RG, 09.11.1917 - II 157/17

Daten
Fall: 
Ausschließliche Benutzung von Grundstücken
Fundstellen: 
RGZ 91, 170
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
09.11.1917
Aktenzeichen: 
II 157/17
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Cöln
  • OLG Cöln

Forderungsrecht auf ausschließliche Benutzung von Grundstücken. Vertragsverletzung des Schuldners durch Begründung des gleichen Rechtes für einen Dritten. Schadensersatzpflicht des Dritten. Anträge der Feststellungsklage.

Tatbestand

Am 16. März 1892 schloß die Beklagte zu 1, Gemeinde Frechen, mit E. G., der dort ein Elektrizitätswerk errichten wollte, einen inzwischen auf dessen Rechtsnachfolgerin, die Klägerin, übergegangenen Elektrizitätslieferungsvertrag. In Art. 4 dieses Vertrags heißt es: "Die Gemeinde erteilt dem Herrn E. G. die alleinige Berechtigung zur Verlegung von Leitungen im Gebiete von Frechen über oder unter der Erde zur Richterzeugung oder Kraftabgabe auf die Dauer von 20 Jahren." Die Vertragsdauer wurde durch weiteren Vertrag vom 30. Juni 1893 auf 30 Jahre verlängert.

Durch Vertrag vom 25. Juni 1903 übertrug die Gemeinde Frechen ihre bis dahin mit Dampf betriebene Kleinbahn Cöln-Frechen an die Stadt Cöln, die Beklagte zu 2. Nach § 4 dieses Vertrags räumte sie "unbeschadet" der aus ihren Verträgen vom 16. März 1892 und 30. Juni 1893 der Klägerin zustehenden Rechte, "von welchen die Gemeinde Cöln aus den ihr übergebenen Vertragsurkunden volle Kenntnis genommen hat", der Stadt "das dauernde und ausschließliche Recht zur Benutzung ihrer Gemeindestraßen" ein, wogegen sich Cöln unter anderem verpflichtete, "alle durch Gleisanlagen oder den Bau und Betrieb der Bahn der Gemeinde oder Privaten entstehenden Schäden zu ersetzen". In § 5 verpflichtete sich Cöln ferner, an Stelle des Dampfbetriebs bei den Personenzügen den elektrischen Betrieb einzuführen. Seit dem Jahre 1914 betreibt die Stadt Cöln die Bahn mit elektrischer Kraft, nachdem sie durch Konzessionsurkunde vom 28. Mai 1913 dazu ermächtigt war. Dabei benutzt sie zu Hochspannleitungen und zur Stromabgabe an die Bahn auch die Gemeindewege in Frechen.

Die Klägerin erhob gegen die Beklagten Klage mit den Anträgen: 1. festzustellen, daß sie allein berechtigt sei, im Gebiete von Frechen Leitungen über oder unter der Erde zur Richterzeugung oder Kraftabgabe zu verlegen; 2. festzustellen, daß die Stadt Cöln daher nicht berechtigt sei, derartige Leitungen im Gebiete der Gemeinde Frechen zu verlegen und die Klägerin in der Ausübung ihres Rechtes zu hindern; 3. die Beklagten gesamtschuldnerisch für verpflichtet zu erklären, der Klägerin allen Schäden zu ersetzen, der ihr durch die seitens der Stadtgemeinde Cöln erfolgte Verlegung von elektrischen Leitungen im Gebiete von Frechen schon entstanden sei und bis zur Beseitigung der Leitungen noch entstehen würde.

Durch die Urteile der Vorinstanzen wurde der von der Klägerin gegenüber der Gemeinde Frechen geltend gemachte Schadensersatzanspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt, im übrigen aber die Klage abgewiesen. Die Revisionen der Gemeinde Frechen und der Klägerin sind zurückgewiesen worden.

