RG, 16.05.1919 - II 20/19
Genügt immer schon der objekive Verstoß gegen ein Verbotsgesetz, um die Rückforderung nach § 817 Satz 2 BGB. auszuschließen?
Tatbestand
Am 11. Januar 1917 bot der Beklagte, der im Kreise Cleve wohnt, der in Mühlhausen i. Thür. ansässigen Klägerin eine Partie holländischen Wollgarns an, das Pfund zu 21 M gegen vorherige Bezahlung durch Scheck. Die Klägerin akzeptierte das Angebot am 12. Januar und ließ ihm einen Scheck zugehen, worauf er ihr 375 Pfund Garn übersandte. Sie beantragte darauf bei der Kriegsrohstoffabteilung des Kriegsministeriums in Berlin die Freigabe, wurde aber abschlägig beschieden, da der Beklagte zum Verkaufe nicht berechtigt gewesen sei. Das Garn wurde enteignet, wobei die Klägerin 5,72 M für das Pfund ausgezahlt erhielt. Mit der Klage nimmt sie den Beklagten auf Rückerstattung des gezahlten Mehrbetrags in Höhe von 5745,13 M nebst Zinsen in Anspruch.
Beide Vorinstanzen gaben der Klage statt. Die Revision wurde zurückgewiesen.
Gründe
"Die Bundesratsverordnung über die Sicherstellung von Kriegsbedarf vom 24. Juni/25. November 1915 (RGBl. S. 357, 778) bestimmt in § 1 und § 4, daß Gegenstände des Kriegsbedarfs und solche, die bei der Herstellung oder dem Betriebe von Kriegsbedarfsartikeln zur Verwendung gelangen, unbeschadet der Zuständigkeit der Militärbefehlshaber auch durch Anordnung der Kriegsministerien beschlagnahmt werden können. Die Beschlagnahme hat die Wirkung, daß die Vornahme von Veränderungen an den von ihr berührten Gegenständen verboten ist und rechtsgeschäftliche Verfügungen nichtig sind. Auf Grund dieser Verordnung haben die vier Kriegsministerien durch Bekanntmachung vom 31. Dezember 1915 sämtliche Vorräte an Web- und Strickgarn mit Beschlag belegt.
Hiernach hat die Klägerin, als sie den Kaufpreis an den Beklagten zahlte; eine Nichtschuld gezahlt. Der § 6 der Bundesratsverordnung enthält ein Verbot von absoluter Wirkung, das nicht nur, wie die Veräußerungsverbote des § 135 BGB., den Schutz einer bestimmten Person bezweckt; der Vertrag, der gegen das Verbot verstieß, war nach § 134 BGB. nichtig. Überdies ergibt sich die Nichtigkeit aus § 306 das., da es von vornherein unmöglich war, das Eigentum an den beschlagnahmten Sachen zu übertragen (vgl. RGZ. Bd. 92 S. 34).
Den Einwand aus § 814 BGB., daß die Klägerin ihre Nichtverpflichtung gekannt habe, weist das Berufungsgericht mit bedenkenfreier Begründung zurück. Wie es tatsächlich feststellt, hat sie das Garn, das soeben erst aus Holland eingeführt war, noch für frei angesehen und nur gemeint, zu Weiterverfügungen der Zustimmung der Kriegswollbedarfs-Aktiengesellschaft zu bedürfen. Diese Feststellung genügt aber auch, um den aus § 817 Satz 2 entnommenen weiteren Einwand zu widerlegen. Mit Unrecht beruft sich die Revision auf das Urteil RGZ. Bd. 72 S. 46. In dem dortigen Falle, in dem ein Konkurs durch Zwangsvergleich beendet war, hatte der Rückforderungskläger, ein Sohn des Gemeinschuldners, ein Sonderabkommen erfüllt, wodurch ein einzelner Gläubiger begünstigt war. Er hatte dabei zwar die Tatsache der Bevorzugung des Gläubigers vor den übrigen gekannt, nicht aber gewußt, daß er durch die Teilnahme an dem Abkommen gegen § 181 KO. verstieß. Der I. Zivilsenat bestätigte die Abweisung der Klage, weil schon der objektive Verstoß gegen das Verbotsgesetz die Rückforderung ausschließe. Ob dem für den damaligen Fall beigetreten werden dürfte, kann zweifelhaft erscheinen. Es läßt sich manches dafür vorbringen, daß der Ausschluß der Rückforderung, der ersichtlich als Strafe für eine an den Tag gelegte verwerfliche Gesinnung gedacht ist, schlechthin nur bei bewußtem Zuwiderhandeln gegen das Gesetz stattfinden soll. Doch mag das auf sich beruhen. Jedenfalls könnte der Satz, daß schon der objektive Verstoß der Kondiktion entgegenstehe, nur für solche Verbotsgesetze gerechtfertigt werden und hat auch sicherlich nur für solche vom I. Zivilsenat aufgestellt werden sollen, die kraft ihrer inneren Bedeutung und der langen Zeit ihrer Geltung in das Allgemeinbewußtsein des Volkes übergegangen sind, so daß sie regelmäßig als bekannt vorausgesetzt werden dürfen. Derartiges steht im vorliegenden Falle nicht in Frage. Hier handelt, es sich um wirtschaftliche Maßnahmen, die auf Grund einer Blankettverordnung des Bundesrats vom Kriegsministerium getroffen und noch dazu in völlig unzulänglicher Weise, durch Polizeiblätter, veröffentlicht waren. Die Kenntnis dieser Bestimmungen ist auch bei Geschäftsleuten, deren Gewerbebetrieb dadurch berührt wird, nicht ohne weiteres vorauszusetzen. Nichts aber spricht dafür, den unwissentlichen Verstoß gegen ein in solchen Bestimmungen enthaltenes Verbot durch Zufügung eines Rechtsnachteils, wie es der Ausschluß des Rückforderungsrechts sein würde, zu bestrafen.
Der Beklagte hatte sodann noch geltend gemacht, daß die Klägerin stillschweigend auf die Rückforderung verzichtet habe. Das Berufungsgericht bemerkt hierzu, die Nichtigkeit des ganzen Geschäfts ziehe auch die Nichtigkeit etwaiger Nebenabreden nach sich. Der Revision mag zugegeben werden, daß diese Begründung die Sache nicht erschöpft. Ein Verzicht auf die Rückforderung würde auch dann wirksam sein, wenn er nicht dem Kaufvertrage, sondern der Zahlung als Nebenabrede beigefügt wäre (vgl. RGZ. Bd. 56 S. 353 flg.). Indes sind schlüssige Umstände für einen Verzicht überhaupt nicht behauptet worden. Unstreitig haben die Parteien die Rechtslage verkannt. Daß ein Handel mit Garn gesetzlich verboten war, haben sie nicht gewußt, sondern nur mit der Möglichkeit gerechnet, daß das Garn durch Verfügung einer Behörde beschlagnahmt werden könnte. Wenn die Klägerin für einen solchen Fall auf die Rückforderung verzichtet hat, so folgt daraus nicht, daß sie das Geld auch unter den Verhältnissen, die tatsächlich bestanden, dem Beklagten hätte zahlen wollen."