RG, 22.03.1917 - IV 399/16

Daten
Fall: 
Unbeeidigt zu vernehmender Zeuge
Fundstellen: 
RGZ 90, 81
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
22.03.1917
Aktenzeichen: 
IV 399/16
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Stuttgart
  • OLG Stuttgart

Nachträgliche Beeidigung eines unbeeidigt zu vernehmenden Zeugen.

Tatbestand

Der Kläger hat die Ehelichkeit des von seiner Ehefrau am 8. Dezember 1914 geborenen Beklagten angefochten. Das Berufungsgericht wies die Klage ab, die Revision wurde zurückgewiesen, aus folgenden Gründen:

Gründe

"Um die Ehelichkeit des Beklagten wirksam anzufechten, hat der Kläger die Vermutung des § 1591 Abs. 2 BGB. zu widerlegen, daß er seiner Frau während der Empfängniszeit beigewohnt habe. Das Berufungsgericht erklärt den durch das Zeugnis seiner Frau erhobenen Beweis des Klägers für mißlungen, da sie uneidlich ausgesagt habe, mit dem Kläger im März 1914 geschlechtlich verkehrt zu haben. Der Antrag des Klägers, die Zeugin nachträglich zu beeidigen, wurde abgelehnt und dazu bemerkt, ihre bisherigen Aussagen könnten dem Kläger nichts nützen, der Eid aber dürfe nicht dazu dienen, eine Zeugin, deren Angaben Mißtrauen entgegengebracht wird, zu einer Änderung ihrer Aussage zu bestimmen. Der Revision, die diese Begründung für rechtsirrig hält, ist... zuzugeben, daß der von Schriftstellern und mitunter auch in der Rechtsprechung vertretene Standpunkt, wonach die nachträgliche Beeidigung nach § 393 Abs. 2 ZPO. nur dazu dienen dürfe, das Gewicht einer für glaubwürdig erachteten Aussage zu verstärken, der Bedeutung des Eides nur einseitig gerecht wird. Dem wenn der Eid überhaupt die Wahrheit der Zeugenaussagen nach Möglichkeit gewährleisten soll, so muß dieser Grundgedanke auch bei der Anordnung der nachträglichen Beeidigung nach § 393 Abs. 2 ZPO. gelten, also auch für den Fall, daß das Gericht von der nachträglichen Beeidigung erwartet, es werde der Zeuge seine möglicherweise unwahre Aussage berichtigen. Ob der Zeuge, der das Zeugnis sogleich hätte verweigern können, auch den nachträglich erforderten Eid verweigern kann, kommt bei der Anordnung der Beeidigung selber nicht in Frage. Daß aber das Berufungsgericht sich zu der Ablehnung der nachträglichen Beeidigung der Zeugin durch eine rechtswidrige Verkennung seiner Befugnisse hätte bestimmen lassen, kann nicht angenommen werden. Es hat die Glaubwürdigkeit der Zeugin, die als Frau des Klägers und als Mutter des Beklagten nach § 383 Abs. 1 Nr. 2, 3 ZPO., uneidlich vernommen ist und deren Beeidigung auch nach § 384 Nr. 2 ZPO. gesetzlich nicht geboten war, nicht bezweifelt. Es hat ferner ihre Aussage, so wie sie die Umstände näher dargelegt hat, als wahrheitsgemäß aufgefaßt. Daraufhin konnte das Berufungsgericht nach seinem freien fachlichen' Ermessen trotz des etwaigen Mißtrauens des Klägers gegen die Aussage seiner Frau deren nachträgliche Beeidigung ohne Prozeßverstoß ablehnen."