RG, 27.11.1883 - II 268/83

Daten
Fall: 
Zahlung einer fremden Schuld
Fundstellen: 
RGZ 10, 86
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
27.11.1883
Aktenzeichen: 
II 268/83
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Düsseldorf
  • OLG Köln

Bildet die Zahlung einer fremden Schuld (Art. 1236 Code civil), welche in der Absicht geleistet wird, dem Schuldner eine freigebige Zuwendung zu machen, dem befriedigten Gläubiger gegenüber eine unentgeltliche Verfügung im Sinne des §. 3 Nr. 3 des Anfechtungsgesetzes vom 21. Juli 1879

Tatbestand

W. cedierte am 24. November 1880 an L. eine ihm gegen F. zustehende Forderung von 2100 M. Am 29. Dezember 1880 erwirkte die Firma Fl. gegen W. ein Urteil für den Betrag von 5000 M und ließ sofort die besagte Forderung auf F. pfänden. Sie erhob Klage gegen L. auf Anerkennung ihres Rechtes auf die Forderung, indem sie geltend machte, daß die Cession simuliert, jedenfalls auf Grund des Anfechtungsgesetzes vom 21. Juli 1879 §. 3 Nr. 1. 3 ihr gegenüber ungültig sei. Der Beklagte erklärte, daß die Cession erfolgt sei, um ihn wegen einer Forderung an St., den Schwiegersohn des Cedenten W., zu befriedigen; er erkannte an, daß diesem St. gegenüber die Zuwendung eine unentgeltliche gewesen sei, behauptete aber, daß sie ihm gegenüber als eine entgeltliche erachtet werden müsse. Das Berufungsgericht nahm an, daß eine unentgeltliche Zuwendung im Sinne von §. 3 Nr. 3 des gedachten Gesetzes vorliege, und diese Ansicht wurde vom Reichsgerichte gebilligt aus folgenden Gründen:

Gründe

"Die Revision stützt sich im wesentlichen auf die Behauptung, daß eine unentgeltliche Verfügung im Sinne des §. 3 Nr. 3 des Anfechtungsgesetzes nicht vorliege, weil eine wesentliche Voraussetzung der Unentgeltlichkeit, nämlich eine Bereicherung des Empfängers, fehle; Beklagter habe nämlich von W. nur dasjenige empfangen, was er von seinem Schuldner St. zu fordern gehabt habe, und für das Empfangene habe er durch Entlastung des St. den vollen Gegenwert geleistet. Diese Ausführung kann nicht als zutreffend anerkannt werden. Für W. selbst bildet die Übertragung der Forderung an Zahlungsstatt eine unentgeltliche Verfügung, denn er hat nur zu dem Zwecke, seinem Schwiegersohne St. eine freigebige Zuwendung zu machen, dessen Schuld gezahlt; sie erscheint aber auch im Verhältnisse des W. zu dem Beklagten als eine unentgeltliche Verfügung; denn W. stand zu diesem in keinem obligatorischen Verhältnisse, das ihn zu einer Leistung verpflichtet hätte, und ebensowenig hat er für die Leistung einen Gegenwert erhaltend Die Cession unterliegt daher nach dem klaren Wortlaute des Gesetzes der Anfechtung nach §. 3 Nr. 3.

Daß diese Entscheidung auch der Absicht des Gesetzgebers entspreche, ergiebt eine Vergleichung der Bestimmung über die Anfechtbarkeit unentgeltlicher Verfügungen mit der in §. 3 Nr. 1 a. a. O. behandelten Anfechtung anderer Rechtshandlungen, also insbesondere belastender Verträge. Der mit einem vollstreckbaren Titel über eine fällige Forderung versehene Gläubiger, welchem durch eine Rechtshandlung des Schuldners die Mittel zur Befriedigung ganz oder teilweise entzogen werden, kann dieselbe (mit der actio Pauliana) anfechten, wenn sie in der dem anderen Teile bekannten Absicht, die Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen worden ist. Das Gesetz will nun dem Gläubiger eine günstigere Stellung geben, wenn sich der Schuldner durch eine unentgeltliche Verfügung der Mittel zur Befriedigung des Gläubigers entäußert hat; in diesem Falle soll es weder auf die Absicht des Schuldners noch die Kenntnis des Empfängers ankommen, sondern allein das objektive Moment der Vermögensverminderung und der Benachteiligung des Gläubigers entscheiden. Es würde der hierin klar ausgesprochenen Absicht des Gesetzes widerstreiten, wenn man die Anfechtbarkeit unentgeltlicher Verfügungen von einer Bereicherung des Empfängers abhängig machen wollte.

Allerdings ist zuzugeben, daß die Motive zu dem, der angeführten Bestimmung des Anfechtungsgesetzes entsprechenden §. 25 K.O. (S. 134 flg.) von der Unterstellung ausgehen, daß der Anfechtungsbeklagte durch die unentgeltliche Verfügung des Gemeinschuldners bereichert worden sei. Die Motive haben aber eben hier den regelmäßigen Fall vor Augen, daß die Klage gegen den Beschenkten selbst gerichtet ist; und wenn die Motive auch sonst für Auslegung zweifelhafter Ausdrücke im Gesetze von Wert sein mögen, so bieten sie doch hier keinen Grund dafür, einem klaren Ausspruche des Gesetzes eine von dem Wortlaute abweichende Bedeutung beizulegen.

Demnach kann es nicht als rechtsirrtümlich bezeichnet werden, wenn das Berufungsgericht annimmt, daß der Fall des §. 3 Nr. 3 a. a. O. vorliege, und es des Nachweises nicht bedürfe, daß der Beklagte von der Absicht des Schuldners, seine Gläubiger zu benachteiligen, Kenntnis gehabt habe. Völlig verfehlt war aber, wenn der erste Richter die Notwendigkeit dieses Beweises aus §.11 des Gesetzes herzuleiten versuchte; denn die Klage ist wider denjenigen eingeleitet, welchem gegenüber die anfechtbare Handlung vorgenommen worden ist, und nicht wider dessen Rechtsnachfolger.

Wenn hiernach die Klage mit Recht als begründet erklärt worden ist, so kommt doch die Bereicherung nach §. 7 des Gesetzes insofern in Betracht, als sich der gutgläubige Empfänger durch die Rückgewähr dessen befreien kann, um was er durch die unentgeltliche Verfügung bereichert worden ist. Beklagter hat sich zwar auf diese Bestimmung nicht berufen, aber er behauptet ausdrücklich deren thatsächliche Voraussetzungen, seinen guten Glauben und den Mangel der Bereicherung; es lag daher dem Richter ob, von diesem Gesichtspunkte aus die Sache zu prüfen und den Umfang der Rückgewähr zu bestimmen. Da das Urteil in dieser Richtung eine Prüfung nicht enthält, so mußte dasselbe nach §. 513 Nr. 7 C.P.O. wegen mangelnder Begründung aufgehoben werden. Die Zurückverweisung war geboten, weil die zur Entscheidung erforderlichen thatsächlichen Feststellungen zur Zeit nicht vorliegen. Insbesondere ist noch zu prüfen, ob Beklagter als gutgläubiger Empfänger angesehen werden darf, ob er überhaupt eine Forderung an St. hatte, ob diese Forderung der Cessionsvaluta gleichkam, ob St. zahlungsfähig war oder nicht, da im ersteren Falle nur das Interesse an der sofortigen Zahlung, im letzteren aber die ganze Cessionsvaluta als Bereicherung angesehen werden könnte."