RG, 28.09.1917 - VII 58/17

Daten
Fall: 
Fischereiberechtigung beim Wasserstau
Fundstellen: 
RGZ 90, 426
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
28.09.1917
Aktenzeichen: 
VII 58/17
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Schneidemühl
  • OLG Posen

Ist im Geltungsgebiet des Allg. Landrechts der auf Grund eines besonderen Rechtstitels zur Fischerei in einem Privatflusse Berechtigte befugt, in der durch Stauung verbreiterten Wasserfläche des Flusses zu fischen?

Gründe

Der Tatbestand ergibt sich aus den folgenden Gründen:
... "Der Kläger ist ... in der Küddow ... zum Fischfange berechtigt. Seine Berechtigung beruht auf besonderen Rechtstiteln. ... Innerhalb des Fischbezirkes des Klägers ist von der Beklagten im Jahre 1910 ein Stauwerk angelegt worden. Diese Anlage wirkt nach der Behauptung des Klägers auf den Ertrag der Fischerei nachteilig ein, und er verlangt deshalb von der Beklagten für die ihm hierdurch erwachsenen Nachteile Entschädigung. Eine solche wurde ihm in der ersten Instanz in Gestalt einer Jahresrente zugesprochen, und die von der Beklagten gegen diese Entscheidung eingelegte Berufung ist vom Oberlandesgericht ... in seinem ersten, in der Revisionsinstanz aufgehobenen, und auch in dem jetzt angefochtenen Urteile zurückgewiesen worden. In dem ersten Berufungsurteile war unentschieden gelassen, ob der Kläger in dem durch das Stauen entstandenen Becken zu fischen berechtigt sei; die Tatsache allein - so war ausgeführt -, daß die an das Staubecken angrenzenden Eigentümer ebenfalls glaubten, in dem Becken zum Fischen berechtigt zu sein, bringe den Kläger in Streitigleiten und entziehe ihm einen Teil der Beute, die ihm zugefallen wäre, wenn die Fische in der Küddow geblieben wären. Diese Ausführungen sind vom Revisionsgerichte zur Begründung der Entschädigungspflicht der Beklagten nicht für ausreichend erachtet worden. Es wurde, da die Beklagte ein Widerspruchsrecht der Anlieger bestreitet und den Standpunkt vertritt, daß der Kläger im ganzen Bereiche des Staubeckens zu fischen berechtigt sei, eine Entscheidung darüber, ob dem Kläger diese Berechtigung zusteht, für erforderlich angesehen. Bei Bejahung des Widerspruchsrechts der Anlieger wurde weiter ein Eingehen auf die Behauptung der Beklagten für geboten erachtet, das etwaige Widerspruchsrecht der Anlieger habe dadurch, daß die Beklagte das ganze überschwemmte Land angekauft habe, seine Erledigung gefunden.

In seiner jetzt angefochtenen Entscheidung hat sich das Berufungsgericht der Prüfung der beiden erwähnten Fragen unterzogen und ist dabei zu dem nachstehenden Ergebnis gelangt. Die Küddow sei auf dem hier fraglichen Teile des Flußlaufs von Natur nicht schiffbar und nicht flößbar, also im Sinne der hier zur Anwendung kommenden Bestimmungen des Allgemeinen Landrechts ein Privatfluß. Die mit Grund und Boden angesessenen Anlieger hätten Eigentum am Flußbette bis zur Mitte des Flusses und soweit auch das Recht, in der Küddow zu fischen; sie seien also neben dem Kläger in den Grenzen ihrer Grundstücke zum Fischfange berechtigt. Diese Berechtigung sei ihnen durch die Überschwemmung des in ihrem Eigentume bleibenden Anliegerlandes nicht entzogen. Der Kläger aber habe, da er die Vorschriften über den Fischfang bei natürlichen. Überschwemmungen - I,9 ALR. § 180 flg. - hier entsprechend anzuwenden seien, keine Befugnis, auf dem überschwemmten Lande zu fischen. Die Grenzen des alten Flußlaufes seien innerhalb des Staubeckens nicht erkennbar, es sei ihm tatsächlich unmöglich, in den früheren Grenzen der Küddow zu fischen, und dadurch sei sein Fischereirecht, soweit das Staubecken sich nach Pl. hin erstrecke, so gut wie ertraglos geworden. Hierfür und für die Schädigung, die er dadurch erleide, daß der Kahn um den Stau herumgeführt werden müsse und dabei ein Teil der Fischbeute absterbe, sei der Kläger den früheren Feststellungen entsprechend zu entschädigen. Ihre Behauptung, daß sie das ganze überschwemmte Land angekauft habe und daß die bisherigen Uferbesitzer vom Flusse vollständig abgeschnitten seien, habe die Beklagte nicht zu begründen vermocht. ...

