RG, 30.11.1917 - II 243/17

Daten
Fall: 
Verordnung über Öle und Fette
Fundstellen: 
RGZ 91, 280
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
30.11.1917
Aktenzeichen: 
II 243/17
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Hamburg, Kammer für Handelssachen
  • OLG Hamburg

Bezieht sich die Verordnung über Öle und Fette vom 8. November 1915 (RGBl. S. 735) auch auf früher abgeschlossene Verträge? Bedeutung des Ausdrucks"absetzen"in § 3.

Tatbestand

Der Beklagte verkaufte der Klägerin Ende Oktober sowie am 1. November 1915 rohes rumänisches Rüböl, rollend für ihn auf Bremen und Hamburg, netto Kasse gegen Dokumente. Vor Übergabe der Ware oder der Dokumente wurde am 9. November die Verordnung über Öle und Fette vom 8. November 1915 verkündet und trat in Kraft. Auf Grund dessen erklärte die Klägerin zunächst, sie trete vom Vertrage zurück. Da aber die Verordnung auf solche Öle und Fette, die nach dem 11. November 1915 aus dem Ausland eingeführt werden, keinen Bezug hat, war sie dann doch zur Abnahme unter der Bedingung bereit, daß das zu liefernde Rüböl die deutsche Grenze nach dem 11. November überschritten habe.

Das Öl wurde der Klägerin vom Beklagten unter dem 15., 16. und 18. November fakturiert und mit Frachtbriefen, die er am 13., 15. und 16. November ausgestellt hatte, von Bremen und Hamburg zugerollt. Nachdem sie den Kaufpreis bezahlt hatte, stellte sich heraus, daß es schon vor dem 11. November nach Deutschland eingeführt war. Die Klägerin zeigte deshalb dem Kriegsausschusse für pflanzliche und tierische Öle und Fette, Gesellschaft m. b. H. in Berlin, den Besitz der Ware an. Der Kriegsausschuß machte von seinem Rechte, das Öl zu übernehmen, Gebrauch und zahlte der Klägerin einen Übernahmepreis, der um 67.851 M hinter dem von ihr entrichteten Vertragspreise zurückblieb. Mit der Klage verlangte die Klägerin von dem Beklagten die Rückerstattung dieser Summe.

Die Vorinstanzen erkannten der Klage gemäß. Die Revision des Beklagten hatte keinen Erfolg.

Gründe

"Der Berufungsrichter hat der Klage mit der Begründung stattgegeben, der Beklagte habe die ihm nach § 433 BGB. obliegende Verpflichtung, der Klägerin das Eigentum an dem Öle zu verschaffen, infolge des Erlasses der Verordnung vom 9. November 1915, deren Wirkung sich auch auf zeitlich vorangegangene Abschlüsse erstrecke, nicht erfüllt; er sei zur Erfüllung auch nicht imstande und müsse deshalb den Kaufpreis zurückzahlen.

Der Beklagte bekämpft mit der Revision sowohl die Annahme, daß nach der Verordnung vom 8. November 1915 das Eigentum an dem der Klägerin gelieferten Öl auf sie nicht habe übertragen werden können, als ganz besonders die weitere Annahme, daß die Absatzbeschränkung des § 3 sich auf Verträge beziehe, die vor dem Inkrafttreten der Verordnung abgeschlossen waren. Allein in beiden Beziehungen muß der Auffassung des Berufungsrichters beigetreten werden.

Zweck und Wortlaut der Verordnung (vgl. die §§ 1, 3, 4, 14) lassen keinen Zweifel darüber, daß sie ausnahmslos alles mit Beginn des 11. November 1915 in Deutschland befindliche Öl und Fett betrifft. Wer solches mit Beginn dieses Tages in Gewahrsam hatte, war, abgesehen nur von den in § 1 Abs. 2 bezeichneten, hier nicht in Frage kommenden Fällen, verpflichtet, die Mengen anzuzeigen; befand sich die Ware unterwegs, so war die Anzeige von dem Empfänger unverzüglich nach Empfang zu erstatten. Eine Ausnahme nach der Richtung hin, daß sich die Verordnung auf Öl oder Fett, worüber zuvor Schlüsse getätigt waren, nicht erstrecken solle, ist nirgends ersichtlich.

Durch § 3 Abs. 1, § 16 Nr. 2 der Verordnung ist es bei Strafe verboten, Öl und Fett in anderer Weise als durch den Kriegsausschuß abzusetzen. Dabei ist der Ausdruck"absetzen", der aus dem Kaligesetze vom 25. Mai 1910 (§§ 1, 3) übernommen zu sein scheint, nach Sinn und Zweck der Verordnung und nach ihrem Wortlaute (vgl. §§ 3, 4, 8) im weitesten Sinne zu verstehen. Jede räumliche, aber auch jede einen Eigentumswechsel darstellende Veränderung hat ausgeschlossen werden sollen. Für den Kriegsausschuß ist das aus' schließliche Recht festgelegt, Öl für sich oder für andere zu übernehmen; nur auf ihn oder auf eine von ihm zu bezeichnende Person kann, wenn er von den ihm gewährten Rechten Gebrauch machen will, Eigentum übertragen werden. Daher konnte in der Tat der Beklagte, der die Wagen mit dem Öl am 13., 15. und 16. November von Hamburg oder Bremen an die Klägerin gesandt oder weitergesandt hat, ihr das Eigentum daran nicht mehr verschaffen." ...