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RG, 16.05.1917 - V B 1/17

Daten
Fall: 
Eintragung eines Pfandrechts am Miterbenanteilsrecht
Fundstellen: 
RGZ 90, 232
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
16.05.1917
Aktenzeichen: 
V B 1/17
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • Amtsgericht Crefeld
  • Landgericht Crefeld

Kann das Pfandrecht an dem Anteil eines Miterben am ungeteilten Nachlaß auf ein zum Nachlasse gehörendes Grundstück eingetragen werden?

Gründe

"Im Grundbuche von F. Bd. II Art. 80 sind acht Personen, darunter Joseph E., als Eigentümer mit dem Zusatz "Erbengemeinschaft" eingetragen. Durch notariellen Vertrag vom 23. April 1915 verpfändete Joseph E. seinen Anteil am Nachlasse seines verstorbenen Vaters dem Kaufmann Cl. wegen einer näher bezeichneten Forderung und bewilligte die Eintragung der Verpfändung an allen Grundbuchstellen. In einem notariell beglaubigten Nachtrage vom 2. Januar 1915 beantragte er, die Verpfändung auf die im Grundbuche von F. Bd. II Art. 80 verzeichneten Grundstücke einzutragen. Das Amtsgericht lehnte die Eintragung ab, weil gemäß § 2033 BGB. der Anteil eines Miterben an einem zum ungeteilten Nachlasse gehörigen Grundstücke nicht belastet werden könne. Das Landgericht wies die Beschwerde des E. und des Cl. aus gleichem Grunde zurück mit dem Hinzufügen, es könne auf Grund der Verpfändung auch nicht eine Verfügungsbeschränkung zugunsten des Gläubigers in Abteilung II eingetragen werden, da hierdurch auch alle übrigen Miterben des Joseph E. in ihrer Verfügungsfähigkeit beschränkt werden würden und ferner nach § 137 BGB. eine durch Rechtsgeschäft begründete Verfügungsbeschränkung nur obligatorische Wirkung haben und darum nicht in das Grundbuch eingetragen werden könne.

Der weiteren Beschwerde hierüber würde das Kammergericht stattgeben, indem es unter Bezugnahme auf seinen, einen im wesentlichen gleichen Fall betreffenden Beschluß vom 29. November 1906 (KGJahrb. Bd. 33 S. A. 226) die Eintragung der Verpfändung eines Miterbenanteils am gesamten Nachlaß in Abteilung II des Grundbuchs über ein zum Nachlasse gehöriges Grundstück für zulässig erklärt. Das Kammergericht hält sich jedoch durch die Beschlüsse des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 25. Juli 1905, abgedruckt in OLG. Rechtspr. Bd. 12 S. 368, und des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 8. Januar 1909, abgedruckt in der Entsch.-Samml. Bd. 10 S. 4 (auch Bayr. Rpfl.Z. Bd. 5 S. 150), an der Aufhebung der Vorentscheidungen behindert. Deshalb hat es die weitere Beschwerde gemäß § 79 Abs. 2 GBO. dem Reichsgerichte vorgelegt.

In dem Beschlüsse des Bayerischen Obersten Landesgerichts wird die Eintragung der Verpfändung eines Teilungsanspruchs, der sich nach Pfälzischem Rechte aus dem Anteilsrecht am gütergemeinschaftlichen Vermögen ergibt, abgelehnt, weil der Teilungsanspruch nicht ein Recht an dem zum Gemeinschaftsvermögen gehörenden Grundstücke, sondern ein Forderungsrecht sei, und weil ferner er nicht Gegenstand eines Pfandrechts sein könne, da die Leistung, auf die er gerichtet sei, nicht durch Umsetzung in Geld verwertet werden könne. Da es sich im vorliegenden Falle nicht um Verpfändung eines Teilungsanspruchs nach Pfälzischem Rechte handelt, werden durch diesen Beschluß die Voraussetzungen des § 79 Abs. 2 GBO. nicht erfüllt. Auch in dem Beschlusse des Oberlandesgerichts Karlsruhe ist nur ein Antrag auf Eintragung der Verpfändung des Anspruchs eines Gemeinschaftsteilhabers an einer unabgeteilten Erbengemeinschaft nach badischem Landrecht auf Aufhebung der Gemeinschaft und auf Auseinandersetzung abgelehnt worden. Jedoch ergibt sich aus dem weiteren Inhalte des Beschlusses, daß ein Miterbenanteil am ungeteilten Nachlasse verpfändet war, diese Verpfändung der Verpfändung des genannten Anspruchs gleichgestellt und die Eintragung deswegen für unzulässig erklärt worden ist, weil dem einzelnen unabgeteilten Erben kein Recht an dem einzelnen Nachlaßgegenstand, an dem zum Nachlasse gehörenden Grundstücke zustehe. Da nun das Kammergericht ebenfalls annimmt, daß dem Miterben kein Recht an den einzelnen Nachlaßgegenständen zustehe, es aber trotzdem die Eintragung der Verpfändung eines Miterbenanteils am ungeteilten Nachlaß auf ein zum Nachlasse gehörendes Grundstück für zulässig erachtet, können durch den letzteren Beschluß die Voraussehungen des § 79 Abs. 2 GBO. für gegeben angenommen werden.

