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RG, 09.11.1917 - II 214/17

Daten
Fall: 
Auskünfte über die Marktlage
Fundstellen: 
RGZ 91, 208
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
09.11.1917
Aktenzeichen: 
II 214/17
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Zwickau, Kammer für Handelssachen
  • OLG Dresden

Sind Auskünfte über die Marktlage einer vergangenen Zeit, insbesondere darüber, ob eine Ware zu bestimmter Zeit am Markte käuflich war, Gutachten eines Sachverständigen oder Aussagen eines Zeugen? Erfordernis der bestimmten Bezeichnung der Tatsachen, für welche Zeugenbeweis angeboten wird.

Tatbestand

Die Klägerin hatte Garn, das sie der Beklagten verkauft, nicht geliefert, weil der erforderliche Rohstoff des Krieges halber nicht erhältlich gewesen sei. Die Beklagte machte einen Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung sowohl im Wege der Aufrechnung gegen die unbestrittene Klagforderung wie auch mittels Widerklage geltend. Beide Vorinstanzen verwarfen die Gegenforderung. Auf Revision der Beklagten wurde das Berufungsurteil aufgehoben.

Gründe

"Die Entscheidung des Berufungsgerichts beruht auf der Feststellung, daß es für die Klägerin ohne ihre Schuld unmöglich gewesen sei, die zur Herstellung des verkauften Garnes erforderlichen Japancards zu beschaffen. Gestützt ist diese Feststellung auf die Gutachten der Handelskammer Plauen und des Spinnereibesitzers K. Die Handelskammer hatte bekundet, daß Baumwolle aus Japan seit Kriegsbeginn in Deutschland nicht eingeführt worden sei und daß auch bei Ausbruch des Krieges keine größeren Vorräte an Japancards in Deutschland vorhanden gewesen sein sollen. Der Sachverständige hatte ausgesagt, daß Japancords Mitte Oktober 1914 nicht am Markte gewesen seien; daß sich damals nach erhaltenen Mitteilungen nur geringfügige Mengen dieses Materials in den Händen einiger Händler befunden hätten; und daß es größere Mengen in Deutschland, soweit der Sachverständige unterrichtet sei, überhaupt nicht gegeben habe.

Beide Gutachten enthalten also in bezug auf den Streitpunkt nicht die fachkundige Beurteilung eines den Gutachtern vom Gerichte vorgelegten Sachverhalts, sondern sie berichten über Wahrnehmungen, die die Gutachter vor dem Prozeß in ihrem Berufe gemacht hatten, im Falle K. auch über eingezogene Erkundigungen tatsächlicher Art. Sie sind insoweit ihrem Inhalte nach keine Gutachten, sondern sachverständige Zeugnisse.

Ihnen gegenüber hat die Beklagte vier Zeugen dafür benannt, daß zu der streitigen Zeit amerikanische und Japancards in genügender Menge auf dem deutschen Markte gewesen seien, wenn sie auch etwas teurer geworden wären. Auch diese Zeugen sollten über Wahrnehmungen, die sie in ihrem Berufe gemacht hatten, berichten. Es trifft also nicht zu, daß es sich, wie in dem Urteile gesagt wird, hierbei um ein Gutachten handelte. Das Berufungsgericht lehnt das Beweiserbieten denn auch nicht gemäß § 404 ZPO. ab, weil Sachverständige in Frage ständen und deren Auswahl und Zahl vom Gerichte bestimmt werde, sondern deshalb, weil es an näherer Angabe der zu beweisenden Tatsachen fehle. Allein, wie es zugibt, können die vorgeschlagenen Zeugen möglicherweise bestätigen, daß einzelne bestimmte Mengen von ihnen oder von anderen gehandelt worden sind. Danach ist das Beweiserbieten erheblich, zumal die Gutachter sich nicht mit positiver Sicherheit erklärt, sondern nur ausgesagt haben, soweit ihr Wissen reiche, seien größere Mengen Japancards nicht erhältlich gewesen. Sollten die Zeugen eine für den hier streitigen Bedarf genügende Menge von Kaufabschlüssen glaubwürdig bekunden, so könnte dies die Entscheidung ändern.

Inwieweit eine genaue Bezeichnung der Abschlüsse durch Benennung der Kaufparteien, der Daten und der verkauften Mengen für die Glaubwürdigkeit der Aussagen erforderlich wird, kann erst nach dem Inhalte der Aussagen beurteilt werden. Allerdings hätte nach der Vorschrift des § 373 ZPO. die Beklagte angeben müssen, welche Mengen ungefähr zur Zeit der Lieferung ihrer Behauptung nach auf dem deutschen Markte vorhanden gewesen sein sollen und wie ihr Vorhandensein in die Erscheinung getreten ist. Aber nach diesen Punkten hätte das Berufungsgericht gemäß § 139 ZPO. fragen müssen, denn für die Beklagte lag die Mangelhaftigkeit ihrer Angabe nicht ohne weiteres klar. Die Gründe, mit denen das Berufungsgericht das Unterlassen der Nachfrage rechtfertigt, laufen aber nur darauf hinaus, daß es kein Vertrauen zu dem Erfolge des Beweiserbietens hatte, und sind nicht stichhaltig." ...