RG, 23.11.1918 - V 246/18

Daten
Fall: 
Ersatzhypotheken
Fundstellen: 
RGZ 94, 154
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
23.11.1918
Aktenzeichen: 
V 246/18
Entscheidungstyp: 
Urteil

1. Steht § 1114 BGB., der die hypothekarische Belastung eines Grundstückbruchteils nur gestattet, wenn er in dem Anteil eines Miteigentümers besteht, der Eintragung von Ersatzhypotheken auf Miteigentumsanteilen entgegen, die durch Zuschlag an denselben Ersteher wiedervereinigt und damit beseitigt sind?
2. Besteht die Möglichkeit, daß solche Ersatzhypotheken, nachdem sie eingetragen worden sind, in der Folge aufrücken und befriedigt werden oder sind sie als gegenstandslos zu löschen?

Tatbestand

Auf dem Grundstücke Deutsch P. Bd. 5 Bl. 117, dessen Alleineigentümer früher der Beklagte Martin B. war, hafteten in Abt. III Nr. 5: 6000 M Darlehn, mit 41/2% verzinslich, für die Kreissparkasse, Nr. 6: 5000 M Darlehn mit 41/2% Zinsen für die Kaufmannswitwe Amalie J.

Am 6. November 1899 ließ Martin B. die Miteigentumshälfte schenkungsweise seiner Ehefrau, der Mitbeklagten Pauline B., auf, und es kamen dam im Jahre 1904 die beiden Eigentumshälften nacheinander zur Zwangsversteigerung. Beide Eigentumsanteile erstand der Kläger, und zwar zuerst durch Zuschlagsbescheid vom 10. März 1904 den des Martin B., dann durch Zuschlag vom 26. Oktober 1904 den der Pauline B. Beide Male wurde die Hypothek der Kreissparkasse als im geringsten Gebot enthalten übernommen, von den 5000 M Abt. III Nr. 6 blieben 3205,11 M unter Freigabe des andern Anteils auf dem früheren Anteile von Martin B., der Rest von 1794,39 M unter dessen Freigabe auf dem früheren Anteile der Pauline B. stehen. Außerdem aber wurde, da die Hypothek der Kreissparkasse von 6000 M bei beiden Zwangsversteigerungen in vollem Umfange berücksichtigt war, gemäß den §§ 50, 125 ZwVG. zur Sicherung der bedingten Ersatzzahlungsverpflichtung zunächst in Abt. III Nr. 17 bzw. 18 je eine Sicherungshypothek von 6000 M eingetragen und dann am 30. Juni 1905 eine Ersatzverteilung vorgenommen, wobei "für den Fall und insoweit, als das Recht auf Befriedigung aus der Sparkassenhypothek nach Maßgabe der besonderen Vorschriften über die Gesamthypothek erlösche", zunächst die Ersatzhypothek Nr. 17 auf dem früheren Anteile von Martin B. und dann die Ersatzhypothek Nr. 18 auf dem früheren Anteile der Pauline B. in bestimmter Reihenfolge und in bestimmten Betrügen den ausgefallenen Berechtigten, den Beklagten Nr.1 bis 3, und in letzter Linie den früheren Eigentümern, den Beklagten Nr. 4, 5, zugeteilt wurde.

Mit der im Mai 1917 erhobenen Klage verlangt der Kläger die Löschung der Ersatzhypotheken, indem er geltend macht, daß zwar die erste Ersatzhypothek zu Recht eingetragen worden sei, nicht aber die zweite, nachdem er auch die andere Hälfte erworben habe und so Alleineigentümer geworden sei (§ 1114 BGB.). Aber auch die erste Ersatzhypothek auf dem früheren Anteile von Martin B. sei deswegen gegenstandlos geworden und müsse gelöscht werden, weil die Bedingung, daß die Sparkassenhypothek nach den Vorschriften über die Gesamthypothek auf dem Anteil erlösche, nicht mehr eintreten könne, nachdem beide Anteile wieder in einer Hand vereinigt seien.

Das Landgericht trat dem bei und verurteilte nach dem Klagantrage die Beklagten zur Löschung bzw. Duldung dieser Löschung. Ihre Berufung ist vom Oberlandesgerichte zurückgewiesen, auf ihre Revision aber das Berufungsurteil aufgehoben und unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils die Klage abgewiesen worden.

Gründe

... "Die Klage, die nach den §§ 894, 1169 BGB. (vgl. RGZ. Bd. 86 S. 301/5, Bd. 91 S. 218/26; Jur. Wochenschr. 1916 S. 910 Nr. 7) berechtigt erscheinen könnte, wenn ihre Voraussetzungen zuträfen, stützt sich auf zwei Gründe.

1.