Es ist auch der Ansicht des Kammergerichts beizutreten. Nach § 2033 Abs. 1 BGB. kann jeder Miterbe über seinen Anteil an dem ungeteilten, gemäß § 2032 Abs. 1 im gemeinschaftlichen Vermögen der Erben stehenden Nachlasse verfügen. Daher kam er an diesem Anteilsrecht auch ein Pfandrecht gemäß §§ 1273,1274 BGB. wirksam bestellen (RGZ. Bd. 84 S. 396, Bd. 87 S. 324). Im vorliegenden Falle ist ferner die im § 2033 Abs. 1 Satz 2 vorgeschriebene Form gewahrt. Durch eine solche Verpfändung erlangt der Pfandgläubiger nicht ein Pfandrecht an den einzelnen zum Nachlasse gehörigen Gegenständen, auch nicht an dem Anteile, des Miterben an diesen, über den er nach § 2033 Abs. 2 nicht verfügen kann; vielmehr unterliegt dem Pfandrechte nur das Recht des Miterben an dem Nachlaß als einem Inbegriffe von Rechten und Pflichten (RGZ. Bd. 84 S. 396). Daher kommt, wenn es sich darum handelt, ob ein solches Pfandrecht auf ein zum Nachlasse gehörendes Grundstück eingetragen werden kann, eine Eintragung, die eine Belastung eines Anteils des Miterben an dem Grundstück enthielte, gar nicht in Frage. Vielmehr fragt es sich, ob das Pfandrecht, wiewohl es nur das Anteilsrecht des Miterben an dem Nachlaßinbegriff ergreift, dennoch auf das Nachlaßgrundstück als einen einzelnen Nachlaßgegenstand eingetragen werden kann. Dies ist aber zu bejahen.

Das Reichsgericht hat in dem Beschlusse vom 14. Januar 1914 V. B. 9/13 (RGZ. Bd. 83 S. 434) das Pfandrecht an dem eingetragenen Rechte des Nacherben für eintragungsfähig erklärt. Im wesentlichen gleiche Gründe wie für diese Eintragungsfähigkeit sprechen auch für die Zulässigkeit der Eintragung eines Pfandrechts an dem Anteil eines Miterben am ungeteilten Nachlaß auf ein Nachlaßgrundstück. Sind Miterben im Grundbuch eines zum ungeteilten Nachlasse gehörenden Grundstücks als Eigentümer unter Angabe ihrer Miterbeneigenschaft oder wie hier ihrer Erbengemeinschaft eingetragen, so hat dies die Bedeutung einer Eintragung dahin, daß den Miterben in ihrer Gesamtheit das Grundstück als ein Teil des in ihrem gemeinschaftlichen Vermögen stehenden Nachlasses gehöre. Gemäß § 2040 Abs. 1 BGB. ist daher aus einer solchen Eintragung zu ersehen, daß die als Eigentümer Eingetragenen nur gemeinschaftlich über das Grundstück verfügen können. Würde nun ein Miterbe seinen Anteil am Nachlaß an einen andern veräußern, so würde die Eintragung nicht mehr der wirklichen Rechtslage entsprechen; denn sie würde nicht ergeben, daß die Befugnis, gemeinsam mit den anderen Miterben über das Grundstück zu verfügen, nicht mehr dem veräußernden Miterben, sondern dem Erwerber des Erbanteils zusteht (RGZ. Bd. 60 S. 131). Da das Gesetz mit Rücksicht auf den öffentlichen Glauben des Grundbuchs (§ 892 BGB.) durch den gewährten Rechtsbehelf der Grundbuchberichtigung (§ 894 BGB., § 22 GBO.) darauf Bedacht nimmt, den Grundbuchinhalt mit der wirtlichen Rechtslage tunlichst in Übereinstimmung zu halten (RGZ. Bd. 88 S. 438), sind die Beteiligten für berechtigt zu erachten, die Eintragung zu verlangen, daß der Erwerber an Stelle des ausgeschiedenen bisherigen Mitberechtigten in die Mitberechtigung an dem Gesamtnachlaß eingetreten sei.

