RG, 16.05.1917 - VI 58/17

Daten
Fall: 
Zwischenurteil
Fundstellen: 
RGZ 90, 238
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
16.05.1917
Aktenzeichen: 
VI 58/17
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • Landgericht Hirschberg
  • Oberlandesgericht Breslau

1. Leidet das Verfahren erster Instanz an einem wesentlichen Mangel, wenn das Landgericht bei erhobener Leistungs- und Feststellungsklage einheitlich anstatt eines Teil-Endurteils auf Feststellung und eines Teil-Zwischenurteils über den Grund des Leistungsanspruchs ein Zwischenurteil nach § 304 ZPO. für den ganzen Klaganspruch erläßt?
2. Tragweite der Rechtskraft des Zwischenurteils über den Grund des Anspruchs im Verhältnis zum Endurteil auf Feststellung.

Tatbestand

Die Kläger haben wegen eines Unfalls, den der Kläger zu 2 erlitten hat, Klage auf Schadensersatz erhoben und beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 639,50 M an Heilungskosten an den Kläger zu 1, den Vater des Verletzten, sowie im übrigen zum Ersatz allen Schadens, der beiden Klägern aus dem Unfall erwachsen werde, zu verurteilen. Das Landgericht erklärte den so erhobenen Klaganspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt, das Oberlandesgericht erklärte dagegen auf die Berufung der Beklagten nur den erhobenen Leistungsanspruch unter Abweisung der Mehrforderung zu 3/4 dem Grunde nach für gerechtfertigt, hob im übrigen das Urteil der ersten Instanz auf Grund des § 589 ZPO. auf und wies die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurück.

Die Revision gegen diese Entscheidung wurde zurückgewiesen.

Gründe

... "Es kann einem begründeten Zweifel kaum unterliegen, daß das Landgericht in seinem Urteil über den gesamten Klagestoff und über beide Klaganträge hat erkennen wollen; es fehlt in der Begründung des Urteils an jeder Andeutung, daß es allein den Leistungsanspruch, der im gegebenen Falle nur den geringeren Teil des Ganzen ausmacht, und nicht zugleich die Feststellungsklage - als solche stellt sich die sog. allgemeine Schadensklage dar - hätte erledigen wollen. Seine Entscheidung ist freilich prozeßrechtlich fehlerhaft: es hätte hinsichtlich des Feststellungsantrags gemäß § 301 ZPO. ein Teilurteil und zugleich hinsichtlich des Leistungsanspruchs ein Zwischenurteil nach § 304 ZPO. erlassen müssen. Das Berufungsgericht seinerseits hätte demgegenüber in einer den ganzen Prozeßstoff sachlich erledigenden Entscheidung den formellen Mangel, daß das Landgericht über die Feststellungsklage ein Zwischenurteil im Sinne des § 304 ZPO. erlassen hat, beseitigen und die prozeßrechtlich richtige Entscheidung an die Stelle der fehlerhaften setzen können. Das Revisionsgericht kann dies im gegebenen Falle nicht, wie die Revision vermeint; nachdem das Berufungsgericht über die Feststellungsklage sachlich zu entscheiden abgelehnt hat, vermag das Revisionsgericht nicht unter Überspringung eines Rechtszuges diese Entscheidung zu fällen. Es würde in der Lage, den besprochenen prozeßrechtlichen Mangel durch Berichtigung der sachlichen Entscheidung zu beseitigen, nur gewesen sein, wenn das Berufungsgericht selbst den Fehler begangen hätte, den das landgerichtliche Urteil aufweist; in diesem Falle würde eine sachliche, wenn auch unrichtige, Entscheidung über das Feststellungsbegehren der Klage vorliegen.

Das Urteil des Berufungsgerichts auf die Feststellungsklage, das insoweit unter Ablehnung eigener sachlicher Entscheidung das landgerichtliche Urteil nach § 539 ZPO. aufgehoben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen hat, kann mit der Revision prozeßrechtlich nur aus dem Grunde angegriffen werden, daß das Verfahren der ersten Instanz an einem wesentlichen Mangel gar nicht gelitten habe, so daß für die Ablehnung der sachlichen Entscheidung und die Aufhebung nebst Zurückverweisung der Boden fehle. Diese Ansicht wird auch von der Revision verfochten; sie kann aber nicht für zutreffend erachtet werden. Ein wesentlicher Mangel des Verfahrens in erster Instanz liegt in der Tat vor. Es ist an Stelle eines selbständigen Endurteils auf Feststellung, das als Teilurteil nach § 301 ZPO. zu erlassen gewesen wäre, ein unselbständiges Zwischenurteil nach § 304 ZPO. über den Grund des Anspruches erlassen worden, das einmal einen Streit über Grund und Betrag und deshalb auch voraussetzt, daß ein solcher überhaupt gefordert wird, und das ferner zwar nach § 304 Abs. 2 ZPO. hinsichtlich der Rechtsmittel als Endurteil anzusehen ist, aber doch nur als Zwischenurteil im Verhältnis zu einem nachfolgenden den Rechtsstreit erledigenden Endurteile Rechtskraft erlangt und dem deshalb die Bedeutung einer rechtskräftigen Feststellung des Anspruchs im Sinne des § 218 BGB. und als Unterlage eines im besonderen Rechtsstreite zu verfolgenden Leistungsanspruchs abgeht (RGZ. Bd. S" S. 10)." ...