Es sei zum mindesten die Ersatzhypothek Nr. 18 auf dem früheren Anteile der Pauline B. hinfällig, weil dieser Anteil durch den Zuschlag an den früheren Ersteher des andern Anteils -- der dadurch gemäß § 90 ZwVG. Alleineigentümer des Grundstücks geworden sei -- zu bestehen aufgehört habe und nach § 1114 BGB. mit einer Sonderhypothek nicht mehr habe belastet werden dürfen. Diesen Grund hat das Landgericht unter Bezugnahme auf die Entscheidungen des Kammergerichts in Johows Jahrbuch Bd. 234 S.230, Bd. 264 S. 157/160 für zutreffend erachtet, das Oberlandesgericht hat sich darüber nicht ausgelassen. Der Grund berührt die Ersatzhypothek auf dem früheren Anteile des Martin B. (Abt. III Nr. 17) überhaupt nicht, kann aber auch für die Ersatzhypothek Abt. III Nr. 18 nicht für durchgreifend erachtet werden. Die Vertreter dieser Ansicht berücksichtigen nicht, daß der Eigentumsübergang des § 90 ZwVG. nicht für sich allein, losgelöst von den anderen Vorschriften dieses Gesetzes, insbesondere der Kaufgelderbelegung und den Eintragungen im Grundbuche, betrachtet werden kann. Er wird in seinen Wirkungen gehemmt durch die Beschlagnahme des Grundstücks und deren Eintragung im Grundbuche (§§ 19, 20 ZwVG.) und erlangt seine volle Wirkung erst, wenn nach der Kaufgelderbelegung auf Ersuchen des Vollstreckungsrichters die daraus sich ergebenden Eintragungen im Grundbuche vorgenommen und der Versteigerungsvermerk gelöscht wird (§ 130 ZwVG., vgl. auch Stillschweig in der Jur. Wochenschr. 1914 S. 9). Aber auch vom Standpunkte des Kammergerichts würde das Löschungsbegehren aus diesem Grunde nicht ohne weiteres berechtigt sein. Denn das Kammergericht verlangt, daß in einem Falle wie dem vorliegenden die Ersatzhypothek an Stelle des erloschenen Anteils auf dem ganzen Grundstück eingetragen wird, und zur Bewilligung einer solchen Eintragung hat sich der Kläger nicht bereit erklärt.

2.

Die Bedingung der Ersatzhypotheken soll überhaupt nicht mehr eintreten können und deshalb sollen die Ersatzhypotheken gegenstandslos geworden sein. Dieser von beiden Vorderrichtern für zutreffend erachtete Grund wird von der Revision mit Recht angegriffen.

Zunächst ist nicht einzusehen, warum die beiden jetzt vereinigten, aber verschieden belasteten Anteile nicht in der Folge durch freiwillige Veräußerung (Auflassung, Testament) aus irgendwelchen Gründen sollten wiederhergestellt werden können. Aber auch wenn man davon absieht, bietet sich die in der Berufungsinstanz von den Beklagten vorgebrachte und vom Berufungsrichter erörterte Möglichkeit, daß wegen der auf die früheren Anteile erteilten Hypothek Nr. 6 gemäß § 864 Abs. 2 ZPO. die früheren Anteile als solche zur Zwangsversteigerung kommen. Der Berufungsrichter erkennt dies an, hält es aber für einflußlos, weil die Hypothek der Kreissparkasse dadurch nicht berührt werden und nicht nach den Vorschriften über die Gesamthypothek erlöschen könne. Die Befugnis zur Anteilsversteigerung nach der Vorschrift des § 864 Abs. 2 ZPO. (vgl. auch RGZ. Bd. 20 S. 270; Gruchot Beitr. Bd. 55 S. 670; Jäckel-Güthe, Zwangsversteigerungsgesetz. Vorbem. vor. § 1 Anm. 5. 6) stehe der Sparkasse nicht zu, weil Anteile von Miteigentümern nach der Vereinigung nicht mehr vorhanden seien und ihre Hypothek nicht mehr die verschwundenen Anteile, sondern nur noch das ganze Grundstück belaste. Eine Anteilsversteigerung sei vielmehr nur auf Antrag der Gläubigerin Abt. III Nr. 6 möglich. Dann sei aber die Sparkassenhypothek in das geringste Gebot aufzunehmen und könne nicht erlöschen. Dabei ist jedoch, wie die Revision mit Recht gerügt hat, übersehen, daß die Anteilsversteigerung der Witwe J. dazu führen kann, daß die Anteile durch die Zwangsversteigerung wieder in verschiedene Hände kommen und so der frühere Zustand wiederhergestellt wird. Infolgedessen erübrigt sich das Eingehen auf die Frage, ob die Vorschriften des Zwangsversteigerungsgesetzes, insbesondere eine etwaige analoge Anwendung des § 64 a. a. O. (vgl. Jäckel-Güthe Anm. 2 Abs. 2, 7, 13), nicht auch sonst die Möglichkeit des Aufrückens und einer gänzlichen oder teilweisen Befriedigung der Ersatzhypotheken begründen könnten." ...