Im Falle der Verpfändung des Erbanteils entäußert sich der verpfändende Miterbe allerdings nicht gänzlich seiner Mitberechtigung am Gesamtnachlaß und damit seiner Befugnis, in Gemeinschaft mit den anderen Miterben über das Nachlaßgrundstück zu verfügen. Aber die Verpfändung hat doch die Rechtswirkung, daß er zugunsten des Pfandgläubigers nicht nur in seiner Mitberechtigung am Gesamtnachlasse, sondern auch in der genannten Verfügungsbefugnis hinsichtlich des Nachlaßgrundstücks beschränkt wird. Nach den Bestimmungen des § 1276 BGB., die auch auf das Pfandrecht an dem Erbanteil eines Miterben anzuwenden sind (RGZ. Bd. 84 S. 399), kam ein verpfändetes Recht nur mit Zustimmung des Pfandgläubigers durch Rechtsgeschäft aufgehoben oder in einer das Pfandrecht beeinträchtigenden Weise geändert werden. Es würde aber mindestens eine Beeinträchtigung des Pfandrechts an einem Erbanteile zur Folge haben können, wenn der verpfändende Miterbe das zum Nachlasse gehörende Grundstück in Gemeinschaft mit den anderen Miterben ohne Berücksichtigung der Verpfändung veräußern oder belasten würde; denn es würde dadurch ein Gegenstand, der von dem verpfändeten Anteilsrecht ergriffen wird und ihm mit den anderen Nachlaßgegenständen Inhalt und Wert gibt, dem Anteilsrecht entzogen werden oder in seiner Verwertbarkeit Einbuße erleiden. Deshalb kann der verpfändende Miterbe zufolge der Pfandbestellung nicht mehr in Gemeinschaft mit den anderen Miterben frei über das zum Nachlasse gehörende Grundstück verfügen. Vielmehr bedarf er zur Verfügung der Zustimmung des Pfandgläubigers. Daraus aber ergibt sich, daß zufolge der Verpfändung des Erbanteils die Eigentumseintragung in dem Grundbuch über das Nachlaßgrundstück nicht mehr der wirklichen Rechtslage entspricht; denn, während aus dem Inhalte der Eigentumseintragung zu entnehmen wäre, daß der verpfändende Miterbe in Gemeinschaft mit den anderen Miterben unbeschränkt über das Grundstück verfügen könne, ist die Rechtslage in Wirklichkeit derart gestaltet, daß jener Miterbe zur Verfügung der Zustimmung seines Pfandgläubigers bedarf. Deshalb müssen auch hier, insbesondere mit Rücksicht auf die Nachteile, die dem Pfandgläubiger zufolge Rechtserwerbes in gutem Glauben an die Richtigkeit des Grundbuchs erwachsen können, die Beteiligten für berechtigt erachtet werden, die Eintragung des Pfandrechts in das Grundbuch zu verlangen, damit das eingetragene Gesamteigentum der Miterben hinsichtlich des Anteils des Verpfänders in seiner wirklichen rechtlichen Gestaltung aus dem Grundbuch ersichtlich wird.

Dabei handelt es sich keineswegs um Eintragung einer rechtsgeschäftlichen Verfügungsbeschränkung, die nach § 137 BGB. allerdings unzulässig wäre. Verfügungsbeschränkungen, die gemäß dieser Vorschrift nicht durch Rechtsgeschäft mit dinglicher Wirkung begründet werden können, unterscheiden sich von dinglichen Rechten an fremder Sache, wie dem Pfandrechte, dadurch, daß der davon Betroffene behindert ist, sein Recht, das ihm an sich unbegrenzt zusteht, im Wege der Verfügung auszuüben, während durch das Bestehen eines dinglichen Rechtes an fremder Sache das Recht des Betroffenen daran entsprechend vermindert ist, ihm aber über sein so vermindertes Recht die freie Verfügung, unbeschadet jenes vermindernden Rechtes, zusteht.. Deshalb ist eine Verpfändung nicht eine rechtsgeschäftliche Ausschließung oder Beschränkung der Verfügungsbefugnis im Sinne des § 137. Danach ist die Eintragung des Pfandrechts an einem Erbanteilsrecht auf ein Nachlaßgrundstück für zulässig zu erachten.

Da der verpfändende Miterbe zufolge der Verpfändung seines Erbanteils, wenn er in Gemeinschaft mit den anderen Miterben über das Nachlaßgrundstück verfügen will, der Zustimmung des Pfandgläubigers bedarf, damit diesem gegenüber die Verfügung wirksam ist, er also insofern tatsächlich durch die Verpfändung in der Verfügung über das Grundstück beschränkt ist, hat in Preußen nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 der Allg. Verf. z. Ausf. d. GBO. vom 20. November 1899 die Eintragung des Pfandrechts in Abteilung II des Grundbuchblatts "Lasten und Beschränkungen" - die letztere Bezeichnung begreift namentlich Beschränkungen des Verfügungsrechts des Eigentümers - zu erfolgen. Die Eintragungsformel hat dahin zu lauten, daß der Anteil des verpfändenden Miterben an dem ungeteilten Nachlasse verpfändet sei. Einer Zustimmung der anderen Miterben zu der Eintragung bedarf es nicht, da diese durch die Eintragung in ihrem Rechte nicht betroffen werden."