Gründe

"Die Klage, die in vollem Umfange Gegenstand des Rechtsstreits in der Revisionsinstanz geworden ist, gründet sich auf die dem Rechtsvorgänger der Klägerin in dessen Vertrag mit der Gemeinde Frechen vom 16. März 1892 von der Gemeinde erteilte Berechtigung. Erteilt ist ihm die alleinige Berechtigung zur Verlegung von Leitungen im Gebiete von Frechen über oder unter der Erde zur Richterzeugung oder Kraftabgabe. Damit ist für die Klägerin nicht mehr entstanden als ein Forderungsrecht gegen die Gemeinde Frechen, daß diese innerhalb ihres Gebiets der Klägerin und niemandem sonst die Verlegung der erwähnten Leitungen auf Gemeindeeigentum, insbesondere auf Gemeindewegen, gestatte. Ein absolutes Recht, als welches nach dem maßgeblichen Rheinischen Rechte nur ein dingliches Gebrauchsrecht (Art. 625 flg. code civil) in Betracht kommen könnte, ist, wie das Berufungsgericht ohne Rechtsirrtum annimmt, nicht begründet: ein solches würde auch auf die Klägerin im Wege der Rechtsnachfolge nicht haben übergehen können (vgl. Art. 631). Bei Bestimmung des Inhalts der schuldrechtlichen Verpflichtung der Gemeinde Frechen geht das Berufungsgericht von der rechtlich nicht zu beanstandenden Annahme aus, daß mit der ganz allgemeinen Fassung des Art. 4 des Vertrags vom 16. März 1892 die Vertrag schließenden bezweckt hätten, der Klägerin die Lieferung des elektrischen Lichtes und der elektrischen Kraft, die überhaupt auf Frechener Gebiet gebraucht würden, gleichgültig zu welchen Zwecken und von wem, nach Möglichkeit zu sichern. Zur Erreichung dieses Zweckes verpflichtete sich die Gemeinde Frechen, anderen als der Klägerin die Verlegung elektrischer Leitungen auf ihrem Gemeindeeigentume nicht zu gestatten.

Nach dieser Auslegung des Vertrags vom 16. März 1892 handelte die Gemeinde Frechen, wie das Berufungsgericht mit Recht annimmt, der ihr der Klägerin gegenüber obliegenden Verpflichtung zuwider, indem sie der Stadt Cöln gestattete, elektrische Leitungen zur Kraftübertragung für die von ihr erworbene Bahn auf Frechener Gebiet, insbesondere auf Gemeindestraßen, zu legen, ohne gleichzeitig die Stadt zu verpflichten, die elektrische Kraft für die Bahnstrecke auf Frechener Gebiet von der Klägerin zu beziehen.

Mit Unrecht greift die Revision der Gemeinde Frechen die Vertragsauslegung des Berufungsgerichts an. Es ist unerheblich, ob die verhältnismäßig kurze Strecke, welche die Bahn auf dem Gemeindewege von Frechen zurücklegt, rechtlich wie technisch nur als ein Bestandteil der ganzen einheitlichen und unzertrennlichen Bahnanlage anzusehen ist. Eine solche Einheitlichkeit der ganzen Bahnanlage schließt nicht aus, daß der Bedarf an elektrischer Kraft für eine bestimmte Strecke von einer anderen als der diesen Bedarf im übrigen deckenden Stelle entnommen wird. Und da nach der Feststellung des Berufungsgerichts mit dem Vertrage von 1892 bezweckt wurde, der Klägerin die Lieferung elektrischer Kraft, die überhaupt auf Frechener Gebiet gebraucht wurde, gleichgültig zu welchem Zwecke, zu sichern, so liegt kein Grund dafür vor, daß die in Art. 4 übernommene Verpflichtung der Gemeinde Frechen, anderen als der Klägerin das Verlegen elektrischer Leitungen auf den Gemeindewegen nicht zu gestatten, nicht auch gelten sollte, wenn, wie im vorliegenden Falle, die Gemeindewege nur für eine verhältnismäßig kleine Strecke einer einheitlichen großen Bahnanlage benutzt werden sollen. Die Gemeinde Frechen hat schon durch den Abschluß des Vertrags vom 25. Juni 1903 mit der Stadt Cöln ihre Verpflichtung gegen die Klägerin verletzt, indem sie in § 4 der Stadt das ausschließliche Recht zur Benutzung ihrer Gemeindestraßen zu Bahnzwecken einräumte. Allerdings ist diese Einräumung nur erfolgt "unbeschadet" der der Klägerin aus den Verträgen von 1892 und 1893 zustehenden Rechte, "von welchen die Gemeinde Cöln aus den ihr übergebenen Vertragsurkunden volle Kenntnis genommen hat".. Aus dieser Einschränkung geht jedenfalls nicht mehr hervor als daß, wie beide Beklagte übereinstimmend behaupten, die Stadt Cöln gegenüber der Gemeinde Frechen sich verpflichtet hat, nichts zu tun, was der Verwirklichung des der Klägerin auf Grund des Vertrags von 1892 gegen die Gemeinde Frechen zustehenden Forderungsrechts entgegenstand. Dieser Auffassung ist auch das Berufungsgericht, indem es ausführt, mit jener Vertragsklausel habe die Gemeinde Frechen nur ihren Rückgriff gegen die Stadt gesichert.

