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RG, 13.03.1917 - VII 402/16

Daten
Fall: 
Steuersatz bei Erhöhungen des Grundkapitals einer Aktiengesellschaft
Fundstellen: 
RGZ 90, 30
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
13.03.1917
Aktenzeichen: 
VII 402/16
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Cöln
  • OLG Cöln

Inwieweit ist bei Erhöhungen des Grundkapitals einer Aktiengesellschaft für die Ermittelung des Steuersatzes der Tarifst. 25 zu a Nr. 1 des preußischen Stempelsteuergesetzes vom 30. Juni 1909 das bei der Erhöhung vorhandene Grundkapital und der Betrag der Erhöhung zusammenzurechnen?

Tatbestand

Die Klägerin, die vor dem 1. Juli 1909 ein Grundkapital von 4 Millionen Mark hatte, erhöhte es durch Beschluß vom 14. März 1911 auf 5 Millionen Mark und durch weiteren Beschluß vom 19. September 1913 auf 7 1/2 Millionen Mark. Für die beiden Erhöhungsbeträge erforderte der Beklagte nach Tarifst. 25 zu a preuß. StstG. in der Fassung vom 30. Juni 1909 einen Stempel von 1 1/4 v. H. Die Klägerin hält sich nur zur Zahlung eines Stempels von 1 v. H. verpflichtet und verlangt mit der Klage die Rückzahlung des Mehrbetrags von 8747 M nebst Prozeßzinsen. Das Landgericht wies die Klage ab. Die Berufung blieb erfolglos. Die Revision der Klägerin wurde zurückgewiesen aus folgenden Gründen:

Gründe

"Die Parteien streiten darüber, ob die Kapitalerhöhung von 1911 und die Kapitalerhöhung von 1913 einem Landesstempel von 1 v. H. oder von 1 1/4 v. H. des Betrags der Erhöhung des Kapitals unterliegen. Nach Tarifst. 25 zu a, Nr. 1 preuß. StStG. in der Fassung vom 30. Juni 1909 ist die Erhöhung des Grundkapitals einer Aktiengesellschaft einer Abgabe von 1 v. H. dieses Erhöhungsbetrags unterworfen, wenn das Grundkapital nicht mehr als 5 Millionen Mark beträgt, aber einem Steuersätze von 1 1/4 v. H. dann, wenn das Grundkapital mehr als 5 Millionen Mark, aber nicht mehr als 10 Millionen Mark beträgt. Im vorliegenden Falle betrug das Grundkapital, mag man den Betrag der Erhöhung hinzurechnen oder von der Hinzurechnung absehen, bei der ersten Kapitalerhöhung von einer Million Mark nicht mehr als 5 Millionen Mark. Diese Erhöhung war daher mit 1 v. H. des Erhöhungsbetrags, also mit 10000 M zu versteuern. Bei der im Jahre 1913 erfolgten Kapitalerhöhung betrug das Grundkapital vor der Erhöhung nur 5 Millionen Mark und bei Hinzurechnung des Betrags dieser Erhöhung 7 1/2 Millionen Mark. Im ersteren Falle käme der Steuersatz von 1 v. H., im zweiten der Steuersatz von 1 1/4 v. H. zur Anwendung. Die Entscheidung hängt daher bei dieser Erhöhung davon ab, ob man für die Bestimmung des Steuersatzes das nichterhöhte Grundkapital oder ob man das erhöhte Grundkapital als maßgebend ansieht. Legt man das erhöhte Kapital zugrunde, so wirkt dies auch auf die Stempelpflichtigkeit der ersten Erhöhung insofern zurück, als nunmehr auch für diese nach der Vorschrift im Abs. 2 der Tarifstelle die Anwendung des höheren Steuersatzes von 1 1/4 v. H. sich ergibt. Der Steueranspruch des Beklagten ist hiernach in vollem Umfange begründet, wenn er darin Recht hat, daß der Steuersatz nach dem Grundkapital zu bestimmen ist, das nach der erfolgten Erhöhung vorhanden ist.

