnung zurückzuführen seien. Die Klage ist im April 1913, also innerhalb der gesetzlichen Frist erhoben. Der Rechtsweg ist demnach zulässig.

In der Sache selbst stellt das Berufungsgericht fest, daß die Dienstwohnung kalt, nicht gehörig heizbar, feucht und infolgedessen gesundheitsschädlich gewesen sei, und nimmt auch an, daß diese Mängel wenigstens teilweise auf Umstände zurückzuführen seien, die der Beklagte vertreten müsse, billigt aber gleichwohl die Abweisung der Klage, weil ein ursächlicher Zusammenhang zwischen den Krankheiten des Klägers und seiner Frau und jenen Mängeln nicht angenommen werden könne. Daß es sich bezüglich der letzteren Frage auf § 287 ZPO. beruft, ist nicht zu beanstanden. Nach § 286 ZPO. ist nur zu würdigen, ob ein die Schadenersatzpflicht an sich begründendes Ereignis, ein vom Beklagten zu vertretendes Verschulden vorliegt. Die Begründung des Berufungsurteils kann auch insoweit nicht nachgeprüft werden, als sie sich auf tatsächlichem Gebiete bewegt. Sie ist aber, auch im Rahmen des § 287, rechtlich nicht haltbar, weil sie erkennen läßt, daß das Berufungsgericht die Darlegungs- und Beweispflicht des Klägers bezüglich des ursächlichen Zusammenhangs überspannt hat. Wenn, wie nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hier der Fall ist, Mängel vorlagen, die nach dem natürlichen Verlaufe der Dinge geeignet sind, Krankheiten der fraglichen Art hervorzurufen oder in ihrer Entwickelung zu fördern, dann bedarf es, wenn der ursächliche Zusammenhang verneint werden soll, der Feststellung besonderer durch den Ersatzpflichtigen nachzuweisender Umstände, die nicht nur selbst Krankheitsursache sein können, sondern auch jene Mängel als Ursache oder Mitursache ausschließen. Mit diesem Grundsatze stehen jedenfalls die Ausführungen über die Krankheit der Frau des Klägers nicht im Einklange. Selbst der Sachverständige H., dem das Berufungsgericht im wesentlichen folgt, hat sich dahin ausgesprochen, daß der dauernde Aufenthalt in der feuchten und kalten Wohnung als mitwirkende Ursache für das Leiden der Frau angesehen werden könne. Wenn nun auch das Berufungsgericht an das Gutachten des Sachverständigen nicht gebunden war, so beruht es doch ersichtlich auf einer Verkennung des erwähnten Grundsatzes, wenn das Berufungsgericht auf die bloße Erwägung anderer Möglichkeiten hin sich mit der Feststellung begnügt, es habe nicht die Überzeugung erlangt, daß das Lungenleiden der Frau auch auf den mangelhaften Zustand der Dienstwohnung zurückzuführen sei. Ist aber das Berufungsgericht bei dieser Frage nicht von dem richtigen Grundsatz ausgegangen, dann muß damit gerechnet werden, daß seine unrichtige Auffassung auch die Würdigung des ursächlichen Zusammenhanges bezüglich der Erkrankung des Klägers beeinflußt hat. Die Revision weist zutreffend darauf hin, daß nach dem gewöhnlichen Laufe der Dinge jeder Kranke, der in einer solchen Wohnung lebe, einer Verschlimmerung seines Leidens ausgesetzt sei, und daß der Sachverständige H., der die Ursächlichkeit sowohl für die Entstehung als für eine Verschlimmerung der Leiden des Klägers verneint, für die Verneinung im letzteren Punkte keine besonderen Gründe angibt. In keinem Falle darf eine ungünstige Einwirkung nur mit der Begründung abgelehnt werden, daß dafür kein Anhaltspunkt vorhanden sei, und auch andere Umstände die ungünstige Entwickelung des Gesundheitszustandes erklären könnten, und noch weniger kann entscheiden, ob der Klager selbst früher an einen Zusammenhang seiner Leiden mit den Mängeln der Dienstwohnung gedacht hat oder nicht. Das Berufungsurteil muß daher aufgehoben werden." ...