RG, 21.02.1919 - II 310/18

Daten
Fall: 
Übergang des Geschäfts einer offenen Handelsgesellschaft
Fundstellen: 
RGZ 95, 32
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
21.02.1919
Aktenzeichen: 
II 310/18
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Mannheim
  • OLG Karlsruhe

Tritt bei der offenen Handelsgesellschaft der für den Fall des Todes eines Gesellschafters bestimmte Übergang des Geschäfts auf den anderen Gesellschafter auch dann ein, wenn ein Gesellschafter gekündigt hat, aber vor Ablauf der Kündigungsschrift stirbt?

Tatbestand

Durch privatschriftlichen Vertrag vom 23. März 1916 errichteten P. Kl., der Erblasser der Klägerinnen, und der Beklagte eine offene Handelsgesellschaft auf unbestimmte Dauer mit dem Sitze in Mannheim. Am 12. Juli 1917 kündigte P. Kl. die Gesellschaft auf den 1. März 1918. den Schluß des Geschäftsjahres. Am 28. Februar 1918 starb er. Auf Grund des § 10 des Gesellschaftsvertrags, wonach, wenn ein Gesellschafter "während der Dauer des Vertrags" stirbt, das Geschäft mit Aktiven und Passiven und Firma auf den anderen Teilhaber übergeht, ließ sich der Beklagte als alleiniger Inhaber der Firma in das Handelsregister eintragen.

Die Erben des P. Kl. erhoben Klage mit dem Antrage, den Beklagten zu verurteilen 1. einzuwilligen, daß der von ihm bewirkte Eintrag im Handelsregister, wonach er Alleininhaber der Firma sei, gelöscht werde, 2. bei der Anmeldung der Auslösung der Gesellschaft und der zu ernennenden Liquidatoren zum Handelsregister mitzuwirken. Sie machten geltend, daß die Auflösung der Gesellschaft auf Grund der Kündigung ihres Erblassers zu erfolgen habe und § 10 des Gesellschaftsvertrags, der auch bestimmt, daß beim Übergange des Geschäfts infolge des Todes auf den anderen Teilhaber dieser lediglich das auf Grund des letzten vor dem Todestage vollendeten Geschäftsjahres berechnete Guthaben des verstorbenen Gesellschafters auszuzahlen habe, nicht zur Anwendung komme.

Beide Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Die Revision der Klägerinnen wurde zurückgewiesen.

Aus den Gründen

Mit Recht nimmt das Berufungsgericht an, daß nach der klaren und unzweideutigen Fassung des Vertrags das von der offenen Handelsgesellschaft betriebene Geschäft mit dem am 28. Februar 1918 erfolgten Tode des Kl. auf den Beklagten überging. Der Tod trat ein während des Laufes der Kündigungsfrist; er führte die sofortige Auflösung der Gesellschaft herbei, bevor die Auflösung infolge der Kündigungserklärung des Kl. eintreten konnte. Diese Erklärung verlor damit ihre auflösende Kraft, und eine Liquidation war ausgeschlossen durch die Bestimmung des Gesellschaftsvertrags, wonach das Geschäft infolge des Todesfalles gegen eine näher bezeichnete Abfindung auf den Beklagten überging (RGZ. Bd. 93 S. 54).

Mit Unrecht rügt die Revision Verletzung des § 157 BGB. Richtig ist, daß Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags, wonach beim Tode eines Gesellschafters das gemeinschaftliche Geschäft auf den anderen Gesellschafter übergeht, die Erhaltung des Geschäfts begünstigen sollen. Daraus läßt sich zwar herleiten, daß der Übergang des Geschäfts entfallen soll, wenn zu der Zeit, wo er einzutreten hatte, die Gesellschaft schon aus einem anderen Grunde aufgelöst, schon in Liquidation getreten ist, nicht aber, daß der Übergang des Geschäfts auch dann nicht eintreten soll, wenn die Gesellschaft noch besteht und nur, insbesondere infolge einer Kündigung, feststeht, daß die Auflösung der Gesellschaft in einem späteren Zeitpunkt auch ohne den Todesfall erfolgt sein würde. Demgemäß hat auch das von der Revision angeführte Urteil des Reichsgerichts vom 24. Juni 1913 II. 186/13 ausdrücklich ausgesprochen, daß das Übernahmerecht eine noch nicht aufgelöste Gesellschaft voraussetzt. Das Berufungsgericht hatte daher keinen Anlaß, zu erörtern, ob wegen des wirtschaftlichen Zweckes solcher Bestimmungen bereits die frühere Kündigung des Kl., nicht erst die infolge derselben eingetretene Auflösung der Gesellschaft, nach dem Willen der Vertragschließenden die Anwendung des § 10 des Gesellschaftsvertrags ausschließen sollte. Ein solcher Wille der Vertragschließenden hat in dem Vertrage keinen Ausdruck gefunden und auch sonst sind dafür sprechende Tatsachen nach Feststellung des Berufungsgerichts nicht vorgebracht. Daß es ausdrücklich hätte gesagt werden müssen, wenn § 10 des Vertrags sich auf den ungekündigten Vertrag beziehen sollte, hat das Berufungsgericht nicht verlangt. Der § 10 umfaßt auch den Fall der gekündigten, aber noch nicht aufgelösten Gesellschaft. Eine Lücke für diesen Fall besteht nicht. Ob die Vertragsparteien diesen Fall in Betracht gezogen haben, ist unerheblich. Es genügt, daß die vertragliche Regelung ihn mitumfaßt. Für eine Erwägung des Berufungsgerichts, wie die Parteien den Fall behandelt haben würden, wenn sie ihn in Betracht gezogen hätten, war daher kein Raum. ...