RG, 20.12.1879 - V 35/79

Daten
Fall: 
Zuschlagsbescheid
Fundstellen: 
RGZ 1, 164
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
20.12.1879
Aktenzeichen: 
V 35/79
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • Kreisgericht Meseritz.
  • Appellationsgericht Posen.
Stichwörter: 
  • Wirkung des Zuschlagsbescheides

Ein dem Schuldner nicht gehöriges Grundstück war aus Irrtum zur Zwangsvollstreckung gezogen und versteigert worden. Der frühere Eigentümer verlangte Herausgabe dieses Grundstückes im Wege der Schadensklage von dem Ersteher, weil dieser bei Ausbringung der Zwangsvollstreckung den Irrtum durch grobes Versehen veranlaßt hatte. Eigenes Versehen des Eigentümers, von welchem das öffentliche Aufgebot übersehen worden war.

Tatbestand

Der Beklagte hatte gegen die minderjährigen Kinder und Erben des verstorbenen Johann Zmuda zu Bomst eine Forderung rechtskräftig ausgewonnen und erfahren, daß als Eigentümer eines Ackerstückes ein Johann Zmuda zu Bomst im Grundbuche eingetragen stehe. Es war dies nicht der Vater der Schuldner des Beklagten, sondern der gleichnamige Kläger, der schon seinem Alter nach, wie es sich aus dem bei den Grundakten befindlichen Erwerbsakte ergiebt, nicht für den Erzeuger der in Frage stehenden Kinder gehalten werden konnte. Dem Beklagten genügte die Gleichheit im Namen und Wohnorte, um darauf hin ohne weitere Prüfung das Grundstück für das Eigentum seiner Schuldner zu halten und als ein bereites Objekt seiner Befriedigung zu behandeln. Nach beigebrachter Erbbescheinigung erwirkte er im Wege der Zwangstitelberichtigung die Umschreibung auf den Namen der Erben des verstorbenen Johann Zmuda und sodann die Zwangsversteigerung, in welcher er den Zuschlag erhielt. Von allen diesen Vorgängen wurde dem Kläger besondere Mitteilung nicht gemacht, weil er fortwährend mit dem verstorbenen Zmuda verwechselt blieb, und es bewendete bei dem nach §. 13 Nr. 7 der Subh.-O. v. 15. März 1869 vorgeschriebenen Aufgebote. Daran schloß sich auch die entsprechende Präklusion. Im Bietungstermine hatte die wiederverheiratete Witwe des verstorbenen Zmuda dem Beklagten mitgeteilt, daß das zum Verkauf stehende Grundstück einem anderen Zmuda gehöre.

Auf Grund dieser Sachlage hatte der Appellationsrichter in Abänderung der abweisenden Vorentscheidung den aus dem groben Versehen des Beklagten hergeleiteten Klaganspruch auf Auflassung des subhastierten Grundstückes an den Kläger für begründet erachtet. Die dagegen eingelegte Nichtigkeitsbeschwerde wurde zurückgewiesen aus folgenden Gründen:

Gründe

"Nach der nicht angegriffenen thatsächlichen Feststellung des Appellationsrichters hat der Beklagte durch eine von ihm verschuldete Namensverwechselung bewirkt, daß ohne Recht ein dem Kläger gehöriges und für denselben als Eigentümer eingetragenes Grundstück auf den Namen seines, des Beklagten, Schuldner umgeschrieben worden ist, mit der erreichten Absicht, dieses Grundstück behufs seiner Befriedigung zur Zwangsversteigerung zu bringen. In diesem Vorgehen, durch welches dem Kläger das Eigentum an seinem Grundstücke entzogen worden ist, liegt eine rechtlose Beschädigung des Klägers, für welche der Beklagte nach den Bestimmungen der §§. 8 ff. A.L.R. I. 6 nach Maßgabe seines Versehens Schadensersatz leisten muß. An dieser Verpflichtung wird ihrem Grunde nach nichts durch den Umstand geändert, daß Beklagter selbst das Grundstück in der Subhastation erstanden hat. Dieser Umstand ist ein bloß zufälliger, das Fundament des Schadensanspruches würde dasselbe bleiben, wenn auch ein anderer das Grundstück erstanden hätte. Die Wirkung des Zuschlages, welche Kläger nicht mehr anfechten kann, bildet seinen Schaden; die vorbereitenden Handlungen des Beklagten, welche es ihm ermöglichten, das Grundstück als Exekutionsobjekt zu behandeln, sind die Ursachen des Schadens, der Akt der Beschädigung. Es gehört erst zu den Folgen dieser Beschädigung, daß Verklagter in die Lage gekommen ist, in einer vom Gesetze erlaubten Weise das Eigentum des Grundstückes an sich zu bringen. Durch den Zuschlagsbescheid und die damit verbundene Präklusion der Realprätendenten erlöschen die Realrechte der Präkludierten; aber die vorliegende Klage ist auch kein dinglicher Anspruch, sondern lediglich eine persönliche Klage auf Schadensersatz. Wenn sie sich in ihrem Antrage, den Beklagten zur Auflassung des fraglichen Grundstückes an Kläger zu verurteilen, deckt mit der Eigentumsklage, so liegt dies in dem bereits als zufällig bezeichneten Umstande, daß Beklagter der Adjudikatar ist. Weil derselbe, durch den Zuschlagsbescheid in die Lage gebracht ist, über das Grundstück als Eigentümer zu verfügen, kann er es auch dem Kläger wieder verschaffen und dadurch den früheren Zustand wieder herstellen, eine Art des Schadensersatzes, welche stets erfolgen muß, insofern die Möglichkeit dazu vorhanden ist. Der durch den Zuschlag geschaffene Rechtszustand wird also von der Klage nicht nur nicht angegriffen, sondern es bildet seine Anerkennung eine der wesentlichen Voraussetzungen derselben.