Auf der anderen Seite trifft es nicht zu, wenn die Revision der Klägerin annimmt, die Vertragsklausel könne keinen anderen Sinn haben, als daß die Stadt Cöln die Verpflichtungen, die der Gemeinde Frechen gegenüber der Klägerin oblagen, auf sich vollinhaltlich übernehme, so daß also der Klägerin ein unmittelbares Recht auch gegen die Stadt auf Erfüllung des Vertrags von 1892 erwachsen sei. Gegen die Begründung eines unmittelbaren Rechtes der Klägerin gegen die Stadt durch den ohne Mitwirkung der Klägerin geschlossenen Vertrag von 1903 spricht schon § 329 BGB.

Die erwähnte Vertragsklausel ist auch nicht dahin zu verstehen, daß die Gemeinde Frechen der Stadt Cöln in § 4 des Vertrags von 1903 das Recht zur Benutzung der Gemeindewege für die Verlegung von elektrischen Leitungen nur unter der Bedingung oder nur insoweit eingeräumt hätte, als dadurch nicht gegen das Recht der Klägerin aus dem Vertrage von 1892 verstoßen wurde. Einer solchen Auslegung steht entgegen, daß die Gemeinde Frechen durch den Vertrag von 1903 die Stadt verpflichtete, den damaligen Dampfbetrieb der Bahn durch elektrischen Betrieb zu ersetzen. Danach mußte der Wille der Vertragschließenden darauf gerichtet sein, der Stadt die Benutzung der Gemeindewege von Frechen gerade auch für elektrische Leitungen zwecks Versorgung der Bahn mit elektrischer Kraft einzuräumen, und zwar auch für den Fall, daß dies der Verwirklichung des der Klägerin durch den Vertrag von 1892 gewährten Forderungsrechts auf Alleinbenutzung der Gemeindewege entgegenstehen sollte. Dieser Fall ist eingetreten und die Gemeinde Frechen hat die später erfolgte Benutzung ihrer Gemeindewege zu den elektrischen Leitungen der Stadt Cöln geduldet. Danach kann die von der Stadt Cöln der Gemeinde Frechen gegenüber übernommene Verpflichtung, dem Rechte der Klägerin nicht zuwider zu handeln, nur noch die Bedeutung haben, daß die Stadt Cöln verpflichtet ist, der Gemeinde Frechen für die Folgen, die dieser aus der Verletzung ihrer schuldrechtlichen Verpflichtung gegenüber der Klägerin entstehen, aufzukommen, wie auch das Berufungsgericht in rechtlich bedenkenfreier Auslegung des Vertrags von 1903 angenommen hat.

Es fragt sich, ob bei dieser Sach- und Rechtslage die Klaganträge gerechtfertigt sind.

1.

Was zunächst die beiden Anträge auf Feststellung anbelangt, so ist der Revision der Klägerin, entgegen der Annahme des Berufungsgerichts, darin zuzustimmen, daß beide Anträge gegen jede der beiden Beklagten gerichtet sind. Auch das ist zutreffend, daß der zweite Antrag, gerichtet auf die Feststellung, die Stadt Cöln sei nicht berechtigt, nur die Erläuterung des ersten auf Feststellung der alleinigen Berechtigung der Klägerin bildet, daß es sich also nur um Feststellung eines einheitlichen Rechtsverhältnisses handelt, nämlich der ausschließlichen Berechtigung der Klägerin, aus der in dem zweiten Antrage nur die Nichtberechtigung der Stadt Cöln gefolgert wird.

