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RG, 27.11.1917 - III 257/17

Daten
Fall: 
Aufnahme eines Kranken
Fundstellen: 
RGZ 91, 263
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
27.11.1917
Aktenzeichen: 
III 257/17
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Karlsruhe
  • OLG Karlsruhe

Wann liegt bei Aufnahme eines Kranken in ein städtisches Krankenhaus ein bürgerlichrechtlicher Vertrag vor?

Tatbestand

Der im badischen Staatseisenbahndienst als Lokomotivführer angestellte Kläger, der in der Nacht vom 28. auf 29. Februar 1912 einen Anfall schweren Verfolgungswahnes hatte, wurde am folgenden Morgen durch die zur Hilfe herbeigerufene Polizei in das Krankenhaus der verklagten Stadtgemeinde gebracht. Nach seiner Unterbringung in einem größeren Krankensaale des zweiten Stockes kroch er durch einen offenen Fensterflügel hindurch und stürzte in den Hof hinab, wodurch er sich einen Kniescheibenbruch und eine verminderte Gebrauchsfähigkeit des linken Beines zuzog. Nachdem er im November 1912 in den Ruhestand versetzt worden war, beanspruchte er mit der Klage von der Beklagten den Ersatz des ihm durch den Sturz verursachten Schadens. Der vom ersten Richter abgewiesene Klaganspruch wurde vom Berufungsgerichte dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Die Revision blieb erfolglos aus folgenden Gründen:

Aus den Gründen

"Zu Unrecht beanstandet die Revision die Annahme des Berufungsgerichts, daß der wegen eines Anfalls von Verfolgungswahn in das Krankenhaus der Beklagten aufgenommene Kläger in einem bürgerlichrechtlichen Vertragsverhältnisse zur Beklagten gestanden habe. Die von den Körperschaften des öffentlichen Rechtes errichteten und unterhaltenen Krankenhäuser dienen zwar den öffentlichrechtlichen Zwecken der allgemeinen Wohlfahrt und Gesundheitspflege. Demgemäß entsteht auch ein öffentlichrechtliches Verhältnis, wenn ein Kranker aus Gründen der Sorge für die Gesundheitspflege, für die Rechtspflege und für die öffentliche Sicherheit infolge behördlicher Maßnahmen Aufnahme in die Krankenhäuser findet. Vielfach beschränkt sich aber die Tätigkeit der Krankenhäuser nicht auf die Betätigung dieser öffentlichrechtlichen Fürsorgepflichten. Es finden vielmehr, auch ohne daß solche Gründe der öffentlichen Wohlfahrt vorliegen, Kranke gegen Vergütung Aufnahme. Auch das Ortsstatut über die Verwaltung des städtischen Krankenhauses der Beklagten vom 12. Mai 1908 bestimmt in § 19, daß ein Kranker auf Grund einer zulässigen Einweisung öffentlicher Behörden (des Armenamts, Bezirksamts oder Amtsgerichts) oder auf Grund des Antrags des Kranken sowie seines Vertreters Aufnahme finden soll, und daß die auf Antrag erfolgende Aufnahme regelmäßig - abgesehen von den Fällen, wo Gefahr im Verzuge obwaltet - nur bei Sicherstellung der Bezahlung der Verpflegungskosten durch den Kranken oder Dritten stattzufinden hat. In den Fällen der auf Antrag erfolgenden Aufnahme liegt lediglich ein bürgerlichrechtliches Verhältnis vor, weil die Aufnahme nicht der Ausübung allgemeiner öffentlicher Fürsorgepflicht dient, sondern allein dem Wohle und den Interessen des einzelnen, dem die Benutzung freisteht, und weil es in solchen Fällen an den öffentlichrechtlichen Beziehungen vollständig gebricht. Nur ein privatrechtlicher Tatbestand ist gegeben; Rechtsgrund der Aufnahme ist nicht die öffentliche Fürsorge, sondern der mit dem Kranken oder seinem Vertreter geschlossene Dienstvertrag. Der von der Revision betonte Umstand, daß der Kläger durch die Polizei zur Sicherheit seiner eigenen Person und dritter Personen in das Krankenhaus verbracht worden sei, steht der Auffassung nicht entgegen. Allerdings war das nach der Feststellung des Berufungsgerichts durch einen Nachbarn des Klägers veranlaßte Einschreiten der Polizei zwecks Überführung des Klägers in das Krankenhaus ein Akt staatlicher Fürsorge. Dasselbe gilt aber nicht von der Aufnahme in das Krankenhaus. Die Überführung geschah, wie weiter festgestellt ist, nicht auf Grund einer Einweisung des Bezirksamts; eine solche lag nicht vor, auch wollten die Schutzleute nicht an Stelle des Bezirksamts handeln. Ebensowenig haben die Verwaltungsorgane des Krankenhauses eine solche Einweisung angenommen; sie haben sich vielmehr sofort nach dem Eintreffen des Klägers mit dessen Angehörigen wegen Bezahlung der Aufnahmekosten in Verbindung gesetzt. Die Annahme des Berufungsgerichts, daß der von der noch minderjährigen Tochter des Klägers gestellte, auf Behandlung des Klägers im Krankenhause gerichtete Vertragsantrag von der Beklagten angenommen und daß der Vertrag späterhin vom Kläger nach dessen Wiedergenesung genehmigt worden sei, ist rechtlich nicht zu beanstanden." ... (Es wird dargelegt, daß dem Abteilungsvorstande des Krankenhauses ein Verschulden zur Last fiel).