RG, 20.12.1881 - II 418/81
Gutachten des Patentamtes in Patentstreitigkeiten. Wie verhält sich §. 18 des Patentgesetzes vom 25. Mai 1877 zu den Vorschriften der C. P. O. über den Beweis durch Sachverständige?
Tatbestand
Der Beklagte, wegen Verletzung eines Maschinenpatentes in Anspruch genommen, bestritt die Gleichartigkeit der von ihm benutzten, und der dem Kläger patentierten Maschine. Hierüber war das Gutachten des Patentamtes eingeholt worden. Das Patentamt hatte sein Gutachten in Form schriftlicher Rückäußerung an das Prozeßgericht abgegeben. Auf Grund dieses Gutachtens wurde der Einwand des Beklagten zurückgewiesen. In der Revisionsinstanz wendete der Beklagte ein: Damit seien die civilprozessualen Vorschriften über den Beweis durch Sachverständige verletzt. Die C. P. O. kenne nur Gutachten physischer Personen, nicht aber Gutachten von Behörden. Namentlich finde sich eine dem Abs. 3 des §. 83 St. P. O. entsprechende Bestimmung nicht in der C. P. O., welche letztere den §. 18 des Patentgesetzes abgeändert habe. Nur die Mitglieder des Patentamtes dürften in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten persönlich als Sachverständige vernommen, sie müßten aber alsdann vereidet oder doch auf den geleisteten Amtseid verwiesen werden. Das gegenwärtige Gutachten sei ohne Berufung auf einen etwa für die Erstattung von Gutachten im allgemeinen geleisteten Eid abgegeben.
Das Reichsgericht verwarf diesen Angriff.
Aus den Gründen
"Angenommen auch, die C. P. O. schließe die Einholung von Gutachten bei Fachbehörden grundsätzlich aus. so würden doch für eine Patentstreitigkeit, wie sie hier vorliegt, andere Regeln gelten. Nach §. 18 des Patentges. sind die Gerichte ermächtigt, das Patentamt um die Begutachtung von Fragen, welche Patente betreffen, anzugehen; und selbstverständlich darf dann auch die Entscheidung der Sache auf das Gutachten des Patentamtes gestützt werden. Die Behörde als solche ("das Patentamt") ist es. welche gemäß §. 18 Gutachten abzugeben hat. Von den Mitgliedern des Patentamtes spricht das Gesetz nicht. Eine persönliche Vernehmung der Mitglieder nach den Vorschriften der C. P. O. findet somit nicht statt. Vielmehr erfolgt die gutachtliche Äußerung des Patentamtes in der für die schriftlichen Erlasse der Behörde angeordneten Form. Am allerwenigsten können dabei die Bestimmungen der C. P. O. über die Vereidung von Sachverständigen zur Anwendung kommen. Da die Begutachtung von Patentfragen zu den Dienstobliegenheiten des Patentamtes gehört, so wird die Pflichtmäßigkeit des einzelnen Gutachtens durch den Diensteid verbürgt, welchen die an dem Gutachten Beteiligten vor dem Dienstantritte geleistet haben (§. 3 des Ges. betr. die Rechtsverhältnisse der Reichsbeamten v. 31. März 1873). Daß übrigens die Bestimmung in Satz 1 §. 18 des Patentges. sich nicht allein auf Strafsachen, sondern vornehmlich auch auf bürgerliche Rechtsstreitigkeiten bezieht, erhellt - ganz abgesehen noch von der allgemeinen Fassung des Gesetzes selbst - zweifellos aus den Motiven zu §§. 20. 21 des Entwurfes. Hier wird ausdrücklich hervorgehoben: Der Entwurf gehe davon aus. daß Streitigkeiten über die Verletzung eines Patentrechtes vor die ordentlichen Gerichte gehören. Letztere seien durchaus in der Lage, in solchen Streitigkeiten die Entscheidung zu treffen. Es könne nur darauf ankommen, den Gerichten die Gelegenheit zu gewähren, über die technischen Fragen, welche möglicherweise in den Streit verflochten sind, sich schnell und in maßgebender Weise zu unterrichten; der Entwurf gestatte ihnen, zu dem Behufe von dem Patentamte Gutachten einzuholen (Reichstagsverhandl. 1877 Sess. I. Bd. 3 S. 24). Endlich läßt sich auch nicht behaupten, daß §.18 des Patentges. durch die C. P. O. abgeändert sei. Das Patentgesetz hat zwar vor der C. P. O. verbindliche Kraft erhalten, ist aber erst später als diese erlassen und verkündigt worden. Jedenfalls enthält §.18 des Patentges. eine besondere, für Streitigkeiten über Patentverletzungen geltende prozeßrechtliche Vorschrift, welche nach §. 13 Abs. 1 des Einf.-Ges. z. C. P. O. durch letztere nicht berührt werden würde." ...