Im Urteile vom 18. Juni 1912 (RGZ. Bd. 80 S. 9) hatte der erkennende Senat hinsichtlich der Bestimmung des Steuersatzes die Hinzurechnung des Betrags der Erhöhung zu dem bis zur Erhöhung bestehenden Kapital, die für Gesellschaften m.b.H. in der Spalte 4 Nr. 2 der Tarifst. 25 zu a ausdrücklich angeordnet ist, für die Aktiengesellschaften abgelehnt, soweit es sich um Grundkapital handelte, das schon zur Zeit des Inkrafttretens des Stempelgesetzes vom 30. Juni 1909 vorhanden war. In dem Urteile vom 26. März/30. April 1915 VII. 454/14 hat sich der Senat ohne nähere Begründung - der Streit der Parteien betraf einen anderen Punkt - auf den entgegengesetzten Standpunkt gestellt, was sich schon daraus ergibt, daß damals die Zurückverweisung des Rechtsstreits in die Vorinstanz in vollem Umfange erfolgt ist, während bei' Anwendung der Grundsätze des Urteils vom 18. Juni 1912 die Sache zu einem wesentlichen Teile reif für die Entscheidung zuungunsten des Fiskus gewesen wäre. Bei nochmaliger Prüfung der Streitfrage glaubt der Senat, in Übereinstimmung mit dem Berufungsrichter, die Grundsätze des Urteils vom 18. Juni 1912 nicht in vollem Umfange aufrecht erhalten zu sollen, wenngleich sie mit dem Wortlaute der Tarifstelle nicht unvereinbar sind. Die Zweifel, die für die eine sowohl als auch für die andere Auslegung der Tarifstelle sich aufdrängen, haben ihre Ursache darin, daß wesentliche Änderungen der Regierungsvorlage in der Kommission des Abgeordnetenhauses vorgenommen worden sind und daß dabei die Gesetzesvorschrift nicht einheitlich neu gefaßt, die alte Fassung vielmehr zum größten Teile beibehalten und dadurch der Gesetzesinhalt unübersichtlich geworden ist.

Für die Gesellschaften m.b.H. war schon im Stempelsteuergesetze vom 31. Juli 1895 und ist auch in der Neufassung von 1909 durch ausdrückliche Vorschrift angeordnet worden, daß die Anwendung des gestaffelten Steuersatzes bei Kapitalerhöhungen sich nach dem Betrage des Stammkapitals unter Hinzurechnung des Betrags der Erhöhung regelt. In der dieser Vorschrift örtlich vorangehenden Vorschrift der Nr. 1 der Tarifst. 25 zu a, in der die Versteuerung der Kapitalerhöhungen für Aktiengesellschaften geordnet ist, fehlt es im Abs. 1 in beiden Gesetzen an einer gleichen oder ähnlichen Bestimmung, obschon durch die neue Fassung auch für die Versteuerung der Erhöhung des Grundkapitals der Aktiengesellschaften eine Staffelung des Steuersatzes eingeführt worden war und deshalb Anlaß vorlag, auch hier eine Vorschrift darüber zu erlassen, ob eine Hinzurechnung zu erfolgen habe. Faßt man daher nur den Abs. 1 der Tarifstelle ins Auge, so muß man zu der Auffassung gelangen, daß für die Versteuerung der Kapitalerhöhungen der Erhöhungsbetrag bei Gesellschaften m. b. H. dem Stammkapital, nicht aber bei Aktiengesellschaften dem Grundkapital hinzuzurechnen ist. Das ist des näheren im Urteile vom 18. Juni 1912 Bd. 80 auf Seite 9 bis 13 dargelegt. Die gegen die dortigen Ausführungen vom Berufungsrichter erhobenen Bedenken sind nicht begründet; insbesondere ist aus der Wahl der Gegenwartsform "beträgt" im Abs. 1 Nr. 1 zugunsten einer abweichenden Auslegung nichts zu folgern, zumal dieselbe Gegenwartsform auch im Abs. 1 Nr. 2 hinsichtlich der Gesellschaften m.b.H. gebraucht ist, obschon hier die Hinzurechnung ausdrücklich angeordnet ist.

