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RG, 27.03.1889 - I 39/89

Daten
Fall: 
Dolusklage
Fundstellen: 
RGZ 23, 143
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
27.03.1889
Aktenzeichen: 
I 39/89
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • Landgericht Hamburg
  • Oberlandesgericht Hamburg

Subsidiarität der Dolusklage im allgemeinen Rechte.

Tatbestand

Durch Vertrag vom Jahre 1876 hat S. zu P. als "alleiniger Besitzer" der bei P. gelegenen Hunyadi Janos Bitterquellen der Klägerin den ausschließlichen Verschleiß seines natürlichen Hunyadi Janos Bitterwassers für Großbritannien, dessen Kolonieen und Besitzungen sowie für alle überseeischen Länder und Plätze mit Ausnahme van Smyrna übertragen. Der Vertrag, ursprünglich auf die Dauer von zehn Jahren geschlossen, ist später bis zum 31. Dezember 1890 verlängert worden. Nach Abschluß desselben hat S. ein in der Nähe der ihm bereits gehörigen Quellen belogenes Territorium erworben, auf welchem sich ebenfalls eine Bitterquelle, der Arpad-Brunnen, befand. Klägerin behauptet, daß S., nachdem er dieses Territorium längere Zeit hätte brach liegen lassen, im Jahre 1886 durch den Beklagten dazu veranlaßt worden sei, auf demselben neue Gruben zu eröffnen. Das hieraus gewonnene Bitterwasser, welches seiner Beschaffenheit und Wirkung nach mit dem Hunyadi Janos Bitterwasser völlig gleich sei, habe S. dem Beklagten durch einen mit diesem für die Dauer von zwölf Jahren geschlossenen Vertrag zum Export in die der Klägerin zugewiesenen Gebiete überlassen. Klägerin hat deswegen bei dem nach dem Vertrage zuständigen Börsenschiedsgerichte in Wien gegen S. Klage erhoben. Durch den Spruch desselben vom 21. Februar 1887 ist S. für schuldig erachtet, die Versendung seines Ofener Bitterwassers, sei es mit der Benennung Arpad, sei es mit welcher sonstigen Bezeichnung immer, nach Großbritannien, dessen Kolonieen und Besitzungen sowie nach allen überseeischen Ländern und Plätzen, mit Ausnahme von Smyrna, und den Verkauf solchen Wassers in diesen Gebieten zu unterlassen. Dagegen ist Klägerin mit dem Begehren um Zuerkennung des geforderten Schadens abgewiesen, weil sie nicht in der Lage war, nachzuweisen, ob und welches Quantum Arpad--Wasser zum Verkaufe gelangt sei. Im gegenwärtigen Prozesse hat die Klägerin den Beklagten auf Ersatz des ihr durch rechtswidrige Konkurrenz erwachsenen Schadens in Anspruch genommen, indem sie geltend macht, daß der Beklagte in der Absicht, die Klägerin zu schädigen, in voller Kenntnis des zwischen der Klägerin und S. abgeschlossenen Vertrages und in dem Bewußtsein, daß der Verkauf des Bitterwassers auch unter der Bezeichnung Arpad nach den Monopolgegenden der Klägerin dem S. durch den Vertrag verboten sei, denselben angestiftet habe, das Wasser der Arpadquellen unter der Bezeichnung Arpad nach den Monopolgegenden der Klägerin zu exportieren, oder daß er wenigstens in voller Kenntnis der Rechtswidrigkeit dieses Verfahrens sich an demselben beteiligt habe. Auf Grund der stattgehabten Beweisaufnahme ist Beklagter in erster Instanz nach dem Klagantrage verurteilt. Das Oberlandesgericht hat die Klage abgewiesen, weil dieselbe nur als Dolusklage zu begründen, als solche aber wegen der auch für das gemeine Recht anzuerkennenden Subsidiarität der actio doli nicht zulässig sei. Auf die Revision der Klägerin ist das Berufungsurteil aufgehoben worden aus folgenden Gründen:

Gründe

"Dem Berufungsrichter ist darin beizutreten, daß die gegenwärtige Klage nur dann begründet ist, wenn die Voraussetzungen der actio de dolo gegeben sind. Das Reichsgericht nimmt ferner mit dem Berufungsrichter an, daß die actio de dolo auch gemeinrechtlich eine nur subsidiäre Klage ist. Die in der neueren Litteratur nur von Hänel (Archiv für civilistische Praxis Bd. 12 S. 416) aufgestellte Ansicht, daß die Subsidiarität dieser Klage im heutigen Rechte mit der infamierenden Natur derselben fortgefallen sei, kann nicht als richtig anerkannt werden. Der von Ulpian in 1. 1 §. 4 Dig. de dolo 4, 3 geltend gemachte Grund: quoniam famosa actio non temere debiut a praetore decerni, ist zwar für die Gestaltung, welche die Subsidiarität durch die römische Jurisprudenz erhalten hat, sicherlich nicht bedeutungslos gewesen, mag auch schon bei der Einführung des prätorischen Ediktes in Betracht gekommen sein, war aber doch immerhin nur ein und keinesfalls das einzige Motiv des Grundsatzes, daß nur in Ermangelung eines anderen Rechtsbehelfes auf die actio famosa zurückgegriffen werden darf. Es hängt mit der Entwickelung des gesamten römischen Klagensystemes und insbesondere mit der Entwickelung der Schadensklage zusammen, daß der dolus nur in dem Falle als Klagegrund zugelassen worden ist, daß der Ersatz eines arglistig verursachten Schadens nicht in anderer Weise erlangt werden kann. Auf diesen Zusammenhang hat Ulpian selbst in der bekannten Gegenüberstellung des crimen stellionatus und der Dolusklage (1. 3 §. 1 Dig. stellionatus 47, 20) deutlich hingewiesen. Weitere Belege hierfür sind in den Ausführungen des Berufungsurteiles beigebracht. Ist aber mit dem Wegfalle der Eigenschaft einer actio famosa nur ein Motiv für die Subsidiarität der actio de dolo unwirksam geworden, so fehlt es an einem ausreichenden Grunde, die Geltung des obigen Rechtssatzes im heurigen Rechte zu verneinen. Ein Gewohnheitsrecht, durch welches derselbe von der Rezeption ausgeschlossen ist, liegt nicht vor. Bis auf Hänel ist die fortdauernde Geltung jenes Grundsatzes auch nicht bezweifelt worden, und wenngleich die Ansicht des genannten Schriftstellers demnächst von Savigny, Wächter, Windscheid u. a. gebilligt worden ist, so kann sie trotz dieser sehr beachtenswerten Zustimmung nicht als die in der Doktrin oder Rechtsprechung vorherrschende betrachtet werden.

War hiernach der prinzipielle Ausgangspunkt des Berufungsurteiles für zutreffend zu erachten, so konnte doch den aus demselben hergeleiteten Folgerungen nicht beigepflichtet werden.

Praktische Bedeutung hat die Subsidiarität der actio de dolo gegenwärtig hauptsächlich für den Fall, daß ein Dritter, nicht derjenige, gegen den die prinzipale Klage zusteht, in Anspruch genommen wird. Um diesen Fall handelt es sich hier. Die Quellen versagen nun allerdings dem Geschädigten die actio de dolo schon dann: si habuit aliam actionem. Allein, die Beispiele, die angeführt werden, si alia actio tempore finita est, sibi imputatoro eo, qui agere supersedit oder si quis cum actionem civilem haberet vel honoriam in stipulatum diductam acceptilatione vel alio modo sustulerit (I. 1 §§. 6. 7 Dig. 4, 3) zeigen, daß hierbei an Fälle gedacht ist, in denen der Kläger das ihm zustehende prinzipale Klagerecht durch Handlungen oder Unterlassungen aufgegeben hat. Nicht der dolus, sondern die Verfügung, die über das prinzipale Klagerecht getroffen ist, erscheint in solchen Fällen als die Ursache des Schadens. Die Gleichstellung dieser Fälle mit dem gegenwärtig zu entscheidenden, in welchem das Wiener Schiedsgericht die Klage gegen S. deswegen abgewiesen hat, weil Klägerin nicht in der Lage war, nachzuweisen, ob und welches Quantum Arpad-Wasser verkauft sei, ist nicht gerechtfertigt, da hier von einem Aufgeben des Prinzipalen Anspruches seitens des Klägers nicht die Rede sein kann. Geht man, wie dies für die Frage nach der Statthaftigkeit der Klage erforderlich ist, davon aus, daß der Beklagte sich doloserweise an den vertragswidrigen Handlungen des S. beteiligt hat, so stand Klägerin auch im Vorprozesse noch unter dem Einflusse des vom Beklagten in Gemeinschaft mit S. verübten dolus, und es muß als eine Folge desselben betrachtet werden, daß sie die vom Schiedsgerichte für erforderlich erachteten Grundlagen ihrer Schadensforderung nicht beizubringen vermochte. Der Umstand, daß Klägerin eine Klage gegen S. hatte und mit derselben abgewiesen ist, steht mithin unter dieser Voraussetzung der jetzt angestellten Dolusklage auch deswegen nicht entgegen, weil Klägerin in (gegen S.) dolum malum passus est (I. 1 §. 7 cit.). Hinzuweisen ist ferner darauf, daß der Berufungsrichter es für zweifelhaft erklärt, ob Klägerin durch die Vorentscheidung gehindert sein würde, den gegenwärtig substanziierten Schadensanspruch wegen Veräußerung von 122 Kisten Arpad-Wasser während der Monate Januar und Februar 1887 gegen S. geltend zu machen. Hiernach würde die vorliegende Klage auch mit Recht aus I. 7 §. 3 Dig. 4, 3 zuzulassen sein.

Da das Berufungsurteil die Klage lediglich wegen der Subsidiarität der actio de dolo abgewiesen hat, war dasselbe aufzuheben.

Zum Endurteile ist die Sache noch nicht reif. ... Mit Bezug auf eine vom Vertreter des Revisionsbeklagten vorgetragene Rechtsausführung ist zu bemerken, daß die bewußte Mitwirkung eines Dritten zu Vertragsverletzungen zwar nicht unter allen Umständen die Dolusklage begründet, wohl aber dann, wenn in der Handlungsweise des Dritten eine calliditas, fallacia, machinatio ad circumveniendum, fallendum, decipiendum alterum adhibita (1. 1 §. 2 Dig. 4, 3) zu finden ist."