RG, 27.02.1919 - VI 344/18

Daten
Fall: 
Herabsetzung einer Unfallrente bei Kriegsdienstunfähigkeit
Fundstellen: 
RGZ 95, 87
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
27.02.1919
Aktenzeichen: 
VI 344/18
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Karlsruhe
  • OLG Karlsruhe

Kann eine Unfallrente, die zur Entschädigung des Verletzten für Erwerbsverlust dienen soll, deswegen herabgesetzt werden, weil der Unfall den Verletzten kriegsdienstunfähig gemacht und von der Kriegsgefahr befreit hat?

Tatbestand

Der Beklagte ist in den Vorinstanzen zur Zahlung von 1500 M nebst Zinsen sowie einer Jahresrente von 600 M an den Kläger verurteilt worden. Die Rente soll nach dem Urteile zweiter Instanz mit der Demobilmachung des Deutschen Heeres beginnen und bis zum vollendeten 70. Lebensjahre des Klägers dauern. Die von dem Beklagten gegen diese Entscheidung eingelegte Revision wurde zurückgewiesen aus folgenden Gründen:

Gründe

"Der Kläger ist Revierjäger im mecklenburgischen Staatsdienste. Im Jahre 1914 wurde er im Kriege verwundet und nach längerer Lazarettpflege dem Genesungsheim in G. überwiesen. Hier nahm er am 19. Januar 1915 an einer Treibjagd teil und wurde dabei durch einen von dem Beklagten abgegebenen Schuß am rechten Auge verletzt, was den Verlust des Auges zur Folge hatte. In einem Vorprozesse ist festgestellt worden, daß der Beklagte dem Kläger den vollen Schaden zu ersetzen hat, der ihm aus dem Unfall entstanden ist. Mit der vorliegenden Klage fordert er diesen Schaden. Außer einem Schmerzensgeld verlangt er eine Rente, weil er zwar wieder in den mecklenburgischen Staatsdienst aufgenommen, aber durch den Verlust des Auges in seinen Nebeneinnahmen um mindestens 600 M jährlich geschädigt sei. Das Berufungsgericht hat diesen Anspruch mit der Einschränkung anerkannt, daß der Kläger die Rente erst von der Demobilmachung an fordern könne, weil er bis dahin Soldat gewesen wäre, wenn er den Unfall nicht erlitten hätte, als Soldat aber ein geringeres Einkommen gehabt hätte, als er in seiner Zivilstellung bezogen hat. Die Revision vertritt die Ansicht, daß dem Kläger ein erheblicher Teil der zugesprochenen Rente deswegen hätte aberkannt werden müssen, weil durch seine Verletzung bei der Treibjagd für ihn die Kriegsgefahr beseitigt worden sei. Im Kriege hätte er fallen oder schwer verwundet werden können. Der Eintritt dieser Möglichkeit lasse sich zwar nicht genau berechnen, müsse aber im Rahmen des § 287 ZPO. berücksichtigt werden. Von dem Beklagten war in der vorigen Instanz behauptet worden, daß die Wahrscheinlichkeit, im Kriege zu fallen, für den Kläger auf mindestens 20% zu veranschlagen sei, wenn er den Unfall nicht erlitten hätte; es sei daher auch von der Rente ein Abzug von mindestens 20% zu machen.

Der Angriff ist nicht begründet. Durch die Rente soll der Kläger für den Einnahmeausfall entschädigt werden, den er nach den Feststellungen des Berufungsgerichts infolge der ihm von dem Beklagten zugefügten Verletzung erleidet. Wäre nun mit Sicherheit erweislich, daß der Kläger, wenn er nicht das Auge verloren hätte, durch ein anderweites, mit der Körperverletzung nicht im Zusammenhange stehendes Ereignis sein Leben eingebüßt haben würde, so ließe sich vielleicht die Frage aufwerfen, ob der Beklagte für die nach jenem Ereignis liegende Zeit noch Schadensersatz wegen Erwerbsausfalls zu leisten habe oder ob insoweit der ursächliche Zusammenhang zwischen der Körperverletzung und dem Schaden unterbrochen sei. Dieser Fall ist aber nicht gegeben, vielmehr will der Beklagte deshalb einen Abzug von der Rente machen, weil die Körperverletzung den Kläger von der ferneren Kriegsgefahr befreit habe. Er behauptet nicht eine Unterbrechung des Kausalzusammenhanges, die auch durch die bloße Möglichkeit, daß der Kläger im Kriege sein Leben verlieren könnte, nicht herbeigeführt werden würde, sondern will die Regeln von der Vorteilsausgleichung angewendet wissen. Diese setzen indessen voraus, daß ein Ereignis dem Verletzten Schaden und Vorteil in bezug auf sein Vermögen gebracht hat (vgl. RGZ. Bd. 54 S. 140. Komm. v. RGR. Vorbem. vor § 249 Anm. 13a zu § 823). Schaden und Vorteil müssen sich, wenn sie nicht unmittelbar in Zugang und Abgang von Vermögen bestanden haben, jedenfalls in Vermögenswerten darstellen lassen. Das trifft zu, insoweit der Kläger infolge der Verletzung in seiner Zivilstellung verblieben ist und aus dieser Tätigkeit Einkommen bezogen hat, ist aber auch in diesem Umfange vom Berufungsgerichte berücksichtigt worden. Dagegen ist es nicht angängig, die Möglichkeit, daß der Kläger im Kriege fallen oder verwundet werden könnte, in Geld abzuschätzen und demgemäß die ihm an sich zustehende Entschädigung herabzumindern. Auch § 287 ZPO. bietet für ein solches Verfahren keine Grundlage." ...