Gegen die so begründete zweite Entscheidung richten sich die von der Revision jetzt erhobenen Angriffe. Die Revision erachtet den Kläger entgegen der Annahme des angefochtenen Urteils auch im Staubecken für zum Fischen berechtigt. Sie rügt ferner. ... (Es folgt ein prozessualer Angriff.)

Der Revision war der Erfolg nicht zu versagen. Nach Art. 69 EG. z. BGB. sind die hier in Betracht kommenden landesgesetzlichen Vorschriften über Fischerei und nach Art. 65 a. a. O. die landesgesetzlichen Vorschriften, welche dem Wasserrecht angehören, unberührt geblieben. An sich ist es deshalb zutreffend, daß das Berufungsgericht die Entscheidung des Streitfalls auf noch in Kraft gebliebene Bestimmungen des Allgemeinen Landrechts stützen will. Darin aber, daß die Vorschriften der §§ 180 flg. ALR. I, 9 bestimmend dafür sind, ob der Kläger sein Fischereirecht auch auf den Überschwemmungen auszuüben berechtigt ist, kann dem Vorderrichter nicht gefolgt werden. Das Berufungsgericht hat in seinem ersten Urteile selbst ausgeführt, daß diese Bestimmungen von einer natürlichen Überschwemmung handelten und deshalb auf den vorliegenden Fall nicht anzuwenden seien. Das trifft zu; die jetzige Auffassung des Berufungsgerichts, daß die Rechtslage eine ähnliche sei, wenn die Überschwemmung durch künstliche Anlagen herbeigeführt wird, verkennt die landrechtliche Vorschrift. Sie regelt das Aneignungsrecht an den Fischen während einer Überschwemmung von vorübergehender Dauer, herbeigeführt durch natürliche Einflüsse. Nur wie es bei einem solchen Austreten nicht geschlossener Gewässer mit der Aneignung der Fische zu halten ist, ist im Gesetze geordnet; es bestimmt, daß der Fischereiberechtigte die ausgetretenen Fische in der Regel nicht verfolgen darf. Auch der Eigentümer des überschwemmten Landes darf sie sich zunächst nicht aneignen, wird aber hierzu berechtigt, wenn nach dem Zurücktreten des Wassers Fische in den Lachen zurückbleiben. Hier handelt es sich nicht um eine vorübergehende, sondern um eine durch das Stauwerk bewirkte dauernde Überschwemmung, bei der zwischen übergetretenem und bis auf Lachen zurückgetretenem Wasser nicht zu unterscheiden ist. Wenn nun das Berufungsgericht unter Anwendung der landrechtlichen Bestimmung den Kläger nicht für berechtigt erachten will, an dem durch die Stauung ausgetretenen Wasser, das ihm in der Küddow zustehende Fischereirecht auszuüben, dann muß folgerichtig dort auch den Eigentümern der überschwemmten Grundstücke als Anliegern das Fischen versagt werden und die Fischerei danach im Staugebiete, solange die Stauanlage besteht, gänzlich ruhen. Denn, da der alte Flußlauf, wie das Berufungsgericht feststellt, sich im Staubecken nicht erkennen läßt, können in ihm allein weder der Kläger noch die anliegenden Grundstücksbesitzer die Fischerei ausüben. Diese Folgerung zieht das Berufungsgericht aber nur hinsichtlich des Klägers, die Berechtigung der Anlieger, im Staubecken zu fischen, wird nicht verneint. Diese verschiedene Beurteilung der Befugnisse der Anlieger und der des Klägers ist nicht gerechtfertigt.

