RG, 30.11.1917 - II 256/17

Daten
Fall: 
Verweigerung der Eidesleistung
Fundstellen: 
RGZ 91, 256
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
30.11.1917
Aktenzeichen: 
II 256/17
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG II Berlin
  • Kammergericht Berlin

1. Muß die schwurpflichtige Person oder die Partei zu dem vom ersuchten Richter bestimmten Eidesleistungstermine geladen werden, damit beim Ausbleiben des Schwurpflichtigen der Eid als verweigert angesehen werden kann?
2. Inwieweit sind die vom Berufungsrichter ausgesprochenen Folgen der Verweigerung der Eidesleistung für das Revisionsgericht bindend?

Tatbestand

Die Klägerin hatte dem Beklagten im Jahre 1906 einen Zwillings-Motor mit Generatoranlage für 39.666 M geliefert. Da von den bedungenen Ratenzahlungen nur eine geleistet wurde, verkaufte sie den Motor nach Verabredung mit dem Beklagten für dessen Rechnung weiter. Indem sie den erzielten Erlös sowie verschiedene andere Posten vom Vertragspreise kürzte, erhob sie Klage auf 11.483,78 M nebst 5 % Zinsen seit 1. Oktober 1908, abzüglich zweier am 17. Dezember 1909 fälliger Gegenforderungen des Beklagten von 3146,15 M und 1675,39 M. Der Beklagte wandte ein, die Klägerin habe außer dem Motor auch die Generatoranlage verkauft, und zwar für mindestens 7000 M. Der Eid, den er hierüber zuschob und den sie annahm, wurde durch Beweisbeschluß für ihren Geschäftsführer G. dahin normiert: "Die Klägerin hat die Generatoranlage mit Zubehör nicht für 7000 M oder mehr oder weniger verkauft." Um die Erledigung des Beschlusses wurde das Amtsgericht Aschaffenburg ersucht. Dieses setzte Termin zur Leistung des Eides auf den 9. Oktober 1916 an. In dem Termin erschien jedoch niemand; ein Antrag auf nachträgliche Abnahme des Eides wurde binnen einer Woche darauf nicht gestellt. Dagegen erklärte sich der Geschäftsführer im nächsten Verhandlungstermine vor dem Prozeßgericht, am 6. Dezember 1916, zur Eidesleistung bereit, indem er bemerkte, die Ladung zu dem Eidesleistungstermine habe ihn nicht erreicht, da er sich im Bade aufgehalten habe. Die Beklagte beantragte, den Eid für verweigert zu erklären.

Der erste Richter wies die Klage ab. Er erachtete den Eid für verweigert und stellte fest, daß die Klägerin die Generatoranlage für 7000 M verkauft habe. Da auch anzunehmen sei, daß die Anlage alsbald einen Käufer gefunden habe, komme dem Beklagten der Kaufpreis von 7000 M von Anfang an, d. h. schon zur Zeit des Beginns des Zinsenlaufs für die eingeklagte Forderung zugute. Die Berufung der Klägerin wurde zurückgewiesen; ebenso ihre Revision.

Aus den Gründen

"Was zunächst die Frage anlangt, ob das Berufungsgericht die Eidesleistung als verweigert ansehen durfte, so ist davon auszugehen, daß hierzu die Ladung des Schwurpflichtigen nicht erforderlich war. Die Anberaumung des Termins vom 9. Oktober 1916 enthielt den ausdrücklichen Hinweis, daß der Termin zur Eidesleistung bestimmt sei. Diese Terminsbestimmung wurde der schwurpflichtigen Partei, und zwar gemäß § 176 ZPO. ihrem für die Instanz bestellten Prozeßbevollmächtigten zugestellt. Das genügte, um der Terminsbestimmung des ersuchten Richters gegenüber der Klägerin Wirksamkeit zu verschaffen. Es war nun Sache der Klägerin, ihren Geschäftsführer zum Eidesleistungstermine zu bestellen (§ 329 Abs. 3 ZPO.). Es bedurfte weder einer Ladung des schwurpflichtigen Geschäftsführers noch auch nur einer Ladung der Klägerin selbst zu Händen ihres Prozeßbevollmächtigten. Eine solche Ladung ist in der Zivilprozeßordnung nicht vorgeschrieben und bei allen von Amts wegen bestimmten Terminen, bei denen das Gesetz sie nicht besonders vorschreibt, nicht erforderlich. Ihre Notwendigkeit läßt sich auch nicht mit einzelnen Schriftstellern1 herleiten. Diese Bestimmung erfordert die Ladung der nicht erschienenen Partei nur als Voraussetzung des Erlasses eines Versäumnisurteils. Ein solches sollte aber für die Entscheidung, daß der Eid als verweigert anzusehen sei, durch die jetzige Fassung des § 465 ZPO. gerade ausgeschlossen und durch den einfachen Antrag der Gegenpartei, den Eid als verweigert anzusehen, ersetzt werden. Da nun der schwurpflichtige Geschäftsführer die nachträgliche Abnahme des Eides erst nach Ablauf der in § 466 ZPO. vorgeschriebenen Notfrist von einer Woche nach dem Termine vom 9. Oktober 1916 beantragt hat, mußte der Eid auf den entsprechenden Antrag des Beklagten als verweigert behandelt werden.