Beide Feststellungsanträge sind indes nicht gerechtfertigt, weil, wie bereits dargelegt, die Klägerin nach dem von ihr selbst behaupteten Sachverhalte durch den Vertrag von 1892 nur ein Forderungsrecht und auch dieses nur gegen die Gemeinde Frechen dahin erlangt hat, daß die Gemeinde Frechen innerhalb ihres Gebiets der Klägerin und niemandem sonst die Verlegung elektrischer Leitungen auf dem Gemeindeeigentum gestatte. Auf Feststellung der entsprechenden Verpflichtung der Gemeinde Frechen, nur der Klägerin, nicht auch anderen die Verlegung der Leitungen auf Gemeindeeigentum zu gestatten, und der daraus gezogenen Folgerung, daß Frechen der Stadt Cöln die Verlegung der elektrischen Leitungen für deren Bahnbetrieb auf Gemeindeeigentume nicht gestatten dürfe, hätte die Klägerin allenfalls beim Vorhandensein der von ihr behaupteten übrigen Voraussetzungen der §§ 256, 280 ZPO. gegen die Gemeinde Frechen klagen können. Das hat die Klägerin aber nicht getan. Mit ihren Anträgen begehrt sie auch gegen die Gemeinde Frechen die Feststellung eines absoluten Rechtes des Inhalts, daß sie allein das Recht habe, im Gebiete von Frechen elektrische Leitungen zu verlegen, und daß daher die Stadt Cöln nicht berechtigt sei, derartige Leitungen zu verlegen und sie in Ausübung ihres Rechtes zu behindern. Aus einem bloßen Forderungsrechte der Klägerin gegen die Gemeinde Frechen läßt sich nicht die Folgerung ziehen, daß die Stadt Cöln, die unstreitig im Einverständnisse mit der Gemeinde Frechen ihre Leitungen gelegt hat, zu dieser Verlegung und der dadurch bewirkten Beeinträchtigung des Forderungsrechts der Klägerin nicht berechtigt gewesen sei.

Gegen die Stadt Cöln hat die Klägerin auch aus deren Vertrage mit der Gemeinde Frechen von 1903 irgendein Recht, als welches nur ein Forderungsrecht in Betracht kommen könnte, nicht erlangt. Da nun die Klägerin durch ihren Vertrag von 1892 mit der Gemeinde Frechen ein absolutes Recht auf Wegebenutzung nicht erhalten hat, hat das Berufungsgericht mit Recht die beiden Feststellungsanträge auch insoweit abgewiesen, als sie gegen die Stadt Cöln gerichtet sind.

Mit Unrecht macht die Revision der Klägerin geltend - was die Klägerin schon in den Vorinstanzen behauptet hatte -, daß der Stadt Cöln ein Wegebenutzungsrecht zur Legung von elektrischen Hochspannleitungen zu Bahnzwecken durch den Beitrag von 1903 gar nicht eingeräumt sei, weil dies das Alleinbenutzungsrecht der Klägerin aus deren Vertrag von 1892 verletzen würde und der Stadt Cöln das Wegebenutzungsrecht nur gegeben sei "unbeschadet" der Rechte der Klägerin. Es kann dahingestellt bleiben, ob, wenn dies richtig wäre, die Klägerin gegen die Stadt Cöln auf Feststellung klagen könnte, daß die Gemeinde Frechen der Stadt Cöln durch den Vertrag von 1903 nicht das Recht zur Benutzung der Gemeindewege für elektrische Leitungen zwecks Versorgung der Bahn mit elektrischer Kraft eingeräumt habe. Denn, wie bereits ausgefühlt, ist dieses Recht tatsächlich der Stadt Cöln durch den Vertrag von 1903 eingeräumt worden. Übrigens würde auch die Nichteinräumung dieses Rechtes die gestellten Anträge gegen die Stadt Cöln nicht rechtfertigen. Da der Klägerin weder ein absolutes Recht noch gegen die Stadt Cöln ein Forderungsrecht zusteht, kann sie nicht die Feststellung verlangen, daß die Stadt Cöln zur Verlegung der hier fraglichen, unstreitig im Einverständnisse mit der Gemeinde Frechen erfolgten Verlegung der Leitungen nicht berechtigt gewesen sei und die Klägerin "in bei Ausübung ihres Rechtes" nicht stören dürfe.