Die vorstehende Auffassung beherrscht überall die Ausführung der von der Nichtigkeitsbeschwerde angegriffenen Entscheidung des Appellationsrichters. Ausdrücklich hebt derselbe hervor, der Beklagte sei in seiner Eigenschaft als Adjudikatar zur Restitution nicht verpflichtet und schadensersatzpflichtig nur als Extrahent des Verkaufes. Der Vorwurf einer Verletzung der §§. 13 Nr. 7, 36, 37, 43 der Subh.-O. vom 15. März 1869, der Grundsätze von der Rechtskraft richterlicher Erkenntnisse (§§ 65, 66 Einl., §. 1 A.G.O. I. 16) bezüglich des Zuschlagsbescheides (A,L.R. 1.11 §. 342 und I. 15 §. 17) ist deshalb unbegründet.

Nicht zutreffend ist aber auch die Rüge der Verletzung des A.L.R.'s I. 3 §§. 18, 19 und I. 6. §5. 3, 10, 11, 18, 19, 79, 81, 82, die daraus entnommen wird, daß der Appellationsrichter dem Kläger ein grobes, dem Verklagten höchstens ein geringes Versehen beimißt. Im allgemeinen entzieht sich die Feststellung der Grade eines Versehens, weil sie eine thatsächliche ist, dem Angriffe der Nichtigkeitsbeschwerde, soweit sie sich auf Rügen rechtsgrundsätzlichen Verstoßes beschränkt. Nun beschuldigt zwar die Nichtigkeitsbeschwerde den Appellationsrichter eines Rechtsirrtumes, indem sie hervorhebt, derselbe gebe dem groben Versehen des Verklagten als tatsächliche Unterlage eine im Versteigerungstermine zu Tage getretene Fahrlässigkeit des Beklagten, darin bestehend, daß er die Äußerung einer interessierten Person darüber, daß das zur Subhastation stehende Grundstück sich nicht im Eigentume des Subhastaten befinde, unberücksichtigt gelassen habe. Aber der Vorwurf der Nichtigkeitsbeschwerde beruht lediglich auf einer unrichtigen Auffassung des betreffenden Teiles der Entscheidungsgründe. Der Appellationsrichter findet das Versehen des Beklagten vorzugsweise darin, daß dieser lediglich auf Grund der Namensgleichheit angenommen habe, das Grundstück des Klägers gehöre seinen Schuldnern und daß er sich gegenüber der erwähnten Äußerung im Versteigerungstermine, das Grundstück gehöre einer anderen Person gleichen Namens mit dem Erblasser der Subhastaten, nicht veranlaßt gesehen habe, zu erwägen, wie unzuverlässig die Grundlage sei, auf welche hin er die Umschreibung des Besitztitels von dem Namen des Klägers auf den seiner Schuldner betrieben habe. Auch hier ist zu unterscheiden zwischen dem Beklagten als Bieter und als Extrahenten der Exekution. Was jener unberücksichtigt lassen durfte, mußte dieser näher prüfen. Diese vom Appellationsrichter überall festgehaltene Unterscheidung entzieht ihn dem Vorwurfe, er habe eine Unterlassung als Versehen bezeichnet, der das Gesetz den Charakter der Pflichtwidrigkeit dadurch benimmt, daß es trotz derselben rechtsgültigen Eigentumserwerb sich vollziehen läßt.

Wenn endlich die Nichtigkeitsbeschwerde geltend macht, der Appellationsrichter greife fehl, indem er dem Kläger nur ein leichtes Versehen beimesse, so bleibt sie den Nachweis gleichfalls schuldig, daß der Appellationsrichter sich dabei von einer irrigen Auffassung des gesetzlichen Begriffes eines leichten Versehens habe leiten lassen. Der Appellationsrichter erörtert die besonderen Umstände des Falles, und es kann der Nichtigkeitsbeschwerde nicht zugegeben werden, es sei unter allen Umständen ein grobes Versehen, wenn ein Grundbesitzer nicht unausgesetzt öffentliche Bekanntmachungen danach durchforscht, ob sein Grundstück etwa widerrechtlich zur Subhastation gestellt werde."