Als Folge der Verweigerung steht nach Annahme des Berufungsgerichts fest, daß die Klägerin die Generatoranlage für 7000 M verkauft hat. Ob diese Folge und nicht wegen des Inhalts der Eidesnorm bloß der Verlauf überhaupt, aber nichts über die Höhe des Preises aus der Eidesverweigerung sich ergab, entzieht sich der Nachprüfung, da in der schriftlichen Revisionsbegründung ein Angriff, der nur die Verletzung des § 464 ZPO. zum Gegenstande haben könnte, nicht erhoben worden ist (§ 554 Abs. 3 Nr. 2 ZPO.) Weiter hat das Berufungsgericht angenommen, daß sich die Klägerin im Interesse des Beklagten um einen baldigen Verkauf bemüht und daß daher die Generatoranlage "in kurzer Zeit" einen Käufer gefunden hat. In Verbindung mit der daran geknüpften Folgerung, der Kaufpreis von 7000 M sei auf das Kapital, nicht auf die seit 1. Oktober 1908 laufenden Zinsen des eingeklagten Betrags zu verrechnen, und angesichts der unstreitigen Tatsache, daß die Klägerin die ganze dem Beklagten verkaufte Maschinenanlage schon im Juni 1908 zurückgenommen hat, kann die Annahme des Berufungsgerichts nur dahin verstanden werden, daß sie auch die Generatoranlage vor dem 1. Oktober 1908 verkauft hat. Auch diese tatsächliche Annahme ist mangels eines dagegen erhobenen Angriffs für das Revisionsgericht bindend.

Hiernach ist für die Entscheidung davon auszugehen, daß die Klägerin die Generatoranlage vor dem 1. Oktober 1908 für 7000 M verkauft hat. Es fragt sich nur noch, ob dies genügt, um sich den Kaufpreis von 7000 M von dem eingeklagten Betrag absetzen zu lassen.

Die Klägerin bestreitet, den Preis oder auch nur einen Teil davon erhalten zu haben. Sie macht auch geltend, sie habe über die Generatoranlage nicht dinglich verfügt. Diese befinde sich vielmehr noch immer in ihrem Besitze; gegen Zahlung des eingeklagten Betrags sei sie zur Übergabe an den Beklagten bereit. Das Berufungsgericht hat demgegenüber nicht festgestellt, daß die Klägerin den Kaufpreis für die Generatoranlage erhalten und diese dem Käufer übergeben hat. Es hält sie unabhängig davon zur Anrechnung des Kaufpreises für verpflichtet.

Die hiergegen gerichteten Angriffe der Revision sind nicht begründet. Zwar ist eine Verpflichtung der Klägerin, die Generatoranlage für Rechnung des Beklagten zu verkaufen, nicht festgestellt. Fest steht nur, daß sie das Recht haben sollte, zur Herabminderung ihrer Forderung auch die Generatoranlage zu verkaufen. Aus der Tatsache des Verkaufs ergibt sich aber, daß sie gegen den Käufer ein Forderungsrecht auf Zahlung von 7000 M erlangt hat. Wenn sie zum Verkaufe für Rechnung des Beklagten auch nur berechtigt, nicht verpflichtet war, so war sie doch, da sie von diesem Rechte Gebrauch gemacht hat, nach Treu und Glauben dem Beklagten gegenüber verbunden, ihr Forderungsrecht durch Einziehung des Kaufpreises auszuüben. Daß ihr diese Einziehung ohne ihr Verschulden unmöglich geworden sei (§§ 276, 282 BGB.), hat sie nicht behauptet und konnte sie von ihrem Standpunkt aus, wonach sie überhaupt nicht verkauft haben will, nicht behaupten. Ist ihr also der Kaufpreis nicht gezahlt worden, so hat sie dies zu vertreten und muß sich so behandeln lassen, als hätte sie ihn erlangt (§ 249 BGB.). Daß sie mit dem Beklagten eine Vereinbarung getroffen hätte, wonach sie im Falle des Verkaufs den Preis nur, wenn und soweit sie ihn tatsächlich erlangte, sich abrechnen lassen müsse, hat sie nicht geltend gemacht. Hiernach rechtfertigt sich der Abzug der 7000 M von der Forderung der Klägerin, einerlei ob sie den Betrag erhalten hat oder nicht."

  • 1. Vgl. die Kommentare von Stein (Bem. II) und Seuffert (Bem. 2) zu § 465 ZPO aus entsprechender Anwendung des § 335 Abs. 1 Nr. 2 ZPO.