Die Revision der Klägerin, soweit sie sich gegen die Abweisung ihrer Feststellungsanträge richtet, war daher zurückzuweisen, ohne daß es entscheidend. darauf ankommt, ob diese Anträge auch deshalb unzulässig sind, weil sie eine Einschränkung der durch die Konzessionsurkunde vom 28. Mai 1913 der Stadt Cöln verliehenen Bahnberechtigung bezwecken. Das Berufungsgericht hat dies ebenfalls angenommen, und auch dabei tritt ein Rechtsirrtum nicht zutage. Auf Grund der Konzessionsurkunde sind die baulichen Anlagen der hier fraglichen Bahn, insbesondere die erfolgte Verlegung der elektrischen Leitungen auf den Gemeindewegen von Frechen, polizeilich genehmigt worden. Demgegenüber gewähren entgegenstehende Privatrechte nur Entschädigungsansprüche, nicht aber können sie dazu führen, das Recht auf die polizeilich genehmigten Anlagen zu bestreiten oder eine die Privatrechte nicht störende Handhabung dieser Anlagen zu beanspruchen (RGZ. Bd. 59 S. 70 flg.) Mit den Feststellungsanträgen bestreitet aber die Klägerin das Recht der Stadt Cöln auf die der polizeilichen Genehmigung entsprechenden elektrischen Leitungen. Es ist nicht richtig, daß die Klägerin nach dem Vertrage von 1892 das ausschließliche Recht auf Lieferung von Elektrizität innerhalb der Gemeinde Frechen erhalten hätte. Sie hat, wenn auch um ihr tatsächlich diese ausschließliche Lieferung möglichst zu sichern, nur das Recht zur alleinigen Benutzung der Gemeindewege von der Gemeinde Frechen eingeräumt erhalten, und um dieses Recht auszuüben, hat sie die gegen die Benutzung der Wege durch die Stadt Cöln gerichteten Feststellungsanträge gestellt. . . .

2.

Den Anspruch der Klägerin auf Schadenersatz gegen die Gemeinde Frechen hat das Berufungsgericht dem Grunde nach für gerechtfertigt erachtet gemäß Art. 1145 Code civil, weil die Gemeinde Frechen dem Vertrage von 1892 zuwidergehandelt und ihre schuldrechtliche Verpflichtung verletzt habe.

Die hiergegen gerichteten Angriffe der Revision der Gemeinde Frechen sind unbegründet. Daß die Gemeinde ihrer vertraglichen Verpflichtung gegenüber der Klägerin zuwidergehandelt hat, indem sie der Stadt Cöln gestattete, elektrische Leitungen zur Kraftübertragung für ihre Bahn auf den Gemeindewegen von Frechen zu legen, ist bereits ausgeführt. Die Gemeinde Frechen hat sich nicht nur durch den Vertrag vom 25. Juli 1903 der Stadt Cöln gegenüber verpflichtet, die Verlegung der elektrischen Leitungen auf den Gemeindewegen zu gestatten, sondern sie hat auch später die erfolgte Verlegung gestattet. Schon dieses tatsächliche Gestatten stellt eine schuldhafte Verletzung der ihr obliegenden Verpflichtung dar, die sie zum Schadenersatze verpflichtet. Zudem begründete der Vertrag von 1903 nicht nur eine Verpflichtung der Gemeinde Frechen, die Wegebenutzung der Stadt Cöln zu gestatten, sondern er enthielt bereits das Einverständnis der Gemeinde mit der späteren Inanspruchnahme der Wege, die wegen des ausbedungenen künftigen elektrischen Betriebs mit Sicherheit zu erwarten war. Der Umstand, daß in dem Vertrage von 1903 der Stadt Cöln die Wegebenutzung nur eingeräumt wurde "unbeschadet" der Rechte der Klägerin aus dem Vertrage von 1892 genügte, weil er nur ein Forderungsrecht der Gemeinde Frechen gegen die Stadt Cöln begründete, nicht, um der Einräumung der Wegebenutzung in dem Vertrage von 1903. noch weniger, um dem späteren tatsächlichen Gestatten dieser Benutzung den Charakter einer schuldhaften Verletzung des Forderungsrechts der Klägerin zu nehmen.