Erst in dem durch die Neufassung vom 30. Juni 1909 eingefügten Abs. 2 findet sich ein unzweideutiger Anhalt dafür, daß auch für Aktiengesellschaften eine solche Hinzurechnung vom Gesetze bezweckt ist. Nach der Regierungsvorlage sollte diese neue Vorschrift nur für die Erhöhungen bei Gesellschaften m.b.H. gelten, und deshalb war in ihr nur von Hinzurechnung der Erhöhungsbeträge zum Stammkapital, nicht auch zum Grundkapital die Rede. Erst in der Kommission wurden durch die Annahme des Antrags 43 Nr. 2 vor dem Worte "Stammkapitals" die Worte "Grund- oder" eingefügt und dadurch der ganze Abs. 2 auch für Aktiengesellschaften anwendbar gemacht. Da der Absatz die Zusammenrechnung ganz allgemein und ohne Einschränkung vorsieht, wird man ihn nicht nur für den Fall der Nachversteuerung früherer Verträge und Beschlüsse, betreffend die Errichtung von Aktiengesellschaften und Erhöhungen des Grundkapitals, obgleich er in erster Reihe gerade für die Nachversteuerungen gegeben war, sondern auch für die Erstversteuerung des letzten Erhöhungsbeschlusses - hier desjenigen vom 19. September 1913 - anzuwenden haben. Ist hiernach eine Aktiengesellschaft nach dem 30. Juni 1909 errichtet, so ist bei einer Kapitalerhöhung die Nachversteuerung unter Anwendung des erhöhten Steuersatzes nicht nur für das ursprüngliche Grundkapital und die vorangegangenen Erhöhungen vorzunehmen, sondern auch für die letzte Erhöhung der Steuersatz nach einem Betrage zu bestimmen, der sich aus der Zusammenrechnung des Grundkapitals und der sämtlichen Erhöhungen, auch der letzten, ergibt. Dem entspricht es auch, wenn inhalts des Kommissionsberichts (Nr. 560A, S. 26 der Verh. des Abg-H. 1908/09) ein Mitantragsteller des Antrags Nr. 43 erklärt hat, die Einschiebung der Worte "Grund- oder" verfolge den Zweck, nach Einführung eines gestaffelten Stempels für Aktiengesellschaften die nach der Regierungsvorlage nur für die Gesellschaften m.b.H. vorgesehenen Bestimmungen über Zusammenrechnung des ursprünglichen Kapitals und der Erhöhungen auf die Aktiengesellschaften auszudehnen. Ein Widerspruch hiergegen oder sonst eine abweichende Auffassung ist bei der weiteren Beratung des Gesetzentwurfs nirgends hervorgetreten.

Es fragt sich, ob die vorstehenden Grundsätze auch dann zu gelten haben, wenn die Verträge und Beschlüsse, betr. die Errichtung der Aktiengesellschaften und die Erhöhung ihres Grundkapitals, ganz oder zum Teil vor dem 1. Juli 1909 liegen. Hierüber bestimmt der Abs. 2 im letzten Satze, daß die vor diesem Zeitpunkte beurkundeten Verträge oder Beschlüsse von der Vorschrift des Abs. 2 "unberührt" bleiben. Daraus folgt zunächst so viel, daß jedenfalls diese vor dem 1. Juli 1909 liegenden Beiträge und Beschlüsse selbst nicht zur Nachversteuerung gezogen werden dürfen. Fraglich kann aber sein, ob bei der Nachversteuerung auch das durch solche vor dem 1. Juli 1909 liegende Errichtungsverträge geschaffene ursprüngliche Grundkapital sowie die durch solche Erhöhungsbeschlüsse bestimmten Erhöhungsbeträge auch für die durch den Abs. 2. an sich gebotene Zusammenrechnung auszuscheiden haben, so daß für den Steuersatz ausschließlich die Kapitalzuführungen zusammenzurechnen sind, die seit dem 1. Juli 1909 der Aktiengesellschaft zugewendet worden sind. Im Urteile vom 18. Juni 1912 (Bd. 80) ist auf S. 14 der Abs. 2 dahin ausgelegt worden, daß jene vor dem 1. Juli 1909 liegenden Verträge und Beschlüsse für die Anwendung des Abs. 2 völlig ausscheiden, derart, daß eine Zusammenrechnung des Kapitals und des Betrags späterer Erhöhungen zum Zwecke der Nachversteuerung nur für die seit dem 1. Juli 1909 beurkundeten Verträge und Beschlüsse zulässig sei. Diese Auffassung ist jedoch als zu weitgehend nicht aufrecht zu erhalten. Bei Gesellschaften m. b. H. war nach Abs. 1 Nr. 2 schon seit 1895 auch bei der Erstversteuerung der Erhöhungsbeschlüsse das zur Zeit der Erhöhung vorhandene (unvermehrt gebliebene oder durch Erhöhungsbeschlüsse schon vermehrte) Grundkapital mit dem Betrage der letzten zu versteuernden Kapitalerhöhung zusammenzurechnen. Diesen Grundsatz, der nunmehr nicht nur für die Gesellschaften m.b.H., sondern auch für die jetzt ihnen in diesem Punkte steuerlich gleichgestellten Aktiengesellschaften zu gelten hat, für die Nachbesteuerung und auch für die Erstversteuerung insoweit auszuschließen, als bei der Zusammenrechnung vor dem 1. Juli 1909 liegende Verträge und Beschlüsse in Betracht kommen, dazu bietet der Wortlaut und Sinn des Gesetzes keinen ausreichenden Anhalt. Es fehlt auch an einem genügenden gesetzgeberischen Grunde für eine solche Einschränkung. Im vorliegenden Falle waren daher die beiden nach dem Inkrafttreten der Neufassung des Stempelsteuergesetzes erfolgten Kapitalerhöhungen nach dem höheren Steuersatze von 1 1/4 v. H. zu versteuern, und hieraus ergibt sich, daß die Revision unbegründet ist."