RG, 25.09.1899 - VIa 84/99

Daten
Fall: 
Erkrankung des Prozeßbevollmächtigten
Fundstellen: 
RGZ 44, 427
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
25.09.1899
Aktenzeichen: 
VIa 84/99
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Liegnitz
  • OLG Breslau

Ist eine Erkrankung des Prozeßbevollmächtigten geeignet, einen Wechsel in der Person des Rechtsanwaltes als notwendig erscheinen zu lassen?

Tatbestand

Der Prozeßbevollmächtigte des Beklagten war erkrankt. Der Beklagte kündigte ihm das Mandat und bestellte einen anderen Rechtsanwalt zum Prozeßbevollmächtigten. Die hierdurch entstandenen Mehrkosten wurden vom Oberlandesgerichte gestrichen. Der Beklagte erhob weitere Beschwerde, welche jedoch zurückgewiesen ist.

Aus den Gründen

... "Mit Recht sind ... die durch Bestellung des Rechtsanwaltes S. zum Prozeßbevollmächtigten entstandenen Mehrkosten abgesetzt. Das zuerst dem Rechtsanwalt Dr. A. erteilte Mandat hat der Beklagte seinerseits gekündigt. Ein genügender Grund für diese Maßregel lag nicht vor; denn solange der Anwalt in geeigneter Weise für Vertretung sorgte, war das Interesse des Beklagten nicht gefährdet. Daß der Partei das Recht der freien Wahl des Anwaltes geschmälert würde, wenn ihr in solchen Fällen die Kündigung des Mandates und die Bestellung eines anderen Prozeßbevollmächtigten versagt wird, kann nicht zugegeben werden. Die Stellung der Partei zu dem von ihr erwählten Rechtsanwälte bringt es vielmehr als Regel mit sich, daß sie bei gegebener Veranlassung die Ausübung der Anwaltsthätigkeit durch einen Vertreter geschehen zu lassen hat. Insbesondere muß die lediglich aus dem bezeichneten Grunde vorgenommene Bestellung eines anderen Anwaltes dem Gegner gegenüber hinsichtlich der Kosten ohne Folgen bleiben. Es mögen Fälle denkbar sein, in denen die Lage der Sache so erhebliche und besonders geartete Schwierigkeiten bietet, daß die Vertretung mit Erfolg nur durch einen in dem speciellen Rechtsgebiete hervorragend erfahrenen Anwalt geschehen kann, und in denen daher, wenn der zuerst bestellte Prozeßbevollmächtigte die Führung der Sache in eigener Person nicht mehr in vollem Umfange besorgen kann, der Partei die Wahl eines anderen gestattet sein muß, der Wechsel in der Person des Anwaltes also im Sinne des § 87 C. P. O. notwendig ist; allein von solcher Beschaffenheit ist der hier vorliegende Fall nicht." ...