Richtig ist allerdings und wird auch vom Berufungsgericht angenommen, daß die Stadt Cöln auf Grund der Konzessionsurkunde vom 28. Mai 1913, wodurch ihr die Konzession zum elektrischen Betriebe der Bahn und das Enteignungsrecht erteilt wurde, berechtigt gewesen wäre, die Verlegung der elektrischen Leitungen, so wie diese geschehen ist, gegen die Gemeinde Frechen im Enteignungswege zu erzwingen, und daß die Klägerin dann, falls lediglich die Enteignung in Frage kam, einen Entschädigungsanspruch nicht gehabt haben würde. Deshalb ist aber nicht, wie die Revision meint, die Konzession vom 23. Mai 1913 unabhängig von dem Verhalten der Gemeinde Frechen die Ursache des der Klägerin aus der Wegebenutzung seitens der Stadt Cöln entstandenen Schadens. Tatsächlich entstanden ist der Schaden dadurch, daß Frechen der Stadt die Wegebenutzung eingeräumt hat. Ohne dieses Gestatten und ohne den von Frechen mit Cöln abgeschlossenen Vertrag wäre der Schaden infolge der dann erforderlichen Enteignung nicht entstanden. Denn das Berufungsgericht hat in rechtlich bedenkenfreier Weise ausgeführt, daß der Stadt Cöln die Erlangung der Konzession vom 28. Mai 1913 und damit der Enteignungsbefugnis nur durch den in dem Vertrage vom 25. Juli 1903 enthaltenen Ankauf der damals bestehenden Kleinbahn Cöln-Frechen von der Gemeinde Frechen ermöglicht worden ist. Als Folge dieses Ankaufs war, da Cöln zugleich zur Einführung des elektrischen Betriebs auf der Bahn verpflichtet wurde, ohne weiteres vorauszusehen, daß die Stadt das ihr eingeräumte Recht der Benutzung der Gemeindewege zum Bahnbetriebe durch Verlegung elektrischer Leitungen auf diesen Wegen ausüben werde. Als weitere Folge des Verkaufs der Bahn war aber auch vorauszusehen, daß die Stadt nötigenfalls durch Enteignung der Wegebenutzung die Verwirklichung des Forderungsrechts der Klägerin vereiteln werde. Die Gemeinde Frechen durfte deshalb, wenn sie die ihr infolge ihrer schuldrechtlichen Verpflichtung der Klägerin gegenüber obliegende Sorgfalt nicht verletzen wollte, den Vertrag von 1903, wie das Berufungsgericht mit Recht angenommen hat, nicht abschließen, ohne zugleich, dem Zwecke ihrer Verpflichtung entsprechend, der Klägerin die Lieferung der elektrischen Kraft auf dem Frechener Gebiete für die Bahn der Stadt Cöln zu sichern. ...

3.

Den Anspruch auf Schadenersatz gegen die Stadt Cöln endlich hat das Berufungsgericht ohne Rechtsirrtum abgewiesen. Die gegen diese Abweisung gerichtete Revision der Klägerin ist unbegründet. Daß der Klägerin nur ein Forderungsrecht und zwar nur gegen die Gemeinde Frechen, nicht auch gegen die Stadt Cöln, auf alleinige Benutzung der Gemeindewege zustand, ist bereits ausgeführt. Die Anwendbarkeit des § 826 BGB. hat das Berufungsgericht verneint, weil kein Anhalt für die Annahme einer gegen die guten Sitten verstoßenden Handlungsweise der Stadt vorliege. Zwar verstößt das bewußte Zusammenwirken zur Umgehung und Schädigung fremder, auch obligatorischer Rechte gegen die guten Sitten (Jur. Wochenschr. 1916 S. 1332; RGZ. Bd. 81 S. 91), und die Stadt Cöln würde sittenwidrig gehandelt haben, wenn sie bewußt darauf hingewirkt hätte, daß die Gemeinde Frechen das Forderungsrecht der Klägerin so, wie geschehen, verletzte. Allein für dieses Bewußtsein der Stadt, daß das Verhalten von Frechen das Recht der Klägerin verletze, hat das Berufungsgericht ersichtlich in dem Vorbringen der Klägerin und dem festgestellten Sachverhalt keinen genügenden Anhalt gefunden, da es euch eine vorsätzliche Rechtsverletzung der Gemeinde Frechen nicht angenommen hat."