RG, 27.11.1917 - III 261/17

Daten
Fall: 
Genehmigung des Konsistoriums
Fundstellen: 
RGZ 91, 235
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
27.11.1917
Aktenzeichen: 
III 261/17
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Königsberg
  • OLG Königsberg

Bedürfen evangelische Kirchengemeinden der älteren Provinzen Preußens zur Klagerhebung der Genehmigung des Konsistoriums?

Tatbestand

Der Beklagte, der die Pfarrländereien der Klägerin, einer evangelischen Kirchengemeinde in Ostpreußen, für die Zeit von 1900 bis 1918 gepachtet hatte und im Vorprozesse von der Klägerin erfolglos auf Räumung verklagt worden war, behauptete, durch das ungerechtfertigte Vorgehen der Klägerin - Kündigung, Klage, Verpachtungsanzeige - geschädigt zu sein und einen Schadensersatzanspruch von mindestens 10.000 M gegen sie zu haben, den er auf Vertrag und unerlaubte Handlung stützte. Die Klägerin beantragte, festzustellen, daß dem Beklagten ein solcher Anspruch nicht zustehe. Die erste Instanz gab der Klage statt. Die Berufung des Beklagten wurde zurückgewiesen. Seine Revision hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen

"Die von der Revision zur Nachprüfung gestellte Frage, ob zur Klagerhebung nicht die Genehmigung des Konsistoriums erforderlich gewesen sei, ist zu verneinen. Die klagende Kirchengemeinde wird nach § 22 der Kirchengemeinde- und Synodalordnung vom 10. September 1873 in vermögensrechtlicher Beziehung vom Gemeindekirchenrate vertreten, der nach § 31 Nr. 4 a. a. O. bei der Anstellung von Prozessen, abgesehen von hier nicht gegebenen Ausnahmen, bei beschließenden Mitwirkung der Gemeindevertretung bedarf. Die Zustimmung eines Patrons (RGZ. Bd. 71 S. 49) steht nicht in Frage. Eine staats- oder kirchenaufsichtliche Genehmigung war nicht erforderlich. Für die Staatsaufsicht ergibt sich dies aus Art. 26 des Gesetzes, betr. die evangelische Kirchenverfassung vom 3. Juni 1876, wonach die kirchlichen Organe zur Führung von Prozessen keiner Ermächtigung von seiten einer Staatsbehörde bedürfen. Bezüglich der Kirchenaufsicht führt § 1 des Kirchengesetzes. betr. die kirchliche Aufsicht über die Vermögensverwaltung der Kirchengemeinden, vom 18. Juli 1892 unter Nr. 1 bis 12 die Fälle auf, in denen die Beschlüsse der kirchlichen Gemeindeorgane in Vermögensangelegenheiten zu ihrer Gültigkeit der Genehmigung der kirchlichen Aufsichtsbehörde bedürfen. Von der Prozeßführung ist dort nicht die Rede, § 2 verordnet: "Alle Bestimmungen, nach denen es zu den Geschäften der kirchlichen Vermögensverwaltung in anderen als den in § 1 genannten Fällen einer Genehmigung der kirchlichen Aufsichtsbehörde bedarf, treten außer Kraft". Nach Art. 1 des Gesetzes vom 3. März 1893 aber traten mit dem Inkrafttreten des Kirchengesetzes alle sonstigen Bestimmungen über die Genehmigung der kirchlichen Aufsichtsbehörden zu den Beschlüssen der Gemeindeorgane in Vermögensangelegenheiten für evangelische Kirchengemeinden außer Kraft. Damit war das Erfordernis einer Genehmigung der kirchlichen Aufsichtsbehörden (vgl. § 652 ALR. II, 11) jedenfalls für Prozesse in Vermögensangelegenheiten beseitigt. Im Einklänge damit fordert § 92 der Verwaltungsordnung für das kirchliche Vermögen vom 17. Juni 1893 nur die Zustimmung der vereinigten Gemeindekörperschaften und des Patrons. Die gleiche Auffassung liegt der Entscheidung RGZ. Bd. 71 S.49 zugrunde, die sich mit dem Erfordernisse der Genehmigung des Patrons befaßt, und wird auch sonst allgemein anerkannt (vgl. Gebser, Verwaltungsordnung § 92 Anm. 1, Krisolli und Schultz, Verwaltungsordnung § 92 Anm. 2). Die Klägerin bedurfte also keiner Zustimmung des Konsistoriums." ...