Die Küddow ist nach der vorstehend erwähnten, nicht angefochtenen Feststellung des Berufungsgerichts ein Privatfluß. Den Uferbesitzern steht kraft ihres Eigentums an einem solchen Flusse das Recht der Flußfischerei, einem jeden bis zur Hälfte des Flusses zu. Neben dieser auf der Anliegerschaft beruhenden Befugnis zum Fischen kann noch für andere Personen eine aus besonderen Rechtstiteln herzuleitende Fischereigerechtigkeit im Flusse bestehen. So lagen rechtlich die Verhältnisse hier vor der Errichtung des Stauwerkes. Der Kläger war neben den Uferbesitzern zur Fischerei berechtigt. In dieser Rechtslage ist eine Änderung nicht eingetreten, wenn, wie nach der jetzigen Lage der Akten vorausgesetzt wird, das Stauwerk nur dazu geführt hat, die Wasserfläche der Küddow an der hier in Betracht kommenden, Staubecken und Stausee genannten, Fläche durch Überschwemmung von Land zu vergrößern, der Fluß aber als solcher bestehen geblieben ist. Es folgt dann, ohne daß es einer dies noch aussprechenden Gesetzesbestimmung bedarf, aus der Natur der Sache, daß ein vorher bestehendes Fischereirecht an dem nur um Wasserfläche vergrößerten Flusse fortbesteht, und es kommt für die Ausübung der Fischereigerechtigkeit des Klägers nicht darauf an, ob an der jetzt vorhandenen Wasserfläche der frühere Flußlauf noch zu erkennen ist. Das ist auch der Standpunkt, den die Begründung zu dem neuen preußischen Fischereigesetze vom 11. Mai 1916 als den bei Veränderungen des Wasserlaufs ohne weiteres gegebenen Ansicht. Es ist dort - Drucks. des Abg. Hauses Sess. 1914/15 Bd. 4 S. 2467 - in der Begründung zum § 12 über die auf besonderen Titeln beruhenden Fischereirechte gesagt:

"Ihrem Charakter entsprechend, als von sonstigen Rechtsverhältnissen (Eigentum, Anliegerschaft) unabhängig an dem Wasserlaufe bestehende Rechte, folgen sie den Veränderungen des Wasserlaufs, erstrecken sich auch auf neu sich bildende Arme und ruhen demgemäß, wenn ein Wasserlauf sich z. N in zwei Arme teilt, auf beiden Armen."

Und weiter:
"Ihrem Inhalte nach bleiben die auf den neuen Wasserlauf übergehenden Fischereirechte natürlich unverändert, ohne daß es einer dahingehenden ausdrücklichen Bestimmung bedarf. War ein Recht an dem alten Wasserlauf ein ausschließliches, so daß die Eigentümer des Wasserlaufs nicht mitberechtigt waren, so haben auch die Eigentümer des neuen Wasserlaufs kein Fischereirecht. Bestanden dagegen die auf besonderem Titel beruhenden Fischereirechte nur neben dem Fischereirechte der Eigentümer, so gilt das auch für den neuen Wasserlauf."

Bei der Beurteilung der Sache von den vorstehend erörterten rechtlichen Gesichtspunkten aus ist das Berufungsurteil nicht aufrecht zu erhalten." (Wird näher ausgeführt.)